11.03.2022

Schüler*innen müssen weiter frieren – Kein Anspruch auf Luftfilter in Schulen

OVG NRW, Beschlüsse v. 14.02.2022, Az. 12 B 1683/21 und 12 B 1713/21

Schüler*innen müssen weiter frieren – Kein Anspruch auf Luftfilter in Schulen

OVG NRW, Beschlüsse v. 14.02.2022, Az. 12 B 1683/21 und 12 B 1713/21

Gerade in den aktuell pandemiebedingten Zeiten sind aus Gründen des Infektionsschutzes Ausnahmen gerechtfertigt. © stas111 - stock.adobe.com
Gerade in den aktuell pandemiebedingten Zeiten sind aus Gründen des Infektionsschutzes Ausnahmen gerechtfertigt. © stas111 - stock.adobe.com

Gerade bei den in ganz Deutschland aktuell vorherrschenden winterlichen Temperaturen fällt das regelmäßige Lüften im Klassenraum schwer. Dem gedachte ein Schüler durch Geltendmachung eines Anspruchs auf Einsatz von Luftfiltern zu entgehen. Dabei scheiterte er jedoch vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen.

Mit Beschlüssen vom 14.02.2022 hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zwei Eilanträge eines Grundschülers abgelehnt, mit denen der Schüler einen Anspruch auf Einsatz von Luftfiltern im Klassenraum geltend machen wollte (Az.: 12 B 1683/21 und 12 B 1713/21).

Sowohl mit seinem Eilantrag gegen die Unfallkasse – der für die Schule zuständige Unfallversicherungsträger – als auch mit dem Eilantrag gegen die Stadt als Träger der Schule und das Land NRW verfolgte der Antragsteller das Ziel, diese zum Einsatz von technischen Einrichtungen wie Luftfiltern zu verpflichten und so das lüftungsbedingte Absinken der Temperatur im Klassenraum auf unter 20°C gerade im Winter zu verhindern.


Der Antragsteller ist der Ansicht, er habe einen Anspruch aus §§ 14, 17 und 19 Abs. 1 SGB VII i. V. m. den Unfallverhütungsvorschriften (§§ 1-3 DGUV Vorschrift 1) bzw. aus § 5 Abs. 1 ArbSchG auf Erstellung einer schülerbezogenen Gefährdungsbeurteilung und die sich aus diesen Vorschriften ergebenden technischen und verhaltensunabhängigen Schutzmaßnahmen, insbesondere das Aufstellen eines Luftfilters im Klassenraum, gegen die Unfallkasse (Eilantrag 1) bzw. gegen die Stadt und das Land NRW (Eilantrag 2). Er sieht sich dabei durch den Umstand, dass die Antragsgegner bislang keinen Luftfilter im Klassenraum aufgestellt haben, in seinen subjektiven Rechten verletzt.

Unzulässigkeit mangels Antragsbefugnis und Rechtsschutzbedürfnis

Wie bereits in der Vorinstanz das VG Minden (Az.: 3 L 513/21 und 3 L 413/21) ist das OVG der Argumentation des Antragstellers nicht gefolgt. Laut OVG seien die Anträge bereits unzulässig, da es dem Antragsteller sowohl an der Antragsbefugnis als auch an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Grundsätzlich ergibt sich die Antragsbefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO analog. Danach darf derjenige einen Antrag bei Gericht stellen (sog. Antragsbefugnis), der geltend machen kann, durch eine behördliche Maßnahme oder ein behördliches Unterlassen in einem subjektiven, ihm zustehenden Recht möglicherweise verletzt zu sein. Nach Auffassung der Richter*innen des OVG handelt es sich bei den §§ 14, 17 und 19 Abs. 1 SGB VII i. V. m. dem autonomen Satzungsrecht der §§ 1-3 DGUV Vorschrift 1 sowie bei § 5 Abs. 1 ArbSchG um keine drittschutzvermittelnden Vorschriften, sodass der Antragsteller aus diesen Vorschriften auch kein subjektives Recht auf Tätigwerden der Unfallkasse bzw. der Stadt oder des Landes NRW herleiten kann. Eine Norm entfaltet dabei Drittschutz, wenn sie nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern gerade auch dem Interesse eines Einzelnen zu dienen bestimmt ist. Dies ist bei den oben genannten Vorschiften nach gefestigter Rechtsprechung jedoch nicht der Fall.

Auch beziehe sich der Schutzbereich der Unfallverhütungsvorschriften allenfalls auf das Verhältnis der Versicherten und der Unternehmer untereinander, nicht jedoch auf das Verhältnis zwischen dem Versicherten und dem Unfallversicherungsträger. Das bedeutet, dass die Vorschriften schon keine Geltung im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und der Unfallkasse entfaltet. Damit scheidet bereits die Möglichkeit einer Verletzung des Antragsstellers in diesen Vorschriften aus. Es fehlt folglich an einer die Antragsbefugnis begründenden möglichen Rechtsverletzung des Antragstellers.

Hinsichtlich des Antrags auf Aufstellung eines Luftfilters fehlt es dem Antragssteller zudem am notwenigen Rechtsschutzbedürfnis. Voraussetzung für das Bestehen eines Rechtschutzbedürfnisses ist dabei das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Antragstellers auf gerichtliche Klärung des Sachverhalts. Dies ist der Fall, wenn der Antragsteller bereits alle außergerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft hat oder wenn dem Anspruchsteller unzumutbare und endgültige Rechtsnachteile drohen, die ein sofortiges gerichtliches Handeln erforderlich machen. Nach Auffassung des OVG sei nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Umsetzung notwendiger Maßnahmen nicht prüfen würde, sodass der Antrag des Antragstellers vorliegend verfrüht gestellt wurde. Es fehlt somit am erforderlichen berechtigten Interesse.

Kein Anspruch auf Aufstellen des Luftfilters und keine Eilbedürftigkeit

Beide Eilanträge sind im Übrigen auch unbegründet, da es sowohl an einem bestehenden Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund fehlt.

Selbst für den Fall, dass eine der oben genannten Anspruchsgrundlagen eingreifen würde, so handelt es bei diesen jeweils um Ermessensvorschiften, durch die der Behörde – hier also der Stadt, dem Land NRW oder der Unfallkasse – ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wird. In diesem Fall kann das Gericht das Vorgehen der Behörde nur auf Ermessensfehler hin untersuchen und ein Anspruch des Antragstellers auf Aufstellen eines Luftfilters kommt lediglich dann in Betracht, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist. Dies ist der Fall, wenn lediglich eine einzige ermessensfehlerfreie Entscheidungsmöglichkeit besteht. Einen solchen Fall hat das OVG jedoch vorliegend verneint. Zwar sehen die technischen Regelungen für Arbeitsstätten für leichte sitzende Tätigkeiten, wie z.B. das Lernen in der Schule, eine Mindesttemperatur von 20 Grad Celsius vor, jedoch sei diese Regelung nicht ausnahmelos gültig. Schließlich könne der Unterschreitung der Temperatur leicht unter anderem mit geeigneter Kleidung begegnet werden, so die Richter*innen des OVG.

Gerade in den aktuell pandemiebedingten Zeiten seien auch aus Gründen des Infektionsschutzes Ausnahmen gerechtfertigt. Insbesondere die Ergänzungen der gesetzlichen Unfallkassen zum SARS-CoV-2-Schutzstandard für Schulen, die Festlegung konkreter Lüftungsintervalle enthalten, seien als solche Ausnahmen anerkannt. So müssen im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung die sich gegenüberstehenden Gesundheitsgefahren durch lüftungsbedingte kalte Raumluft einerseits und das Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 andererseits angemessen ins Verhältnis gesetzt werden. Ein Ermessensfehler sei vorliegend nicht ersichtlich.

Angesichts der zum Infektionsschutz vorgesehenen Lüftungsintervalle (alle 20 Minuten Stoßlüftung, im Winter für eine Dauer von 3 Minuten) könne und müsse die Einhaltung der Raumlufttemperatur nach Ansicht des OVG auch nicht zwingend durch weitere technische Maßnahmen, etwa durch Luftreinigungsgeräte, sichergestellt werden. Zumal in den Ergänzungen zum SARS-CoV-2-Schutzstandard für Schulen mobile Luftreinigungsgeräte wie ein Luftfilter lediglich als Ergänzung zum aktiven Lüften, keinesfalls jedoch als Ersatz angesehen werde.

Jedenfalls liege auch kein Anordnungsgrund vor. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass ihm Nachteile drohen, die ein Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren als unzumutbar erscheinen lassen. Gerade an der Geltendmachung dieser besonderen Eilbedürftigkeit fehle es. Denn dem OVG erschließe sich nicht, worin im konkreten Fall die Gefahren liegen sollten, die wesentliche Nachteile begründen könnten.

 

Ref. jur. Julia Florence Turek

Referendarin, Stuttgart
n/a