18.03.2022

Mit Solarparks zum Artenschutz beitragen

Naturverträglicher Ausbau von Solar-Freiflächenanlagen schafft Win-Win-Situation

Mit Solarparks zum Artenschutz beitragen

Naturverträglicher Ausbau von Solar-Freiflächenanlagen schafft Win-Win-Situation

In naturverträglich gestalteten Solarparks können neue, störungsarme Lebensräume für Tiere und Pflanzen entstehen. © jeson – stock.adobe.com
In naturverträglich gestalteten Solarparks können neue, störungsarme Lebensräume für Tiere und Pflanzen entstehen. © jeson – stock.adobe.com

Mit den Klimazielen der neuen Bundesregierung kommt Schwung in den Ausbau der Photovoltaik. Der anvisierte Zubau von 200 Gigawatt bis zum Jahr 2030 ist – als eine Verdreifachung der installierten Leistung gegenüber 2020 – ausgesprochen ambitioniert. Flächen auf Gewerbe- und Wohnimmobilien, an Zäunen oder über bereits versiegelten Arealen werden dafür nicht ausreichen. Es wird also zu einem großen Ausbau von Photovoltaikanlagen auf sogenannten Freiflächen, insbesondere in den ländlichen Regionen kommen. Bei aller Aufbruchstimmung: Der Arten- und Naturschutz sollte immer mitgedacht und berücksichtigt werden.

Klima- und Biodiversitätskrise

Neben dem Kampf gegen die Erderwärmung ist der massive Artenschwund die größte Herausforderung unserer Zeit. Klimaschutz und Artenschutz sollten dabei – wo immer möglich – nicht getrennt, sondern gemeinsam gedacht und verfolgt werden. So zeigt der wissenschaftliche Workshop-Bericht von Weltklimarat IPCC und von Weltbiodiversitätsrat IPBES vom Juni 2021 auf, wie sich Klima und Natur gegenseitig beeinflussen. Auch laut einer jüngst in der Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlichten Studie spielen Ökosysteme und Biodiversität eine bedeutende Rolle bei der Stabilisierung des Klimas. Der Kampf gegen den Klimawandel kann also nur gelingen, wenn die natürlichen Ökosysteme mit ihren wesentlichen Beiträgen zum Klimaschutz erhalten bleiben und gestärkt werden. So speichern beispielsweise gesunde Böden, Moore und Wälder beträchtliche Mengen an Kohlenstoff und bieten gleichzeitig einen Lebensraum für unzählige Lebewesen.

Mehrfachnutzung von Flächen und Standortwahl

Der Druck auf die vorhandenen Flächen erhöht sich von Jahr zu Jahr. Siedlungen konkurrieren mit landwirtschaftlichen Gebieten, Erholungsuchende strömen in die letzten Naturschutzrefugien, Maisfelder zur Energiegewinnung besetzen Anbauflächen für Nahrungsmittel. Nebeneinanderher existierende Flächennutzung verschenkt Potenzial. Die vorhandenen Flächen sollten mit einer klugen Planung für eine Mehrfachnutzung zur Verfügung stehen.


Für einen naturverträglichen Ausbau der Solarenergie ist die Standortwahl sehr entscheidend. Wir als Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) haben daher eine Übersicht mit Kriterien für eine naturverträgliche Standortwahl für Solar-Freiflächenanlagen zusammengestellt und veröffentlicht. Sie unterstützt alle an der Planung von Solar-Freiflächenanlagen beteiligten Akteure bei der Einschätzung, welche Standorte für die Errichtung der Anlagen gut geeignet sind.

Ein gutes naturschutzfachliches Entwicklungskonzept sorgt darüber hinaus dafür, dass die zuvor häufig intensiv genutzten oder versiegelten Flächen ökologisch erheblich aufgewertet werden und damit bedrohten Pflanzen und Tieren einen neuen Lebensraum bieten können. Solche, die Biodiversität fördernde Solarparks produzieren durch ihre in der Regel größeren Modulabstände zwar etwas weniger Strom pro Fläche, geben dafür aber der Vielfalt örtlich vorkommender Arten eine Chance. Zudem sorgen sie mit zusätzlichen natürlichen Elementen für eine bessere Einbettung der oft großen Anlagen in das Landschaftsbild und können damit auch die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen. Ein Gewinn für alle Seiten.

Artenschutzpotenziale ausschöpfen

In naturverträglich gestalteten Solarparks können neue, störungsarme Lebensräume für Tiere und Pflanzen entstehen und im besten Fall auch einen bereits bestehenden Biotopverbund ergänzen. Hierzu müssen – immer abhängig von Fläche und Standort – verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Gefährdete Reptilien und bestimmte bodenbrütende Vogelarten, wie beispielsweise die Feldlerche, können einen Schutzraum erhalten. Eine naturnahe Eingrünung der Randbereiche des Solarparks mit Sträuchern, Hecken oder Stauden schafft wertvolle Rückzugsorte für viele Tiere. Durch wohldurchdachte Entwicklungsmaßnahmen kann sichergestellt werden, dass innerhalb eines Solarparks unterschiedliche Biotoptypen entstehen, sodass sich viele verschiedene Arten ansiedeln können. Gezielte Aussaaten blütenreicher Insektennährpflanzen tragen zum Schutz und zur Förderung der Insektenvielfalt bei. Viele Insekten, wie zum Beispiel Bienen, leisten wichtige Dienste für die Menschen, so sichern sie dank der Bestäubung vieler Nutzpflanzen einen Großteil unserer Nahrungsmittelproduktion. Werden nun bisher intensiv gedüngte und mit Pestiziden behandelte Flächen zugunsten eines naturnahen Solarparks aufgegeben, sichert dies zum einen das Überleben wichtiger Insekten und vermindert zum anderen die Pestizidbelastung der Böden und Gewässer. Voraussetzung ist natürlich, dass in den Solarparks weder Dünger noch Pestizide ausgebracht werden. Regelmäßige Kontrollen sind daher empfehlenswert. Die vom KNE zusammengestellten Kriterien geben Hilfestellung bei der naturverträglichen Gestaltung von Solar-Freiflächenanlagen.

Steuerung und Planung

Photovoltaik-Freiflächenanlagen bieten die Chance, auf ein und derselben Fläche sowohl Maßnahmen zum Klimaschutz als auch zum Biodiversitätsschutz umzusetzen. Kommunen haben bereits im Vorfeld viele konkrete Möglichkeiten, den Ausbau von Solarparks in naturverträgliche Bahnen zu lenken. Über Festsetzungen im Bebauungsplan kann die Gemeinde beispielsweise Einfluss auf die Planung ausüben. Mögliche Festsetzungen könnten die Ausweisung freizuhaltender Flächen, die Anlage von Sichtschutzpflanzungen oder auch Vorgaben für die Bewirtschaftung und Pflege sein. Es hat nur Vorteile, wenn sich die Kommune frühzeitig Gedanken über die Ausgestaltung der (potenziellen) Solarparks auf ihren Flächen macht. So wird Stress bei späteren Entscheidungen vermieden. Insbesondere Auswirkungen auf das Landschaftsbild sind nicht immer leicht zu ermitteln und zu bewerten. Sichtraumanalysen und Visualisierungen helfen, Ausmaß und Schwere der Landschaftsbildveränderung objektiv und fachlich fundiert einzuschätzen, sie benötigen aber genügend Zeit.

Viele Gemeinden berichten uns, dass der Ausbau von Solarparks ein Thema ist, das vor Ort bereits unter den Nägeln brennt und das ihnen in absehbarer Zukunft konkrete Antworten abverlangen wird. Wir haben daher Hinweise zum Vorgehen für kommunale Akteure in der KNE-Broschüre „Wie Sie den Artenschutz in Solarparks optimieren“ gebündelt.

Anreize setzen

Ein naturverträglicher Ausbau der Solarparks erfordert sorgfältige Planung sowie eine betriebsbegleitende Pflege und Entwicklung der Flächen, damit ist er natürlich nicht zum Nulltarif erhältlich. Wir plädieren daher dafür, jetzt verstärkt darüber nachzudenken, wie ein Biodiversitäts-Aufwertungseffekt für jeden neuen Solarpark umsetzbar ist. Um die Wettbewerbsbedingungen nicht zu verzerren, sollten Aufwertungsverpflichtungen daher möglichst für alle gelten, ansonsten aber dürfen sie im Wettbewerb zumindest nicht nachteilig ins Gewicht fallen, eher sogar im Gegenteil. Auch sollte es nicht vom Verhandlungsgeschick der Betreiber und Kommunen abhängen, ob und welche Maßnahmen vereinbart werden. Besser wären verpflichtende staatliche Vorgaben und/oder finanzielle Anreize, die für Kommunen und Betreiber attraktiv sind. Gute Möglichkeiten bieten beispielsweise eine Verankerung in einen städtebaulichen Vertrag, die Verpflichtung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) oder die Aufwertung mittels des Vertragsnaturschutzes.

Fazit

Die großen Potenziale, die der Solar-Freiflächenausbau für die Aufwertung intensiv genutzter Agrarlandschaft bietet, sollten nicht ungenutzt bleiben. Mit einer naturverträglichen Gestaltung tragen Solarparks zum Klimaschutz bei, sichern eine klimaneutrale und zukunftssichere Energieversorgung und leisten einen wertvollen Beitrag zum Natur- und Artenschutz in den Regionen. Biodiversitätsfördernde Solarparks bedeuten keineswegs nur neue Auflagen für die Betreiber. Die Unternehmen der Solarbranche leisten damit auf ihren Flächen – mit relativ einfachen Mitteln – einen wichtigen Beitrag zu einer größeren Vielfalt an Arten und Lebensräumen und damit zu einer lebenswerten Umwelt für uns alle.

 

Dr. Torsten Raynal-Ehrke

Direktor KNE (Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende gGmbH), Berlin
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