15.09.2012

Flächensicherung für Windenergieanlagen

Kommunen durch Standortsicherungsvertrag an Wertschöpfung beteiligen

Flächensicherung für Windenergieanlagen

Kommunen durch Standortsicherungsvertrag an Wertschöpfung beteiligen

Wettbewerb um Standorte - Kommunen sollten sich die für Windenergieanlagen relevanten Flächen frühzeitig sichern. | © Africa Studio - Fotolia
Wettbewerb um Standorte - Kommunen sollten sich die für Windenergieanlagen relevanten Flächen frühzeitig sichern. | © Africa Studio - Fotolia

Vielerorts sind die Gemeinden derzeit damit beschäftigt, Standorte für Windenergieanlagen zu finden, um diese im Flächennutzungsplan als Konzentrationszonen für Windenergieanlagen im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB auszuweisen. Die Konzentrationszonenplanung hat die Funktion, eine Verstreuung der Anlagen über den gesamten Landschaftsraum zu vermeiden. Eine solche konzentrierende Planung ist notwendig, weil Windenergieanlagen privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB darstellen und ansonsten im Regelfall an jedem Standort im Außenbereich zulässig wären.

Die sogenannte „Verspargelung“ der Landschaft soll durch die Bauleitplanung verhindert werden. In Gemeinden, in denen es bereits Konzentrationszonenplanungen gibt, wird im Zuge der Energiewende darüber nachgedacht, weitere Standorte auszuweisen oder höhere Anlagen im Wege des sogenannten Repowering zuzulassen (siehe hierzu: § 249 BauGB).

Beteiligung an der Wertschöpfung als kommunale Konfliktbewältigungsprämie

Beteiligen sich Kommunen oder Stadtwerke an bereits „schlüsselfertig“ projektierten Windenergieanlagen, so ist eine Rendite in einer Größenordnung von rund 4 bis 7 % des investierten Kapitals vorstellbar. Da die Projekte allerdings nicht selten lediglich mit einer 50%igen Erfolgswahrscheinlichkeit kalkuliert werden, ist diese Renditeerwartung im Hinblick auf das Risiko als eher bescheiden anzusehen. Demgegenüber beträgt der Projektierungsgewinn bei der Standortentwicklung 20 bis 30 % des investierten Kapitals, so dass die Renditeprognose bei Projekten „in Genese“ deutlich günstiger ausfallen kann, wenngleich auch insoweit ein beträchtliches Ausfallrisiko zu berücksichtigen ist. Die Beteiligung an der Standortentwicklung für die Kommunen dürfte jedenfalls deutlich lukrativer sein als der Einkauf in bereits bestehende Projekte.


Die Kommunen müssen ohnehin an der Standortentwicklung im Rahmen der Bauleitplanung mitwirken. Im Bauleitplanverfahren sind die Konflikte mit dem Umfeld (z. B. Lärmimmissionen, Schattenwurf, Artenschutz etc.) durch die Gemeinde sowieso zu bewältigen und abzuarbeiten. Deshalb ist es sachgerecht, wenn die Kommunen auch an den Projektierungsgewinnen im Sinne einer Konfliktbewältigungsprämie beteiligt werden. Unter kommunaler Beteiligung projektierte Windenergievorhaben haben zudem den Vorteil, dass über kommunal initiierte Bürgerbeteiligungsmodelle für eine höhere Akzeptanz bei der Bevölkerung gesorgt werden kann.

Kommunale Beteiligungsmodelle

Ein wichtiges Anliegen vieler Kommunen ist es, die Wertschöpfung in der Region zu halten. Die Projektierungsgewinne und Pachteinnahmen sollen nicht einigen wenigen privilegierten Projektanten, sondern der Allgemeinheit zugute- kommen. Diejenigen, deren unmittelbare Lebensumgebung durch die Windräder beeinträchtigt wird, sollen kompensatorisch an der Wertschöpfung teilhaben. Es geht darum, den Ausverkauf der jeweiligen Region zu verhindern. Manche Kommunen sind deshalb dazu übergegangen, die Ausweisung von Standorten für Windenergieanlagen davon abhängig zu machen, dass der Grundstückseigentümer bzw. der Anlagenprojektierer sich verpflichtet, bestimmte Geldbeträge an die Gemeinde als eine Art „Schmerzensgeld“ für die Landschaftsbeeinträchtigung zu bezahlen, die diese ihrerseits zugunsten der Bürger verwendet.

Von derartigen Modellen muss indessen abgeraten werden, weil sie gegen das strafbewehrte Koppelungsverbot verstoßen (siehe: § 56 VwVfG, § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB, Art. 20 Abs. 3 GG, §§ 331 ff. StGB). Die Gemeinde darf die Ausübung ihrer Planungshoheit nicht mit der Erbringung von Gegenleistungen verknüpfen. Eine Ausnahme vom Koppelungsverbot besteht indessen dann, wenn die Kommune im Zusammenhang mit der Bauleitplanung städtebauliche Verträge abschließt, mit denen sie die Planverwirklichung sichern möchte. Derartige Planrealisierungsverträge sind nach der gesetzlichen Wertentscheidung des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB sowie des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BauGB zulässig und stellen keinen Verstoß gegen das Koppelungsverbot dar. Die Kommunen dürfen deshalb die Ausweisung von Flächen für Windenergieanlagen vom Abschluss eines Standortsicherungsvertrages zwischen Grundstückseigentümer und Gemeinde abhängig machen. Voraussetzung ist aber, dass dieses Junktim von Vertrag und Bauleitplanung im Rahmen eines qualifizierten Standortauswahlverfahrens erfolgt und dass die Standortsicherungsverträge den Anforderungen des § 11 Abs. 1 S. 2.Nr. 4 BauGB und des § 11 Abs. 2 BauGB gerecht werden (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1998, NJW 1999, 208; siehe hierzu im Einzelnen das Rechtsgutachten von BBH: www.energiedialog.nrw.de).

Frühzeitige Standortsicherung

In den meisten Fällen werden Grundstücke für Windenergieanlagen zur Projektierung nicht erworben, sondern lediglich angepachtet. Die Anpachtung hat den Vorteil, dass das Grundstück vom Verpächter weiterhin genutzt werden kann, sofern die Nutzung für die Erzeugung von Strom aus Windenergie nicht beeinträchtigt wird. Für die Kommunen ist eine frühzeitige Standortsicherung besonders wichtig. Zu empfehlen ist eine Standortsicherung noch bevor die Konzentrationszonenplanung öffentlich bekannt gemacht wurde. Ansonsten sieht sich die Gemeinde einem Wettbewerb um die Standorte mit privaten Projektanten ausgesetzt, die im Regelfall deutlich höhere Pachteinnahmen bieten können. Es ist deshalb für die Gemeinden wichtig, dass die in Betracht kommenden Grundstücke noch vor der Veröffentlichung der Konzentrationszonenplanungen durch Standortsicherungsvertrag „eingefangen“ und für kommunale Windenergieprojekte gesichert werden.

Ausgestaltung von Standortsicherungsverträgen

Für die Vertragsgestaltung bedeutet die frühzeitige Standortsicherung, dass oftmals noch nicht klar ist, an welcher Stelle eine Windenergieanlage in Zukunft situiert werden wird. Die Konzentrationszonenplanungen umfassen üblicherweise eine Vielzahl von Grundstücken und sind eher grobmaschig gestrickt. Zu diesem frühen Zeitpunkt können meist noch keine Grundstückspachtverträge abgeschlossen werden. Deshalb ist auf Optionsmodelle zurückzugreifen, die den Kommunen für den Fall, dass eine Windenergieanlage möglich wird, den Zugriff auf die betroffenen Grundstücke sichern.

Die Kommune muss allerdings für die exklusive Bereitstellung des Grundstückes im Rahmen eines Optionsvertrages ein Bereitstellungsentgelt bezahlen. Zudem ist auf eine angemessene Dauer der Grundstücksbereitstellung zu achten. Der ausschließliche Zugriff auf das Grundstück ist auch für den Rechtsnachfolger im Grundeigentum zu regeln und eventuell im Grundbuch abzusichern.

Denkbar sind aber auch subsidiäre Optionsmodelle, die lediglich greifen, wenn der Grundstückseigentümer sein Grundstück nicht selbst von sich aus für eine Windenergieanlage oder für einen von der Stadt ausgewählten Projektanten zur Verfügung stellt. Dann pachtet die Kommune das Grundstück lediglich bei Vertragsverstoß des privaten Grundstückseigentümers an, um die Fläche dem von der Kommune ausgewählten Standortentwickler zuzuführen. Diese subsidiären Modelle haben einerseits den Vorteil, dass das Bereitstellungsentgelte entfallen kann. Andererseits wird die Kommune dann, wenn sich der Grundstückseigentümer vertragskonform verhält, selbst keine aktive Rolle übernehmen und auch nicht entsprechend an der Wertschöpfung partizipieren können.

Verwendung der gesicherten Grundstücke

Nachdem sich die Kommune den Zugriff auf das jeweilige Grundstück gesichert hat, ist dieses dem im Bauleitplan vorgesehenen Zweck der Erzeugung von Strom aus Windenergie zuzuführen. Die Kommune kann das Grundstück beispielsweise im Wege der Unterverpachtung an eine von ihr ausgewählte oder mit ihr konzipierte Projektgesellschaft vergeben. Die Vergabe des Grundstücks hat in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu erfolgen (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2008, NVwZ-RR 2009, 596; Mitteilung der EU-Kommission 2008/C 91/02, ABl. C 91 vom 12.4.2008). Sofern der Pachtvertrag eine Bauverpflichtung oder Bauobliegenheit des Pächters enthält, muss die Gemeinde ggf. ein förmliches Vergabeverfahren nach VOB/A durchführen und den Pächter in diesem Verfahrensrahmen auswählen, weil es sich unter Umständen um eine Baukonzession im Sinne des § 99 Abs. 6 GWB sowie des § 22 VOB/A handelt (OLG Bremen, Beschl. v. 13.03.2008 – Verg 5/07; siehe ferner: EuGH, Urt. v. 25.03.2010 – C-451/08).

Die Kommune kann vor allem an der Wertschöpfung partizipieren, wenn die Grundstücke zu einem sehr frühen Zeitpunkt günstig angepachtet und zu einem späteren Zeitpunkt – nach Standortentwicklung – zu einem höheren Pachtzins weiterverpachtet werden. Das Delta zwischen Anpachtungs- und Verpachtungszins ist gerechtfertigt, wenn die Kommune sich aktiv an der Standortentwicklung und Konfliktbewältigung im Rahmen einer Bauleitplanung beteiligt hat. Durch den Zugriff der Kommune auf das Grundstückseigentum ist es auch möglich, dass die Kommune auf die Ausgestaltung der Projektgesellschaft maßgeblichen Einfluss nimmt. Der Zugriff auf das Grundstückseigentum ist wesentlich, um Bürgerbeteiligungsmodelle unter kommunaler Regie zu realisieren.

Tipps für die kommunale Praxis

Gemeinden, die eine aktive Rolle bei der Energiewende spielen möchten, sollten sich frühzeitig die Grundstücke für Windenergieanlagen vertraglich sichern. Die kommunale Verfügbarkeit dient dazu, einen Ausverkauf der Region zu vermeiden und die regionale Wertschöpfung zu sichern. Durch An- und Weiterverpachtung von Grundstücken für Windenergieanlagen können die Kommunen an den planungsbedingten Bodenwertsteigerungen partizipieren. Der Zugriff auf das Grundstückseigentum kann auch genutzt werden, um Bürgerbeteiligungsmodelle durchzusetzen. Für die Standortsicherung sind unterschiedliche Vertragsmodelle je nach Zielsetzung der Gemeinde möglich. Wichtig ist, dass die Verträge im Rahmen eines qualifizierten Standortauswahlverfahrens abgeschlossen werden und dass die rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, Abs. 2 BauGB eingehalten werden. Die Vergabe der Grundstücke für Windenergieanlagen an Projektanten hat in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu erfolgen.

Christian Held

Christian Held

Rechtsanwalt, Partner Becker Büttner Held, Berlin
 
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