28.03.2022

Covid-19-Quarantäne schließt Entgeltfortzahlung nicht aus

Urteil des AG Aachen vom 30.03.2021

Covid-19-Quarantäne schließt Entgeltfortzahlung nicht aus

Urteil des AG Aachen vom 30.03.2021

Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

 

Eine angeordnete Quarantäne schließt den Entgeltfortzahlungsanspruch eines arbeitsunfähig Erkrankten nicht aus. Der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz besteht gerade nicht für arbeitsunfähig Kranke, sondern nur für sog. Ausscheider, Ansteckungs- und Krankheitsverdächtige.

 Ausgangsfall

Ein Arbeitnehmer ging wegen Kopf- und Magenschmerzen zum Arzt. Der Mediziner führte bei dem Mann einen Corona-Test durch. Er informierte das Gesundheitsamt darüber und bescheinigte dem Mitarbeiter wegen der Schmerzen die Arbeitsunfähigkeit. Die Behörde ordnete für den Mann eine Quarantäne an. Der Corona-Test war negativ.

Arbeitgeberin zieht Entgeltfortzahlung wegen Krankheit wieder ab

Als die Arbeitgeberin des Mannes von der Quarantäneanordnung durch das Gesundheitsamt erfuhr, zog sie die bereits gezahlte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von der darauffolgenden Rechnung ab und zahlte stattdessen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Sie berief sich darauf, dass Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz die Entgeltfortzahlungsansprüche verdrängten, wenn Quarantäne und Krankheit zusammenträfen.


Angeordnete Quarantäne schließt Entgeltfortzahlung nicht aus

Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht Aachen auf die Differenz aus der Rückrechnung – mit Erfolg.1 Das Gericht gab seiner Klage statt. Anders als die Arbeitgeberin angenommen habe, schließe die angeordnete Quarantäne den Entgeltfortzahlungsanspruch des arbeitsunfähig erkrankten Mannes nicht aus. Zwar sei es richtig, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch die Arbeitsunfähigkeit als einzige Ursache für den Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs voraussetze. Dies sei hier aber der Fall: Der Arzt hatte die Krankheit des Mannes festgestellt.

Entschädigungsanspruch nach Infektionsschutzgesetz subsidiär

Der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz bestehe demgegenüber gerade nicht für arbeitsunfähig Kranke, sondern nur für sog. Ausscheider, Ansteckungs- und Krankheitsverdächtige. Nur, wenn bei diesen der Verdienst gerade wegen einer infektionsschutzrechtlichen Maßnahme entfalle, müsse auf die subsidiäre Regelung des Infektionsschutzgesetzes zurückgegriffen werden.

Kein Schmerzensgeld für Quarantäne

Ist Quarantäne gleichzusetzen mit einem Gefängnisaufenthalt und kann dafür mitunter sogar ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen? Über diese Frage hatte das Landgericht Hannover auf gleich zwei Klagen zu entscheiden – beide wurden eingereicht von einer Kölner Kanzlei. In einem Fall musste ein Ehepaar nach einem Urlaub in Schweden zwei Wochen in Quarantäne. In einem weiteren Fall schickte das Gesundheitsamt einen Beamten nach einem unmittelbaren Coronakontakt für sechs Tage in die häusliche Isolation.

Die Kölner Anwälte waren der Ansicht, die Quarantäne sei eine rechtswidrige Freiheitsentziehung. Die Regierung belüge die Bevölkerung bewusst über die Gesundheitsgefahren von Covid-19. In Wirklichkeit handele es sich um ein Komplott zur Einschränkung von Grundrechten. Das Landgericht führte in seinen Klageabweisungen aus, offensichtlich verschwörungstheoretischen Begründungen müsse nicht weiter nachgegangen werden.2 Zwar sei eine Quarantäne im eigenen Zuhause eine spürbare Beeinträchtigung der Lebensführung und -gestaltung. Diese Einschränkungen seien aber noch nicht einmal im Ansatz mit einer Inhaftierung bei der Polizei oder im Gefängnis zu vergleichen. Es bestünden daher keine Schmerzensgeldansprüche.

 

Besprochen in RdW 20/2021, Rn 388

 

1 Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 30.03.2021 – 1 Ca 3196/20

2 Landgericht Hannover, Urteile vom 20.08.2021 – 8 O 1/21 und 8 O 2/21

 
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