22.08.2022

Rückkehr aus dem Homeoffice

Zum Weisungsrecht des Arbeitgebers

Rückkehr aus dem Homeoffice

Zum Weisungsrecht des Arbeitgebers

Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

 

Wie weit geht das Weisungsrecht des Arbeitgebers, seine Mitarbeiter aus dem Homeoffice zu holen? Darüber hatte das Landesarbeitsgericht München (LAG) im Fall eines Grafikers zu entscheiden.1

Ausgangsfall

Ein Grafiker war in Vollzeit in einem Unternehmen tätig. Er lebte zusammen mit seiner Ehefrau, die zu Hause ebenfalls als Grafikerin tätig war. Die Arbeitgeberin beschäftigte einen Geschäftsführer und eine weitere Mitarbeiterin.Der Grafiker arbeitete mit zirka 15 Mitarbeitern einer anderen Gesellschaft zusammen. Die Mitarbeiter beider Unternehmen waren aufgrund einer Erlaubnis des personenidentischen Geschäftsführers seit Dezember 2020 an ihrem jeweiligen Wohnort tätig. Ausgenommen war lediglich das Sekretariat, das in eingeschränktem Umfang im Betrieb im Büro arbeitet.

Der Grafiker arbeitete zuhause am Laptop seiner Ehefrau, unter Nutzung einer auf sie zugelassenen Grafiklizenz für mehrere Arbeitsplätze. Die Software war stets auf aktuellem Stand, während die Technik bei der Arbeitgeberin etwa zehn Jahre alt war. Wenn der Grafiker zuhause am Laptop seiner Ehefrau Grafikleistungen erbrachte, konnten bei der Speicherung bestimmte Eigenschaften verloren gehen. Während er sich während der Homeoffice-Zeit anfangs zur Arbeit elektronisch an- und abgemeldet hatte, stellte er diese Aktivität später ein. An bestimmten Mitarbeitermeetings nahm er trotz Einladung nicht teil.


Arbeitgeberin holt Grafiker aus Homeoffice

Nachdem er seiner Arbeitgeberin im Februar 2021 mitgeteilt hatte, er wolle sein Arbeitsverhältnis auch nach Eintritt in das Rentenalter am 01.03.2021 fortsetzen, mahnte seine Arbeitgeberin ihn wegen des Verstoßes gegen die An- und Abmeldepflicht und wegen unentschuldigten Fehlens bei den virtuellen Mitarbeitermeetings ab. Darüber hinaus ordnete sie mit einer E-Mail vom 24. Februar die Anwesenheitspflicht des Grafikers im Büro zu den Bürozeiten von 9.00 bis 18.00 Uhr an und bestimmte weiter, dass der Grafiker in das Anwesenheitsbuch exakt die Zeitangaben für die Ankunft und das Verlassen des Büros einzutragen habe.

Arbeitnehmer wehrt sich gegen Weisung

Auch waren die täglich erledigten Arbeitsaufgaben zu dokumentieren und am Folgetag bis 10.00 Uhr dem Geschäftsführer mitzuteilen. Es kam wegen der Anordnung zur Bürotätigkeit zu einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit dem der Grafiker durchsetzen wollte, dass ihm ab sofort das Arbeiten aus dem Homeoffice heraus gestattet werde und diese Homeoffice-Tätigkeit nur in Ausnahmefällen – sofern die Anwesenheit im Büro tatsächlich erforderlich sei – unterbrochen werden dürfe.

Weiter wollte der Grafiker erreichen, dass die Anweisung vom 24. Februar, nach der er nicht mehr im Homeoffice tätig sein dürfe, für unwirksam erklärt werde. Er vertrat die Auffassung, dass er einen Anspruch auf die Arbeit im Homeoffice habe, sich dieser auch aus der im Januar erlassenen Corona-Arbeitsschutz-Verordnung ergebe. Zwingende betriebliche Gründe stünden der Homeoffice-Tätigkeit nicht entgegen. Die Daten der Arbeitgeberin seien stets passwortgeschützt und würden ausschließlich auf einer externen Festplatte abgespeichert. Die Kollegen, mit denen er zusammenarbeite, seien weitgehend im Homeoffice tätig. Die Anweisung seiner Arbeitgeberin, ins Büro zurückzukehren, verstoße zudem gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB und stelle eine Altersdiskriminierung dar.

Demgegenüber meinte die Arbeitgeberin, es sei aus zwingenden betriebsbedingten Gründen erforderlich, dass der Grafiker seine Tätigkeit im Büro erledige. Nur dort habe er die technische Ausstattung in der Spezifikation, wie er sie zur Erfüllung seiner Aufgaben benötige. Die Daten vom Rechner der Ehefrau müssten aufwendig umformatiert, heruntergerechnet und weitergehend behandelt werden, um im firmeneigenen System genutzt werden zu können. Es ergebe sich auch ein gravierendes Datenschutzproblem, weil der Grafiker einen fremden Rechner nutze. Da Anrufe nicht beantwortet und E-Mails nicht oder deutlich verspätet bearbeitet worden seien und es viele unangenehme Gespräche gegeben habe, liege keine Maßregelung vor. Die Anweisung zur Rückkehr ins Büro habe auch nichts damit zu tun, dass der Grafiker über das Renteneintrittsalter hinaus arbeiten wolle. Sie habe als Arbeitgeberin auch kein Vertrauen dahingehend geschaffen, dass sie den Grafiker nicht mehr anweisen würde, seine Tätigkeit vor Ort im Betrieb auszuüben.

Vor dem Arbeitsgericht unterlag der Grafiker. Seine Berufung blieb ebenfalls erfolglos.

LAG: Arbeitgeber kann Arbeitsort selbst bestimmen

Nach Auffassung des LAG München war die Weisung der Arbeitgeberin, die Tätigkeit wieder im Büro auszuüben, wirksam. Nach § 106 GewO könne der Arbeitgeber u.a. den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen selbst bestimmen. Er sei berechtigt, eine einmal erteilte Weisung mit Wirkung für die Zukunft auch wieder zurückzunehmen oder zu ändern. Selbst die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum hinweg schaffe regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht keinen Gebrauch mehr machen wolle.

Nur aufgrund besonderer Umstände könne es zur vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen. Übe ein Arbeitgeber sein Direktionsrecht aus, sei eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit vorzunehmen. Dabei könne dem Arbeitgeber ein Spielraum zustehen.

Im vorliegenden Fall durfte die Arbeitgeberin die Weisung vom 24. Februar unter Wahrung eines billigen Ermessens treffen. Der Arbeitsort des Mannes sei weder im Arbeitsvertrag noch Kraft späterer ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung auf dessen Wohnung festgelegt worden. Auch die Corona-Arbeitsschutzverordnung schaffe den Beschäftigten kein subjektives Recht auf die Tätigkeit im Homeoffice. Billiges Ermessen sei hier auch deshalb gewahrt worden, weil die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz nicht der im Büro entsprach.

Keine Gesundheitsgefährdung durch Einzelbüro und Hygienekonzept

Es sei allein Sache der Arbeitgeberin, zu entscheiden, mit welchen Betriebsmitteln sie die erteilten Aufträge bearbeiten lassen wolle. Der Grafiker habe auch nicht dargelegt, aufgrund welcher Datenschutzmaßnahmen die Daten in vergleichbarer Weise wie unter Nutzung des Firmennetzwerks vor dem Zugriff Dritter geschützt seien. Er könne sich auch nicht auf sein Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG stützen. Im Betrieb stünde ihm ein Einzelbüro zur Verfügung und der Kontakt zu anderen Personen während der Büroarbeitszeiten beschränke sich schon deshalb auf ein Minimum. Hinzu käme, dass im Büro ein Hygienekonzept gelte.

Die Weisung der Arbeitgeberin verstieße auch nicht gegen § 612 BGB. Es sei nicht erkennbar, dass die Mitteilung des Grafikers, das Arbeitsverhältnis über das Renteneintrittsalter hinaus fortsetzen zu wollen, der tragende Grund dafür war, ihm gegenüber mit sofortiger Wirkung die Anwesenheit im Büro anzuordnen. Durch die Abmahnung habe die Arbeitgeberin ihn zur Einhaltung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen anhalten wollen. Auch sei nicht erkennbar, dass die Anordnung eine Altersdiskriminierung darstelle, weil sie nicht „wegen“ des Alters des Grafikers erfolgt sei. Denn es lägen betriebliche Gründe vor, die die Arbeitgeberin zu ihrer Weisung veranlasst hätten. Auch könne der Grafiker nicht verlangen, erneut die Erlaubnis der Arbeitgeberin zu erhalten, seine Tätigkeit von zuhause aus zu erbringen. Denn auch dafür fehle ein entsprechender allgemeiner gesetzlicher Anspruch. Die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 1 BGB könne zwar dazu führen, in besonderen Situationen einer Tätigkeit im Homeoffice zustimmen zu müssen.

Auch dann sei ein Anspruch auf Homeoffice jedoch nur denkbar, wenn die Art der Arbeitsleistung keine Präsenz im Betrieb erfordere oder betrieblichen Gründen entgegenstünde. Solche Gründe lägen hier aber allein schon wegen der unterschiedlichen technischen Ausstattung für Grafikarbeiten zuhause und im Betrieb der Arbeitgeberin vor.

Praxistipp

Dieses Urteil zeigt, dass nur in schwerwiegenden Ausnahmesituationen eine Beschäftigung im Homeoffice gegen den Willen des Arbeitgebers denkbar ist. Solange betriebliche Gründe bestehen, Arbeitnehmer im Betrieb zu beschäftigen, ist bei der heutigen Rechtslage eine Beschäftigung im Homeoffice nicht durchsetzbar. Natürlich muss auch geprüft werden, ob es verbindliche Regelungen in Tarifverträgen, Gesetzen oder mit Betriebsräten gibt, die das Direktionsrecht des Arbeitgebers einschränken.

 

1 Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21.

Besprochen in RdW Kurzreport 2022, Heft 6, Rn. 93.

 

Christian Vetter

Rechtsanwalt
n/a