15.04.2011

Kontaktpflege oder Korruption?

Heikler Balanceakt für die Führungsspitze öffentlicher Unternehmen

Kontaktpflege oder Korruption?

Heikler Balanceakt für die Führungsspitze öffentlicher Unternehmen

Ab wann sind Informatiosfahrten nicht mehr sozialadäquat? | © Gina Sanders - Fotolia
Ab wann sind Informatiosfahrten nicht mehr sozialadäquat? | © Gina Sanders - Fotolia

Das Aktiengesetz kennt – neben vielen anderen – zwei Grundregeln zur Verantwortungsverteilung in einer Aktiengesellschaft:

– § 93 Abs. 1 Aktiengesetz überantwortet die Leitung der Aktiengesellschaft dem Vorstand mit der Maßgabe, diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auszuüben.
– § 111 Aktiengesetz sieht wiederum vor, dass der Aufsichtsrat die Tätigkeit des Vorstands zu überwachen hat, und bestimmte Geschäfte und Maßnahmen des Vorstands der Zustimmung durch den Aufsichtsrat unterliegen können.

Damit wird deutlich, dass in der Praxis Vorstand und Aufsichtsrat ständig in geeigneter Weise zum Wohle des Unternehmens miteinander kommunizieren und arbeiten müssen – und Vergleichbares gilt selbstverständlich auch für GmbHs.


Kommunale Versorger im Fokus der Staatsanwälte

Es wird wohl niemand bestreiten, dass zu den Aufgaben eines „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsstellenleiters“ auch der Aufbau und der Erhalt von menschlichen und fachlichen Kontakten der Vorstandsmitglieder zum Aufsichtsrat sowie zu wesentlichen Kunden und anderen Interessenträgern gehören.

Bei Unternehmen der öffentlichen Hand, die sich im Rahmen der Daseinsvorsorge um die Versorgung mit Energie und Wasser sowie die Entsorgung von Abfall und Abwasser kümmern, wird dieser eher banale Grundsatz aber zuletzt zunehmend zu einem Balanceakt zwischen Aufgabenwahrnehmung und Strafverfolgung.

In jüngster Zeit häufen sich nämlich die Pressemitteilungen über staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren bzw. Gerichtsurteile gegen Vorstände, Aufsichtsratsmitglieder und Beiräte kommunaler Unternehmen wegen „Korruption“. Unter diesem Sammelbegriff werden die Straftatbestände Vorteilsannahme, Bestechlichkeit und Untreue oft zusammengefasst. In den meisten Fällen wurde auf Sachverhalte abgestellt, bei denen es eben auch um die erwähnte Kontaktpflege ging.

Nun muss man sicherlich unterscheiden: Sofern eine solche „Kontaktpflege“ auf Einladung des Vorstands in ferne Länder verlegt wird und der Bezug zum Unternehmensgeschäft nur lose oder beiläufig ist, wird man die Intervention der Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte unschwer nachvollziehen können. Bleibt man aber „in der Gegend“, und dreht sich die gesamte Veranstaltung um das Unternehmensgeschäft, wird niemand eine Intervention in Erwägung ziehen. Damit stellt sich die Frage nach der Grenze: Ab wann bzw. in welcher Konstellation von Umständen handeln der Vorstand bzw. die Aufsichts- und Beiräte kriminell? Wann ist solches Verhalten strafwürdig? Oder im juristischen Terminus: Was ist noch sozialadäquat?

169 Euro = Korruption?

Besonders signifikant wird dies bei Entscheidungen des Amtsgerichts Darmstadt aus dem Februar 2011. Diese richten sich gegen aktuelle und ehemalige Mitglieder des Vorstands sowie des Aufsichtsrats eines kommunalen Versorgungskonzerns. Diese wurden – wie man der Presse entnehmen konnte – zu Geldstrafen verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden und sich zwischen 10.000 und 90.000 Euro bewegen.

Hinzu kam in allen Fällen die Verurteilung zur Zahlung von Bußgeldern an gemeindliche Einrichtungen zwischen 50.000 und 200.000 Euro. Mit Rechtskraft der Strafbefehle sind die Betroffenen vorbestraft. Das Unternehmen selbst muss ebenfalls ein Bußgeld in Höhe von 400.000 Euro an eine kommunale Einrichtung zahlen. Daneben wurden Ermittlungsverfahren gegen rund 80 Bürgermeister aus dem Versorgungsgebiet des Unternehmens eingeleitet, die durchweg gegen Zahlungen geringer Geldbußen eingestellt wurden.

Anlass für die Bestrafung der Manager waren so genannte Informationsfahrten, die mit jeweils zweistündigen Sitzungen verbunden waren, zu denen der Vorstand die Beirats- und Aufsichtsratsmitglieder eingeladen hatte. Die Verfahren konzentrierten sich überwiegend auf vier Fahrten. Eine Fahrt ging ins benachbarte Ausland und kostete einen vierstelligen Betrag pro Teilnehmer. Da verwundert die Verurteilung nicht. Bei einer anderen Fahrt waren die Lebenspartner eingeladen. Dies erzeugt schnell den „Geruch der Sachferne“ und ist daher immer ein sehr sensibles Thema.

Bemerkenswert ist dagegen aber, dass auch wegen einer Fahrt in die unmittelbare Nachbarschaft des Unternehmenssitzes im Wert von 169 Euro pro Person ebenfalls angeklagt und verurteilt wurde. Hier kann man schon die Frage aufwerfen, ob diese Veranstaltung nicht noch unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz gerechtfertigt und damit nicht strafwürdig war. Immerhin handelte es sich bei dem fraglichen Unternehmen um einen nicht ganz unbedeutenden Versorger, der mit Energie- und Wasserversorgung (einschließlich Vertrieb, Netzen und Energiedienstleistungen) rund 2.400 Mitarbeiter beschäftigt hält und einen Konzernumsatz von rund 1,4 Mrd. Euro erzielt. Sowohl in der Strom- als auch in der Gasversorgung werden jeweils mehr als 700.000 Kunden beliefert.

Compliancemanagementsystem als professionelle Lösung

Bei diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Vorstand und der Aufsichtsrat in der heutigen Zeit untereinander und mit Dritten Kontakte aufbauen sollen, ohne dabei ein signifikantes Strafbarkeitsrisiko einzugehen – von der Gefährdung der eigenen beruflichen Existenz ganz abgesehen. Denn auch Einladungen zu kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, die im laufenden Geschäftsverkehr sowie im Rahmen von Marketing- und Sponsoringmaßnahmen ausgesprochen werden und üblicherweise mit einem angemessenen Catering verbunden sind, erreichen schnell den vorliegend beanstandeten Betrag von 169 Euro.

Die Antwort auf die vorstehende Frage muss nicht der Verzicht auf jeglichen sozialadäquaten Geschäftskontakt sowie Sponsoringaktivitäten des Unternehmens sein. Ein professioneller Kompromiss kann vielmehr die Einrichtung eines angemessenen Compliancemanagementsystems im Unternehmen sein, das durch organisatorische, präventive und überwachende Maßnahmen sowie Prozesse einen geordneten Rahmen für ein rechtmäßiges Handeln aller Unternehmensangehörigen setzt. Teil dieses Systems sollte dann eine präzise und konsequente unternehmensinterne Richtlinie zur Gewährung und Annahme von Zuwendungen sowie zu Sponsoringmaßnahmen sein. Von einer solchen Richtlinie sind dann nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch der Vorstand und Aufsichtsrat des Unternehmens erfasst. Wichtig dabei ist auch festzuhalten, dass es nicht allein um das Festlegen von Wertgrenzen geht. Vielleicht bietet schon allein die Tatsache, dass Transparenz hergestellt wird, einen gewissen Schutz. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es bei der Frage, ob eine Vorteilsannahme/-gewährung vorliegt, ganz entscheidend darauf an, ob die Zuwendung in einem transparenten Verfahren mit belastbaren Sachgründen gewährt wird oder nicht.

Auf Transparenz achten

Apropos Transparenz: In Fällen wie den hier beschriebenen sollten immer auch die medialen Konsequenzen beachtet werden. Selbst der vorliegende Fall wurde in der überregionalen Presse bereits dargestellt, und es wurden Bilder der verurteilten Manager in diversen Regionalzeitungen abgedruckt. Solche – insbesondere auch für das private Umfeld der Betroffenen sehr belastenden – Umstände können durch eine professionelle Krisenkommunikation des Unternehmens zwar nicht vollständig vermieden werden, aber immerhin ist es möglich, Schlimmeres zu vermeiden. Jedenfalls lehrt die Erfahrung, dass das betroffene Unternehmen auf jeglichen Vertuschungsversuch verzichten sollte, da dies – wie vorliegend geschehen – besonders kritisch von der Presse aufgegriffen und dem Unternehmen zur Last gelegt wird.

 

 

Dr. Christian Dessau

Rechtsanwalt, Partner Counsel, Becker Büttner Held, Berlin
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