31.08.2022

Als Juristin bei einem Arbeitgeberverband

Das Beste aus zwei Welten

Als Juristin bei einem Arbeitgeberverband

Das Beste aus zwei Welten

Es gibt vielfältige Arbeitsbereiche für Juristinnen und Juristen bei Südwestmetall. | ©Südwestmetall
Es gibt vielfältige Arbeitsbereiche für Juristinnen und Juristen bei Südwestmetall. | ©Südwestmetall

Bei der Jobsuche übersehen Juristen oft einen attraktiven Arbeitgeber: Verbände. Der Beitrag gibt einen Überblick über die vielfältigen Betätigungsfelder in einem Arbeitgeberverband am Beispiel von Südwestmetall, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg.

Als Juristin bei einem Arbeitgeberverband tätig werden? Weder im Studium, noch im Referendariat habe ich darüber jemals nachgedacht. Aber nicht, weil ich es mir nicht hätte vorstellen können, sondern weil ich es einfach nicht auf dem Schirm hatte.

Im Jurastudium war ich – und ich denke, so geht es den meisten – auf die typischen juristischen Berufe fokussiert: Richter, Staatsanwalt oder Anwalt. Als ich im Frühjahr 2020 mein zweites juristisches Staatsexamen abgelegt hatte, standen für mich bei der Jobsuche folgende Dinge im Vordergrund: Ich wollte gern als Anwältin tätig sein und zwar spezialisiert in einem Rechtsgebiet. Hierfür erhoffte ich mir von meinem zukünftigen Arbeitgeber ein „Mentoring“, um schnell viel zu lernen und gut zu werden in dem, was man künftig jeden Tag tut.


Zudem war mir nach der langen Ausbildung ein faires Einstiegsgehalt wichtig und eine gute Work-Life-Balance. Bei der Jobsuche musste ich dann allerdings feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, diese Faktoren unter einen Hut zu bekommen.

Kein Umsatzdruck, angenehme Arbeitszeiten und ein gutes Einstiegsgehalt

Bereits die Stellenausschreibung des Arbeitgeberverbands Südwestmetall machte deutlich, dass der Job hier das Beste aus zwei Welten vereint. Die Arbeitsweise im Verband ist mit der in einer Kanzlei vergleichbar:

–             direkter Kontakt zu den Mitgliedsunternehmen, die unsere Mandanten sind, und

–             regelmäßiges Auftreten vor den Arbeits- und Sozialgerichten.

Trotzdem gibt es keinen Umsatzdruck. Dies ermöglicht es, jedem zu bearbeitenden Fall die hierzu erforderliche Zeit zu widmen. Der Druck von „billable hours“ in Kanzleien lässt dies oft nicht zu.

Darüber hinaus kann man sich über angenehme Arbeitszeiten, ein gutes Einstiegsgehalt und sogar einen Geschäftswagen freuen, der auch privat genutzt werden darf. Positiv ist zudem, dass wir in unserer Bezirksgruppe eine kleine vertraute Gruppe sind, aber es im Hintergrund immer „den Verband“ mit seinen insgesamt 160 Beschäftigten gibt. Angestellt ist man also bei einem großen Arbeitgeber, der viele Möglichkeiten bietet wie Schulungen oder Veranstaltungen zu speziellen Rechtsgebieten. Dadurch hat man oftmals das Gefühl, in einem Unternehmen zu arbeiten, ist aber in seiner Tätigkeit praktischer orientiert mit mehr Mandantenkontakt. Südwestmetall ist der Arbeitgeberverband der größten und stärksten Branche Baden-Württembergs: der Metall- und Elektroindustrie (M+E). Als branchenübergreifender Zusammenschluss der tarifgebundenen M+E-Industrie organisiert der Verband über 650 Unternehmen. Wir beraten unsere Mitgliedsunternehmen in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeits-, Sozial- und Tarifrechts. Wir betreuen und führen arbeits- und sozialrechtliche Gerichts- und sonstige Verfahren, beispielsweise Schlichtungs- und Einigungsstellen. Außerdem konzipieren und halten wir Schulungen, Seminare oder Arbeitskreise. Seit Corona bieten wir diese auch in Form von Webinaren an.

Kein reiner Schreibtisch-Job

Schön ist, dass wir die Arbeit nicht nur vom Büro aus leisten, sondern (wenn nicht gerade eine Pandemie wütet) auch viel bei den Unternehmen vor Ort sind. Die Tätigkeit ist also bei Weitem kein reiner Schreibtisch-Job, sondern bietet vielfältige Abwechslung.

Kein Tag ist hier wie der andere und man wird rechtlich immer wieder aufs Neue gefordert, so auch die Erfahrung meiner Kollegen, die teilweise schon sehr lange bei Südwestmetall sind. Anders als bei Anwaltskanzleien, die von vielen ihrer Mandanten oft nie wieder etwas hören, wenn der Fall abgeschlossen ist, haben wir unsere Mitgliedsunternehmen als festen „Kundenstamm“.

Bei unseren Mitgliedsunternehmen handelt es sich um Konzerne, aber auch um kleine und mittelständische Familienunternehmen. Allein das ist schon sehr abwechslungsreich. Durch den regelmäßigen Kontakt lernt man die Unternehmen und die dortigen Ansprechpartner im  Laufe der Zeit immer besser kennen. Dies hilft dabei, die Beratung durch individuelle Lösungen besser anzupassen. Man kennt die Themen der Unternehmen und kann auf diese Weise enger und konstruktiver zusammenarbeiten. Diese Art der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit ist schon sehr besonders in einem juristischen Beruf.

Gutachten hinter verschlossenen Türen anfertigt und menschenscheu ist, hätte sicherlich keinen Spaß an der Verbandsarbeit.

Die Fähigkeit, priorisieren zu können, ist hier aufgrund der Vielzahl an Mitgliedsunternehmen und der damit einhergehenden Fälle genauso wichtig wie eine gewisse Organisationsfähigkeit. Da wir als sozialpolitischer Verband nicht nur klassische Anwaltsarbeit leisten, sondern durch Ehrenämter und die Tätigkeit in paritätisch besetzten Gremien über den „juristischen Tellerrand“ hinausblicken, ist zudem ein Interesse für wirtschaftliche und politische Zusammenhänge von Vorteil.

Ich selbst stand von meinen Interessengebieten eigentlich immer zwischen Wirtschaft, Politik und Jura. Für Jura habe ich mich letztlich entschieden, weil ich mich schon immer gerne eingesetzt habe, wenn ich etwas ungerecht fand. Genau das ist dann aber im Jurastudium irgendwo zwischen der forderungsentkleideten Hypothek und den Theorien zum Erlaubnistatbestandsirrtum verloren gegangen.

Die trockene Theorie im Jurastudium hat es einem da nicht immer leichtgemacht. Umso schöner finde ich es, mich jetzt in meiner neuen Tätigkeit wieder einsetzen zu können und dabei gleichzeitig mit politischen und wirtschaftlichen Themen in Berührung zu kommen.

Übrigens besteht für Referendarinnen und Referendare die Möglichkeit, ihre Wahlstation bei uns zu absolvieren.

Verbandstätigkeit in  Pandemiezeiten

Wie überall bestimmt momentan auch bei uns die Pandemie den Arbeitsalltag – nicht nur in Bezug auf die Fragen der Mitgliedsunternehmen. Schon vor Corona hat Südwestmetall seine Mitarbeiter technisch gut ausgerüstet. Dies ermöglichte es, auch in Pandemiezeiten ohne großartige Neuanschaffungen optimal von zu Hause aus arbeiten zu können.

So können wir z. B. auf unsere Beratungs- und Prozessakten direkt über den Laptop zugreifen oder hierüber auch im mobilen Office Anrufe entgegennehmen. Damit ist immer eine unkomplizierte Erreichbarkeit für unsere Mitgliedsunternehmen sichergestellt. Ferner nutzen wir die Spracherkennungssoftware Dragon Legal, um Schriftsätze und dergleichen nach dem Diktat direkt in Textform umzuwandeln.

Auch den Bereich „Legal Tech“ haben wir während der Pandemie konsequent weiterentwickelt. So stellen wir unseren Mitgliedsunternehmen zahlreiche „Legal Tech Tools“ zur Verfügung (z. B. einen Kündigungs- und Aufhebungsvertragsgenerator), die eine automatisierte juristische Unterstützung bieten und dazu beitragen, die Effizienz des rechtlichen Arbeitens weiter zu erhöhen. Bestimmt hat die Situation – wie bei den meisten Arbeitgebern – dazu beigetragen, dass diese Prozesse beschleunigt wurden – immerhin ein positiver Aspekt. Trotzdem lebt die Verbandsarbeit auch zu einem großen Teil von Veranstaltungen und Beratungen bei den Mitgliedsunternehmen vor Ort. Ich freue mich, hoffentlich bald auch diesen Bereich der Tätigkeit noch besser kennenzulernen.

Dieser Beitrag stammt aus dem „Wirtschaftsführer für junge Juristen“.

 

Pia Suttarp

Syndikusrechtsanwältin, Südwestmetall e. V. Bezirksgruppe Schwarzwald-Hegau
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