14.03.2022

Streit um Einigungsstelle für die Ausgestaltung mobiler Arbeit

Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 23.04.2021 – 9 TaBV 9/21

Streit um Einigungsstelle für die Ausgestaltung mobiler Arbeit

Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 23.04.2021 – 9 TaBV 9/21

Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Will ein Arbeitgeber keine mobile Arbeit einführen, dürfte mit dieser Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln bestätigt sein, dass es kein Initiativrecht des Betriebsrats zur Ausgestaltung von mobiler Arbeit gibt. Nur dann, wenn bereits mobile Arbeit ermöglicht wurde und bestehen bleiben soll, besteht ein Mitbestimmungsrecht.

Ausgangsfall

In einem Postunternehmen arbeiteten rund 650 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem internen Rentenservice. Dort waren sie für die Rentenzahlung, Rentenanpassung, Bestandspflege der Rentnerinnen und Rentner, Betriebsrentenverwaltung usw. zuständig. Einige der Beschäftigten der Abteilung arbeiteten seit Beginn der Corona-Pandemie ganz oder teilweise außerhalb der Betriebsstätte des Postunternehmens. Die Arbeitgeberin hatte mit dem für diesen Bereich gebildeten Betriebsrat über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten verhandelt. Die Arbeitnehmervertretung hatte daraufhin einen Entwurf einer Betriebsvereinbarung erarbeitet. Das Papier enthielt u. a. eine Definition zum mobilen Arbeiten, Regelungen zur Beantragung von mobiler Arbeit und zur Arbeitszeit.

Verhandlungen zum mobilen Arbeiten scheitern

Anfang Dezember 2020 scheiterten die Verhandlungen um diese Betriebsvereinbarung. Der Betriebsrat beschloss Anfang Februar 2021 die gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle. Die Arbeitgeberin war damit nicht einverstanden. Aus ihrer Sicht waren die innerbetrieblichen Verhandlungen gar nicht gescheitert. Das Arbeitsgericht wies den Antrag des Betriebsrats auf Einsetzung einer Einigungsstelle wegen formeller Mängel zurück, die Vertretung änderte daraufhin ihren Antrag. Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) gab dem neuen Gesuch statt.1


Danach sollten durch die Einigungsstelle die Bedingungen des mobilen Arbeitens unter den Aspekten des Arbeitsschutzes, der Arbeitszeitfestlegung, des Einsatzes von Überwachungstechnik, der betrieblichen Berufsbildung und Aufstellung von Beurteilungsbedingungen geregelt werden. Die Arbeitgeberin hatte vor dem LAG wiederholt, dass sie nicht nachvollziehen könne, warum ein gerichtlicher Antrag gestellt worden sei, obwohl sie dem Betriebsrat eine Terminabstimmung für weitere Gespräche angeboten hatte. Außerdem bestünde ihrer Meinung nach kein Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung von mobiler Arbeit oder von Home-Office.

Mobiles Arbeiten inzwischen bekannter Begriff

Die Landesrichter hoben zunächst hervor, dass ein Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle so eindeutig sein muss, dass der Kompetenzrahmen der Stelle klar abgesteckt ist. Es sei ausreichend, wenn aus dem Antrag hervorginge, welche Aspekte – wie Arbeitsschutz, Arbeitszeit, Einsatz von Überwachungstechnik, betriebliche Fortbildung usw. – die Einigungsstelle regeln solle. Der Begriff »mobiles Arbeiten« habe sich mittlerweile unabhängig von dem Entwurf des Betriebsrats im entschiedenen Fall zu einem juristisch hinreichend klar umrissenen Terminus entwickelt. Er umfasse nicht nur die Tätigkeit im Home-Office. Ein Arbeitnehmer arbeite vielmehr immer dann mobil, wenn er die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informationstechnologie außerhalb der Betriebstätte von einem Ort oder von Orten seines Arbeitgebers oder von einem mit diesem vereinbarten Ort erbringe.

Betriebsräten stehen bereits umfassende Beteiligungsrechte zu

Durch die Aufzählung der Regelungspunkte wie Arbeitsschutz etc. wisse die Einigungsstelle, zu welchen Themen sie ihre Zuständigkeit prüfen und eine abschließende Regelung treffen müsse. Auch ohne die jüngsten Gesetzesentwürfe des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales um die Ausgestaltung von mobiler Arbeit stünden bereits jetzt den Betriebsräten umfassende Beteiligungsrechte zu, die auch bei mobiler Arbeit greifen würden. Z. B. für den Bereich Arbeitsschutz, Arbeitszeit und Überwachungstechnik ergäbe sich ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die für mobiles Arbeiten notwendige betriebliche Fortbildung leite sich aus § 97 Abs. 2 BetrVG ab.

Bei erzwingbaren Mitbestimmungsrechten muss Betriebsrat beteiligt werden

Erzwingbare Mitbestimmungsrechte begründeten grundsätzlich Initiativrechte des Betriebsrats, so dass er von sich aus die Regelung einer Angelegenheit anstreben und ggf. die Einigungsstelle anrufen könne, soweit ein Mitbestimmungsrecht für den Betriebsrat nicht nur eine abwehrende Funktion habe. Zwar dürfe ein Arbeitgeber grundsätzlich in Anwendung seines Direktionsrechts nach § 106 GewO alleine entscheiden, ob er die Möglichkeit der mobilen Arbeit eröffnen wolle. Dieses Recht wolle der Betriebsrat dem Arbeitgeber auch nicht streitig machen, da Regelungsgegenstand der Einigungsstelle nicht die Einführung des mobilen Arbeitens sei. Denn die Arbeitgeberin habe bereits von sich aus bestimmten Arbeitnehmern eine Tätigkeit außerhalb der Betriebstätte gestattet und sich damit selbst für die Einführung von mobiler Arbeit entschieden.

Praxistipp

Will ein Arbeitgeber keine mobile Arbeit einführen, dürfte mit dieser Entscheidung bestätigt sein, dass es kein Initiativrecht des Betriebsrats zur Ausgestaltung von mobiler Arbeit gibt. Nur dann, wenn bereits mobile Arbeit ermöglicht wurde und bestehen bleiben soll, besteht ein vielgliedriges Mitbestimmungsrecht. Zu Recht hat das Gericht das Argument der Arbeitgeberin nicht gelten lassen, sie halte die Verhandlungen noch nicht für gescheitert. Es reicht für die Anrufung der Einigungsstelle die einseitige Feststellung aus, dass weitere innerbetriebliche Verhandlungen keinen Sinn machen.

 

1 Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 23.04.2021 – 9 TaBV 9/21

Besprochen in RdW 18/2021, Rn 353

 

Christian Vetter

Rechtsanwalt
n/a