15.09.2012

Bausteine zur Energiewende in BW

Neuregelungen bei der Planung der Windkraft

Bausteine zur Energiewende in BW

Neuregelungen bei der Planung der Windkraft

Windenergie im Aufwind: In Baden-Württemberg sollen in den nächsten zehn Jahren bis zu 1 500 neue Anlagen entstehen. | © Thaut Images - Fotolia
Windenergie im Aufwind: In Baden-Württemberg sollen in den nächsten zehn Jahren bis zu 1 500 neue Anlagen entstehen. | © Thaut Images - Fotolia

Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg möchte die Energiewende forcieren und den Ausbau der „heimischen“ Windenergienutzung bis 2020 verzehnfachen (Ziel: ca. 7 TWh/p.a.). Windenergieanlagen sind im Außenbereich bevorzugt zulässig. Allerdings hat der Bund einen Planvorbehalt in das BauGB aufgenommen (§ 35 III 3 BauGB). Danach können die Regionalplanung und die kommunale Flächennutzungsplanung sogenannte Konzentrationszonen ausweisen. Im Gegenzug sind im restlichen Gebiet Windenergieanlagen (WEA) ausgeschlossen.

Diese Kombination von Vorrang- und Ausschlussgebieten bezeichnet die Fachdiskussion als Schwarz-Weiß-Lösung (SW). Im Verhältnis Regionalplanung – Flächennutzungsplanung (FNP) geht der Regionalplan dem FNP vor (Anpassungsgebot nach § 1 IV BauGB). Im Südweststaat haben 10 der 12 Regionen die Windenergienutzung bearbeitet. Daher blieb bisher wenig Raum für die vorbereitende Bauleitplanung (FNP). Die Regionalpläne haben, entsprechend den Vorgaben der damaligen Landesplanung, nur sehr vorsichtig Vorranggebiete ausgewiesen. Bis dato gibt es nur etwa 380 Windenergieanlagen im Land. Allerdings weht in Baden-Württemberg im Ländervergleich wenig Wind. Hier sind die Küstenanlieger bevorzugt (anders bei der Wasserkraft und der Sonnenenergie).

Novelle des Landesplanungsgesetzes

Die Landesregierung möchte in den kommenden zehn Jahren 1000 bis 1500 neue WEA ansiedeln. Deshalb hat sie das Landesplanungsgesetz in einer Windnovelle (Gesetz v. 22.05.2012, GBl. S. 285) geändert. Die Pflicht der Regionalverbände zur SW-Planung entfällt. Gleichzeitig werden die bestehenden regionalplanerischen Festlegungen zur Windenergie zum 31.12.2012 aufgehoben. Dann greift die Privilegierung nach § 35 I Nr. 5 BauGB. Bestehen bleiben die Pläne der Regionalverbände Rhein-Neckar und Donau-Iller, denn in den beiden länderübergreifenden Regionen basieren die Pläne auf Staatsverträgen, die das Land nicht einseitig verändern kann. Die Regionalverbände dürfen in Zukunft nur noch Vorranggebiete ausweisen, Ausschlussgebiete sind per Gesetz ausgeschlossen. Dieser Teil der Windnovelle gilt unmittelbar mit ihrem Inkrafttreten. Weiter bestehen bleibt der Planvorbehalt zugunsten der kommunalen Flächennutzungsplanung. Diesen konnte und wollte das Land nicht beseitigen. Damit hat sich die Anzahl der Planungsträger deutlich erhöht (etwa im Verhältnis 1:30), im Gegenzug haben sich die Planungsräume entsprechend verkleinert.


Administrative Begleitung

Als Planungs- und Entscheidungshilfe haben die vier betroffenen Ministerien am 09.05.2012 eine gemeinsame Verwaltungsvorschrift herausgegeben – den Windenergieerlass Baden-Württemberg (GABl. S. 413). Mit dem Erlass folgt das Land dem Vorbild anderer Bundesländer (z. B. Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz) und liefert eine Orientierungshilfe für die planenden Körperschaften sowie verbindliche Vorgaben für die staatl. Verwaltungsbehörden. Die Träger der Regional- und der Bauleitplanung erhalten reine Hinweise für ihre Planungsaufgaben; beispielsweise sind in dem Erlass Abstände zu Siedlungen und Schutzgebieten genannt. In dem für die Landesbehörden verbindlichen Teil wird das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren mit den einzelnen fachlichen Materien geregelt, z. B. Bauplanungsrecht, Immissionsschutz, militärische Anlagen, Denkmalschutz (www.landesrecht-bw.de).

Für die Bestimmung der Windhöffigkeit in der Regional- und Flächennutzungsplanung kann weiterhin auf den Windatlas Baden-Württemberg aus dem Jahr 2011 zurückgegriffen werden (www.windatlas-bw.de).

Das Land möchte zudem die Datengrundlage für die Planungen verbessern. Im Laufe der Jahre 2012/13 wird insbesondere die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) eine Reihe von Erhebungen vorlegen:

– Liste der windkraftempfindlichen Vogel- und Fledermausarten
– Karte der naturschutzfachlichen Tabu- und Restriktionsbereiche
– Hinweise zur Genehmigung (Bewertungsstandards, Eingriffsminimierung)
– Kartierung der windkraftempfindlichen Vogel- und Fledermausarten
– Zugverdichtungsräume von Vögeln und Fledermäusen
– Raumwiderstandskarten.

Die Daten sind hilfreich und wichtig für die örtlichen Planungen. Da sie aber in bereits laufende Planungsverfahren eingespeist werden, können sie dort auch zu inhaltlichen Widersprüchen und verfahrenstechnischen Verzögerungen führen.

Neue Rechtsfragen

Durch die Verlagerung der planerischen Zuständigkeiten innerhalb einer kurzen Übergangsfrist (31.12.2012) stellt sich eine Fülle neuer rechtlicher und praktischer Fragen. Damit kein ungesteuerter Ansiedlungswettlauf entsteht (Verspargelung der Landschaft), werden viele Gemeinden Teilflächennutzungspläne zur Windenergie aufstellen. Dafür muss schnell der notwendige Sachverstand aufgebaut werden.

Zur Unterstützung der Kommunen hat das Land Kompetenzzentren bei den Regierungspräsidien und den Regionalverbänden eingerichtet. Sie werden eine Reihe neuer Rechtsfragen beantworten müssen, z. B.:

– Voraussetzungen der Zurückstellung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nach § 15 III BauGB
– Änderung / Aufhebung von Landschaftsschutzgebieten wegen der Zulassung von Windfarmen (Zonierungskonzepte nach bayerischem Vorbild)
– Planung in Befreiungs- und Ausnahmelagen, insbesondere, aber nicht nur bei dem besonderen Artenschutz (§§ 44 f. BNatSchG)
– Interkommunale Zusammenarbeit durch Vereinbarungen über bestimmte Darstellungen in den FNP nach § 204 I 4 BauGB.

 

Dr. jur. Gerd Hager

Verbandsdirektor des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein (Karlsruhe), Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Regionalverbände Baden-Württembergs, Karlsruhe
 

Dr.-Ing. Christoph Scheck

Referent für Verkehr, Energie und Wirtschaft beim Regionalverband Mittlerer Oberrhein, Karlsruhe
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