15.04.2011

Schon vor der Verkündung „Makulatur“?

Rechzeitig zur Wahl: Besoldungserhöhung in Baden-Württemberg

Schon vor der Verkündung „Makulatur“?

Rechzeitig zur Wahl: Besoldungserhöhung in Baden-Württemberg

Das Abweichen vom Grundsatz „Besoldung folgt Tarifvertrag\" war auch der Wahl geschuldet. | © Christian Schwier - Fotolia
Das Abweichen vom Grundsatz „Besoldung folgt Tarifvertrag\" war auch der Wahl geschuldet. | © Christian Schwier - Fotolia

Darf man gegen eine, wie von den Politikern im Landtag daher geredet wurde, gut gemeinte Gehaltserhöhung für die Beamten des Landes argumentieren, die nicht als Folge eines Tarifabschlusses ausgestaltet wurde? Ich glaube, man muss das sogar tun! Die Entwicklung seit dem Landtagsbeschluss vom 1. März zeigt dies ja auch deutlich auf. Dieses Gesetz wurde voreilig verabschiedet und die Zukunft wird erst noch zeigen müssen, ob man in Baden-Württemberg am „Gleichklang zwischen den Tariferhöhungen für die Arbeitnehmer und den Gehältern der Beamten“ festhalten wird.

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Gesetz bereits vor Verkündung obsolet

Selten hat es die Situation gegeben, dass ein Gesetz vor seiner Veröffentlichung im Gesetzblatt bereits obsolet war. Diese Lage ist eingetreten, nachdem in den Tarifverhandlungen zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes am 10. März eine Einigung über die Erhöhung der Gehälter für die Arbeitnehmer der Länder erzielt wurde und der damalige Ministerpräsident des Landes (Mappus) sofort erklärt hatte, dieser Abschluss werde auch auf die Landesbeamten übertragen. Baden-Württemberg gehört nach wie vor der TdL an, hat dort aber noch nie eine wahrnehmbare Rolle gespielt und schon öfter mit dem Austritt „gedroht“.

Nach der Beschlussfassung über das Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Baden-Württemberg 2011 (BVAnpGBW 2011) hat die Mehrheit im Landtag den Antrag der SPD-Fraktion – wohl auch aus Rechtsgründen – abgelehnt, wonach die Landesregierung ersucht werden sollte, „das Ergebnis der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder zeit- und inhaltsgleich auf die Beamten, Richter und Versorgungsempfänger zu übertragen“. Aber nun der Reihe nach. Mit dem BVAnpGBW 2011 werden die Bezüge der Beamten und Versorgungsempfänger ab 1. April linear um 2 Prozent erhöht. Die Einkommen der Arbeitnehmer werden nach dem erzielten Tarifabschluss jedoch ab 1. April linear nur um 1,5 Prozent erhöht. Dafür gibt es für alle Entgeltgruppen eine Einmalzahlung in Höhe von 360 Euro. Dazu kommt, dass mit dem Tarifabschluss weitere Gehaltserhöhungen ab 01. 01. 2012 vereinbart wurden.


Tarifabschluss war bisher Grundlage von Besoldungsanpassungen

Interessierte Beobachter werden sich noch erinnern. Im öffentlichen Dienst gab es einst den wohl größten Flächentarifvertrag in Deutschland. Konkret: Das Ergebnis der auf der Arbeitgeberseite vom Bundesinnenminister geführten Tarifverhandlungen war für alle Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst in Deutschland die Grundlage für ihre Entlohnung, egal ob sie beim Bund, in den Ländern oder in den Kommunen beschäftigt waren. Dass es schon immer kleinere länderspezifische Unterschiede gab, ist bekannt. Die Gehälter der Beamtinnen und Beamten in Deutschland orientierten sich an den jeweiligen Tarifabschlüssen – und das war gut so. Herr Oelmayer (Grüne) hat in seinem Redebeitrag anlässlich der 2. Lesung des Gesetzes im Landtag von dem „althergebrachten“ Grundsatz gesprochen, wonach die Beamtenbesoldung den entsprechenden Tarifverträgen folgt. Dieser Grundsatz wurde mit der Verabschiedung des BVAnpGBW 2011 erstmals gebrochen.

Dass sich die Anpassung der Beamtengehälter und der Versorgungsbezüge am jeweiligen Tarifabschluss orientieren muss, ist aber mehr als eine Tradition, obwohl Finanzstaatssekretär Scheffold (CDU) bei der 2. Lesung im Landtag die Kritik der Opposition gegen den Gesetzentwurf als „Streit um des Kaisers Bart“ bezeichnete und meinte, man habe keine zwingende Notwendigkeit gesehen, das Tarifergebnis abzuwarten.

Orientierung am Tarifvertrag gesetzlich vorgegeben

Durch das Versorgungsänderungsgesetz 1998 (des Bundes) wurde bereits geregelt, dass die Beamten und Versorgungsempfänger in den Jahren 1999 bis 2013 zum Aufbau einer Versorgungsrücklage im Jahresschnitt jeweils 0,2 Prozentpunkte weniger an linearer Besoldungs- bzw. Versorgungserhöhung erhalten sollen, als die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst. Auch wenn diese Regelung durch das Versorgungsreformgesetz 2001 temporär ausgesetzt bzw. in der Dauer verändert wurde, besteht die Klammer zwischen Tarifabschluss und Beamtengehältern weiterhin. Sie wurde in dem durch das DRG erlassenen LBesGBW (GBl. Nr. 19 v. 22. 11. 2010, S. 826 ff.) auch so übernommen. Allerdings mit der Ausnahme, wonach die auf den 1. März 2010 folgende allgemeine Anpassung der Besoldung nicht um die nach § 17 Abs. 1 des genannten Gesetzes vorgesehene Absenkung vermindert wird. Ansonsten wäre das vom Landtag gewählte Gesetzgebungsverfahren gar nicht möglich gewesen.

Die Orientierung der Erhöhung der Gehälter und Versorgungsbezüge am jeweils maßgeblichen Tarifvertrag ist also auch zukünftig gesetzlich vorgeschrieben, um eine Zuführung der eingesparten Erhöhungen in das Sondervermögen der Versorgungsrücklage sicherzustellen.

Weil die beiden LT-Abgeordneten Hollenbach (CDU) und Berroth (FDP) mehrfach im Landtag betonten, dass die „Tarifautonomie“ für die Beamtinnen und Beamten nicht gelte, kann man daraus schließen, dass diese Praxis durchaus Gefallen finden könnte. Frau Berroth ignorierte zudem in ihrer Rede einfach die Forderungen der Gewerkschaften, die diese in der aktuellen Tarifrunde an die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) gerichtet hatten. Oder sie kannte sie gar nicht!

Die „Gutherzigkeit“ in den Redebeiträgen der genannten Abgeordneten in Bezug auf die Beamtinnen und Beamten ist kaum mehr zu überbieten. Dies gilt auch für deren Redebeiträge in der 2. Lesung am 1. März 2011.

Zu einigen Zitaten aus den Debatten im Landtag am 3. Februar und 1. März und der mündlichen Anhörung der Spitzenorganisationen vor dem Finanzausschuss seien den interessierten Leserinnen und Lesern, die Seiten 7856 bis 7862 des Protokolls über die 109. Sitzung des Landtags (vgl. www.landtag-bw.de/Wp14/Plp/14_0109_03022011.pdf) und die Seiten 7934 bis 7938 (vgl. www.landtag-bw.de/Wp14/Plp/14_0110_01032011.pdf) zur vertiefenden Lektüre empfohlen.

Althergebrachten Grundsatz beibehalten

Bereits vor einigen Jahren wurde der oben beschriebene „Flächentarifvertrag“ in zwei Teile zerlegt. Dazu gibt es je nach Sicht der Dinge unterschiedliche Auffassungen. Seither werden die Einkommen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in jedem Jahr erhöht! Diesen Eindruck gewinnt zumindest der „unbedarfte Bürger“, der seine Informationen aus den Medien bezieht. Zunächst finden Tarifverhandlungen für die Arbeitnehmer des Bundes und der Kommunen statt. Das Ergebnis war seither immer „Richtschnur“ für die Entwicklung der Beamtengehälter bei den Bundesbeamten. Im Folgejahr erfährt der Bürger dann, dass für den öffentlichen Dienst schon wieder Tarifverhandlungen geführt werden.

Das Ergebnis dieser Tarifverhandlungen war dann in der Vergangenheit hierzulande und anderswo der Maßstab für die gesetzliche Anpassung der Beamtengehälter in den Ländern und den Kommunen. Deshalb gehörte auch zum Forderungskatalog der Gewerkschaften für die aktuellen Tarifverhandlungen „die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf den Bereich der Beamtinnen/Beamten.“

Mit diesen Ausführungen möchte ich darauf hinweisen, dass der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg ohne Not (sieht man von den Prognosen für die Landtagswahl ab) von der jahrzehntelangen Praxis, die Entwicklung der Beamtengehälter an dem jeweiligen Tarifvertrag zu orientieren, abgewichen ist. Künftig sollte man zur bewährten Praxis zurückkehren, um § 17 LBesGBW zu erfüllen und vor allem, um sich Blamagen wie mit dem BVAnpGBW 2011 zu ersparen. Der Versuch – von wem auch immer initiiert – die Einkommensentwicklung für die Beamtinnen und Beamten im Land nicht mehr in Verhandlungen aushandeln zu müssen, ist gescheitert.

Über die Gründe für das Abweichen vom „althergebrachten Verfahren“ kann man nur spekulieren. Offenkundig ist der Bezug zur Landtagswahl am 27. März gewesen. Dies wurde von den „Erfindern des Gesetzentwurfs“ nicht verschwiegen, auch wenn die Landtagswahl dann von ganz anderen Ereignissen beeinflusst wurde, die zu dem bekannten Ergebnis führten. Die neue Landesregierung wird jetzt den entstandenen „Schaden“ reparieren müssen. Wiederholungen des beschriebenen Gesetzgebungsverfahrens sind in der neuen Wahlperiode wohl nicht zu erwarten.

 

Josef Schneider

Polizeioberrat a.D., Wertheim
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