15.04.2011

Lang, länger, unwirksam

Aktuelle Fallstricke im Zusammenhang mit städtebaulichen Verträgen

Lang, länger, unwirksam

Aktuelle Fallstricke im Zusammenhang mit städtebaulichen Verträgen

Auch bei der Entwicklung von Gewerbegebieten können städtebauliche Verträge nützen – oder Unheil anrichten. | © Martina Topf - Fotolia
Auch bei der Entwicklung von Gewerbegebieten können städtebauliche Verträge nützen – oder Unheil anrichten. | © Martina Topf - Fotolia

Städtebauliche Verträge gehören für Gemeinden heute zum „A und O“ der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung. Bei der Gestaltung der Verträge tun sich die Gemeinden aber in der Praxis zum Teil immer noch schwer, denn im Gegensatz zu der Bauleitplanung existieren keine gesetzlichen Heilungsvorschriften, die den Gemeinden aus der Klemme helfen könnten. Auch eine Rechtssicherheit schaffende Rechtsprechung ist noch nicht so ausdifferenziert wie bei der Bauleitplanung. Drei neuere Urteile zeigen beispielhaft, welche Fallstricke städtebauliche Verträge bergen können (siehe für eine ausführliche Darstellung städtebaulicher Verträge Lenz/Würtenberger, BauGB-Verträge, 2011).

Wer zu hoch pokert, kann am Ende alles verlieren

Der Folgekostenvertrag nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB ist einer der häufigsten städtebaulichen Verträge. Darin verpflichtet sich ein Investor gegenüber der Gemeinde zur Geldzahlung und bekommt dafür von der Gemeinde eine baurechtliche Gegenleistung zugesagt, die er für sein Vorhaben braucht. Diese kann etwa in der Bereitschaft zur Bebauungsplanung liegen, in der erforderlichen Baugenehmigung, in der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens oder einer Ausnahme oder Befreiung von Festsetzungen eines B-Plans. Die Gemeinde darf diese Gelder aber nur für solche vertraglich vereinbarten Maßnahmen verwenden, die durch das Bauvorhaben des Investors verursacht werden, also nur für die „Folgen“ des Bauvorhabens (z. B. für den Bau eines Kindergartens, der durch ein neues Wohngebiet erforderlich wird). Bei Folgekostenverträgen kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass die Gemeinde dem Investor mehr abverlangt als nötig. Das kann nach hinten losgehen, denn wenn die vereinbarten Leistungen unangemessen sind, dann ist der städtebauliche Vertrag nichtig. Nichtige Verträge sind rückabzuwickeln. Die Gemeinde muss die rechtsgrundlos erhaltenen Gelder zurückzahlen. Der Investor hat einen Anspruch auf Rückerstattung gegen die Gemeinde. Auf Unverständnis stößt bei vielen Gemeinderäten heute noch, dass dies auch dann gilt, wenn der Investor sein Vorhaben schon verwirklicht hat, das heißt, wenn er die baurechtliche Gegenleistung der Gemeinde bereits ausgenutzt hat. Der Gemeinde droht also die Gefahr, dass Verträge einseitig zu ihren Lasten rückabgewickelt werden. Dabei kann die Gemeinde sich in der Regel auch nicht darauf berufen, dass der Investor treuwidrig handelt, wenn er sein Geld zurückfordert, obwohl er sein Vorhaben schon realisiert hat. Allein die Tatsache, dass der Vertragspartner der Gemeinde erst nach dem Bau seine Ansprüche geltend macht, begründet nicht die Treuwidrigkeit der Rückforderung. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der (nichtige) Vertrag erst auf Wunsch und Drängen des Investors geschlossen wurde.

Der BayVGH (Beschl. v. 16. 11. 2009, Az. 4 BV 07.1902) musste beispielsweise im Fall eines Gewerbegebiets entscheiden. Nachdem sich in dem Gebiet mehrere Betriebe angesiedelt hatten, kam es zu massiven Verkehrsproblemen. Ein Autobahnanschluss musste her. Neue Gewerbebetriebe sollten an den Kosten beteiligt werden. Die geschäftstüchtige Gemeinde machte daher die Erteilung weiterer Baugenehmigungen davon abhängig, dass die neuen Investoren sich vertraglich verpflichteten, den Autobahnanschluss zu finanzieren. Diese Folgekostenverträge waren nach Auffassung des BayVGH allesamt nichtig, weil das Geld nicht als Folge der neuen Bauvorhaben floss, sondern die Verkehrsprobleme schon vorher da waren, also nicht erst durch die neuen Gewerbebetriebe hervorgerufen worden waren. Der BayVGH bekräftigte die ständige Rechtsprechung, wonach die Gewährung der gemeindlichen Leistung (hier: Erteilung einer Ausnahme) und die Realisierung des Vorhabens des Investors den Erstattungsanspruch nicht ausschließt. In dem entschiedenen Fall wurde die Gemeinde zwar letztlich dadurch gerettet, dass der Erstattungsanspruch des Investors zum Teil verjährt war, und das BVerwG letztlich zu dem Ergebnis kam, dass die Gemeinde den Vorteil des Autobahnanschlusses, den die Altnutzer haben, gar nicht auf die neuen Investoren umgelegt hatte (PM v. 24.03.2011, Az. 4 (11.10). Der Fall zeigt aber das Risiko, das die Gemeinde dann eingeht, wenn sie in den Vertragsverhandlungen mit dem Investor zu hoch pokert.


Lang, länger, unwirksam

Einheimischenmodelle sind ein weiterer „Klassiker“ städtebaulicher Verträge. Darunter fallen Verträge nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB zur Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung. Dabei werden in der Regel Grundstücke an Gemeindeeinwohner verkauft. Das Besondere liegt darin, dass der Kaufpreis deutlich unter dem Verkehrswert liegt. Im Gegenzug müssen die Einheimischen sich verpflichten, die Grundstücke für einen gewissen Zeitraum nicht weiter zu veräußern. Wie lange darf aber dieser Zeitraum sein? Die Frage beschäftigt die Rechtsprechung seit „Erfindung“ der Einheimischenmodelle, zuletzt zum wiederholten Male den BGH (Urt. v. 16. 04. 2010, Az. V ZR 175/09). Er billigte (gerade) noch eine 20-jährige Verpflichtung des Käufers, das Grundstück selbst zu nutzen. Eine solche ungewöhnlich lange Bindung des Einheimischen bedurfte allerdings einer besonderen Rechtfertigung, die hier darin lag, dass der Käufer das Grundstück „spottbillig“ bekam, und zwar für einen Kaufpreis, der 50 % unter dem Verkehrswert lag.

Solche langjährigen Bindungen sind nicht ungefährlich, was sich daran zeigt, dass in dem BGH-Fall beide Instanzgerichte (LG Darmstadt, Urt. v. 26. 06. 2007, Az. 8 O 90/07; OLG Frankfurt, Urt. v. 27. 08. 2009, Az. 22 U 213/07) die 20-jährige Bindung für zu lang und deshalb für unwirksam hielten und die Gemeinde erst in einem mehrjährigen Rechtsstreit bis vor den BGH ziehen musste, um letztlich Recht zu bekommen.

Feste Maßstäbe zur zulässigen Bindungsdauer gibt es bis heute nicht. Die Wirksamkeit der Verträge richtet sich nach den konkreten Vereinbarungen im Einzelfall. Als bloße Faustformel dürfte gelten, dass bei einer Kaufpreisreduzierung von 50 % Bindungen bis 20 Jahre zulässig sind, bei einer Reduzierung von 30 % Bindungen bis 15 Jahre und bei einer Reduzierung von 15 % Bindungen bis 10 Jahre. Letztlich sollte die Bindung aber vor allem dann, wenn sie in diese Grenzbereiche vorrückt, vorab genau geprüft werden, denn im „worst case“ sind die Einheimischenmodelle unwirksam und die Gemeinde bekommt das, was sie gerade nicht wollte: Mit den verkauften Grundstücken kann munter spekuliert werden.

Ehrlich währt am längsten

Der Fall des OLG Brandenburg (Urt. v. 10. 02. 2010, Az. 1 U 36/08) liefert die Grundlage für einen weiteren Fallstrick im Zusammenhang mit städtebaulichen Verträgen: Dort ging es um die Haftung der Gemeinde wegen Verschuldens bei Abschluss eines städtebaulichen Vertrages. Der städtebauliche Vertrag wurde – wie regelmäßig der Fall – im Vorfeld der Aufstellung eines B-Plans geschlossen. Dieser hatte dann aber nicht den Inhalt, den der Investor erwartet hatte. Der enttäuschte Investor wollte daher seine Aufwendungen zurück, die er im Vertrauen auf den künftigen Bebauungsplan gemacht hatte (Planungskosten, Grunderwerbskosten etc.).

In Fällen wie diesen hat die Rechtsprechung die Leitlinien schon verhältnismäßig klar vorgegeben. Im Grundsatz haftet die Gemeinde nicht für Verzögerungen des Bebauungsplanverfahrens oder dafür, dass ein in Aussicht gestellter B-Plan am Ende überhaupt nicht oder nur anders als erwartet umgesetzt wird. Der Investor handelt insoweit auf eigenes Risiko. Aber kein Grundsatz ohne Ausnahme: Die Gemeinde kann nämlich dann haften, wenn sie beim Investor unrichtige Vorstellungen über den Stand oder die Aussichten der Verwirklichung der Bauleitplanung vermittelt oder über Umstände, die einer Realisierung des Vorhabens entgegenstehen könnten, nicht aufklärt. In dem Fall des OLG Brandenburg warf der Investor der Gemeinde etwa vor, ihn nicht hinreichend über naturschutzrechtliche Belange aufgeklärt zu haben, die der Bebauungsplanung letztlich entgegenstanden und die die Gemeinde von Anfang kannte. Eine Haftung der Gemeinde schied zwar letztlich aus, weil das Gericht auf der „Tatbestandsebene“ zu dem Ergebnis kam, dass der Investor ebenfalls von Anfang an Kenntnis von den naturschutzrechtlichen Planungshindernissen hatte, so dass die Gemeinde keine Aufklärungspflicht traf. Ohne die Kenntnis des Investors hätte die Gemeinde aber durchaus haften können. Auch hier bleibt also ein Restrisiko für die Gemeinde, wenn sie bei Vertragsschluss nicht mit offenen Karten spielt.

 

Dr. Thomas Würtenberger

Rechtsanwalt, LL.M. (Vanderbilt), OPPENLÄNDER Rechtsanwälte, Stuttgart
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