15.09.2012

„Tax and the city“ ohne Happy End

Beruflich veranlasste Übernachtungen dürfen nicht besteuert werden

„Tax and the city“ ohne Happy End

Beruflich veranlasste Übernachtungen dürfen nicht besteuert werden

Bei privaten Übernachtungen ist eine Übernachtungssteuer als kommunale Aufwandsteuer grundsätzlich zulässig. | © Scanrail - Fotolia
Bei privaten Übernachtungen ist eine Übernachtungssteuer als kommunale Aufwandsteuer grundsätzlich zulässig. | © Scanrail - Fotolia

Mit großer Spannung wurde die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit der Übernachtungssteuer in den Städten Trier und Bingen am Rhein erwartet. Mehr als zwanzig Städte in Deutschland hatten in den letzten Jahren eine solche kommunale Steuer auf Hotelübernachtungen – teilweise auch Kulturförderabgabe, Bettensteuer oder City-Tax genannt – eingeführt, zahlreiche weitere Kommunen haben entsprechende Überlegungen angestellt. Die Leipziger Richter gaben sich salomonisch: Grundsätzlich ist eine Übernachtungssteuer als kommunale Aufwandsteuer zulässig; eine Besteuerung von beruflich zwingenden entgeltlichen Übernachtungen ist hingegen verfassungsrechtlich nicht möglich (Urteile vom 11.07.2012, Az.: 9 CN 1.11, 9 CN 2.11).

Historie der Übernachtungssteuer

Bereits seit 2005 wird in Weimar eine „Kulturförderabgabe“ auf entgeltliche Übernachtungen erhoben. Zunächst weitgehend unbeachtet erhielt diese als Aufwandsteuer qualifizierte Abgabe seit 2009 erheblichen Auftrieb. Grund hierfür war neben der angespannten kommunalen Haushaltslage nicht zuletzt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz des Bundes und insbesondere die hierin enthaltene Reduzierung der Umsatzsteuer für Beherbergungsdienstleistungen. Viele Städte und Gemeinden sahen sich angesichts der im Wachstumsbeschleunigungsgesetz enthaltenen Steuererleichterungen mit erheblichen Einnahmeausfällen konfrontiert. Eine kommunale Steuer auf entgeltliche Übernachtungen sollte dazu beitragen, die entstandenen Finanzierungslücken zu decken. Die damit verbundenen Belastungen für die Berherbergungsbranche hielt man angesichts der vom Bund gewährten Umsatzsteuererleichterung für vertretbar.

Die Zulässigkeit dieser Steuer wurde zwar in der Literatur kontrovers diskutiert; die Rechtsprechung hatte aber überwiegend keine durchgreifenden Bedenken gegen diese Abgabe. Einzig in Bayern überwogen die Zweifel: So verweigerte die Regierung von Oberbayern als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde der Landeshauptstadt München die notwendige Genehmigung zu ihrer Übernachtungssteuersatzung. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht München und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 22.03.2012, Az.: 4 BV 11.1909) ohne Erfolg, so dass den bayerischen Gemeinden eine Erhebung der Steuer nicht möglich war. Begründet wurde diese Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof damit, dass die Steuer das vom Bundesgesetzgeber mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz verfolgte Interesse, speziell die Beherbergungsbranche wirtschaftlich zu stärken, konterkariere und damit öffentliche Belange beeinträchtige. Dies führe nach dem bayerischen Kommunalabgabengesetz regelmäßig dazu, dass die Genehmigung einer Steuersatzung zu versagen sei.


Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zunächst klargestellt, dass eine Steuer auf entgeltliche Übernachtungen grundsätzlich eine örtliche Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG ist. Aufwandsteuern erfassen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die darin zum Ausdruck kommt, dass die Verwendung von Einkommen für den persönlichen Lebensbedarf (Konsum) über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht. Diese Voraussetzung sei nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts aber nur bei entgeltlichen Übernachtungen aus privaten – insbesondere touristischen Gründen – gegeben. Sie fehle jedoch bei entgeltlichen Übernachtungen, die beruflich zwingend erforderlich sind. Solche Übernachtungen dienten bei einer wertenden Betrachtung nicht der Verwendung, sondern der Erzielung von Einkommen und unterlägen daher nicht der Aufwandbesteuerung.

Die Aufwandsteuern für privat veranlasste Übernachtungen seien bei den Satzungen der Städte Trier und Bingen am Rhein nach einer Gesamtbewertung nicht als gleichartig mit der Umsatzsteuer anzusehen, was sonst ebenfalls zu ihrer Verfassungswidrigkeit geführt hätte. Zwar wiesen sie Ähnlichkeiten mit der Umsatzsteuer auf, unterschieden sich jedoch von ihr erheblich: Sie würden den Steuergegenstand „Entgelt für Übernachtung“ lediglich in einem Teilbereich (private Übernachtung) erfassen und nur zeitlich begrenzt für vier bzw. sieben zusammenhängende Übernachtungstage erhoben, während die Umsatzsteuer alle Lieferungen und sonstigen Leistungen des Unternehmers betreffe und ohne eine derartige zeitliche Grenze anfalle. Die Satzungen sähen ferner einen Steuerpauschalbetrag vor, während die Umsatzsteuer sich nach einem Hundertsatz vom Übernachtungsentgelt berechne; zudem würde die Übernachtungssteuer anders als die Umsatzsteuer nur von Erwachsenen erhoben.

Die Übernachtungssteuersatzungen der Städte Trier und Bingen am Rhein wurden vom Bundesverwaltungsgericht gleichwohl nicht nur teilweise, sondern im vollen Umfang für unwirksam erklärt, weil sie nicht teilbar seien.

Reaktionen und Ausblick

Das Urteil hat Zustimmung auf Seiten der kommunalen Familie und der Vertreter der Beherbergungsbetriebe erfahren: Während der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband die „richtungsweisende Entscheidung“ und das Obsiegen der beiden rheinland-pfälzischen Hoteliers begrüßte, wurde auch seitens des Deutschen Städtetags das Urteil positiv bewertet, weil in ihm die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Übernachtungssteuer festgestellt wird. Ob die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch einen Schlussstrich unter die politische und juristische Diskussion über die Übernachtungssteuer zu ziehen vermag, ist trotz dieser Einmütigkeit fraglich. Während einige Städte – unter ihnen auch die in Leipzig unterlegene Stadt Bingen am Rhein – in Zukunft auf diese Einnahmequelle gänzlich verzichten wollen, planen andere Kommunen, die Steuer beschränkt auf privat veranlasste Übernachtungen zu erheben und ihre Satzungen dementsprechend zu überarbeiten. Angesichts der erheblichen Probleme, die der Vollzug einer so reduzierten Übernachtungssteuer praktisch und rechtlich mit sich bringen dürfte, bleibt das weitere Schicksal dieser Abgabe spannend. Ob eine Übernachtung „beruflich zwingend erforderlich“ ist, lässt sich zwar vermeintlich einfach durch eine Befragung des Übernachtungsgastes ermitteln. Zu bedenken ist aber, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei einer Steuer, deren Festsetzung von einer Erklärung des Steuerpflichtigen abhängt, hinreichende Kontrollmöglichkeiten zur Gewährung der steuerlichen Belastungsgleichheit erforderlich sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.06.1991, Az.: 2 BvR 1493/89). Ob der mit Kontrolle und Erhebung verbundene Verwaltungsaufwand noch in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Einnahmen aus der Steuer steht, ist von jeder Kommune selbst zu beurteilen. Durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte aber die Hoffnung zahlreicher Kämmerer auf eine neue und unkomplizierte Einnahmequelle der Ernüchterung gewichen sein.

 

Georg Große Verspohl

Oberregierungsrat Bayerisches Staatsministerium des Innern, Landshut
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