15.04.2012

Regionale Top Level Domains (TLD)

Chancen und Hindernisse für Kommunen

Regionale Top Level Domains (TLD)

Chancen und Hindernisse für Kommunen

Regionale Top Level Domains – Die erste Adresse für Kommunen? | © styleuneed - Fotolia
Regionale Top Level Domains – Die erste Adresse für Kommunen? | © styleuneed - Fotolia

Top Level Domains (TLD) orientierten sich in der Vergangenheit typischerweise an Staaten (country code TLDs). Zuständig für die Entscheidung über die Einführung und die Vergabe neuer TLD ist nach wie vor die Internet Cooperation for Assigned Names and Numbers (ICANN) mit Sitz in den USA. In Deutschland hat die ICANN den Betrieb für den Namensraum „.de“ der DENIC eG übertragen. Sie ist die zentrale Registrierungsstelle (Registry) für alle Domains unterhalb der TLD „.de“ und verantwortlich für deren Betrieb und technische Stabilität.

Die ICANN beabsichtigt nunmehr, den Domainnamensraum erheblich zu erweitern. Künftig soll es eine Vielzahl neuer TLDs geben, insbesondere generische (Stadt-)TLDs wie z. B. „.koeln“, „.hamburg“ oder „.berlin“. Ein entsprechendes Bewerbungsverfahren findet derzeit bei der ICANN vom 12. 01. 2012 bis 12. 04. 2012 statt. Die Vorgaben der ICANN sehen insoweit vor, dass der jeweilige Bewerber für die Registry eine Einverständniserklärung („letter of support“) oder Unbedenklichkeitserklärung („letter of non-objection“) der zuständigen Gebietskörperschaft einholen muss.

Kommunen stehen nun vor der Entscheidung, ob sie etwaigen privaten Bewerbern die benötigte Erklärung erteilen oder versagen wollen. Eine regionale TLD kann es jedenfalls nur mit Zustimmung der jeweiligen Kommune geben. Angesprochen ist damit zugleich die Frage, inwieweit die Kommune selbst oder ein von ihr beherrschtes kommunales Unternehmen die Registry der TLD übernehmen darf. Nicht zuletzt die Vermarktung lukrativer Second Level Domains (SLD) unterhalb der regionalen TLD könnte hier für Kommunen von Interesse sein.


Nachfolgend sollen die insoweit für die Praxis relevantesten Konstellationen näher beleuchtet werden:

Im Einzelnen soll der Beitrag wesentliche Probleme aus öffentlich-rechtlicher Sicht benennen und zugleich Kommunen mögliche Spielräume während des Bewerbungsverfahrens um die Registry regionaler TLDs aufzeigen.

Erteilung des „letter of support“ als Dienstleistungskonzession

Grundsätzlich ist die ICANN diejenige Stelle, die über die Vergabe der Registry bestimmt. Indes setzen die Regeln der ICANN zwingend voraus, dass die zuständige Gebietskörperschaft hierzu ihr Einverständnis in Form eines „letter of support“ erklärt. Tut sie das nicht, bleibt dem privaten Bewerber die Übernahme der Registry einer TLD verwehrt.

Aus vergaberechtlicher Sicht stellt sich die Frage, welchen Regeln die Erteilung des „letter of support“ unterworfen ist. Die Anwendung des EU-Vergaberechts (§§ 97 ff. GWB) muss bereits ausscheiden, da es an einem entsprechenden entgeltlichen Auftrag fehlt. Maßgeblich sind vielmehr die Regeln der Dienstleistungskonzession. Hierbei überträgt der Auftraggeber das Recht, eine bestimmte Leistung verwerten zu dürfen. Der Konzessionär erhält sein Entgelt nicht vom öffentlichen Auftraggeber, sondern von einem Dritten (statt vieler EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000, Rs. C-324/98 (Telaustria); in jüngster Zeit EuGH, Urt. v. 10. 03. 2011, Az.: C-274/09; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10. 05. 2006, Az.: VII – Verg 12/06; OLG München, Beschl. v. 30. 06. 2011, Az.: Verg 5/09). Diese Grundsätze lassen sich auch auf die Erteilung des „letter of support“ übertragen. Die Kommune gewährt dem privaten Bewerber nämlich das Recht, die Registry auch tatsächlich durchführen zu dürfen. Unabhängig von der Entscheidung der ICANN hat es die Kommune damit in der Hand, eine Art Vorauswahl unter mehreren Bewerbern zu treffen. Damit kommt die Erteilung des „letter of support“ einer sog. Monopolkonzession gleich. Das Verwertungsrecht bleibt exklusiv der künftigen Registrierungsstelle vorbehalten (Maaßen/Schreiber MMR 2011, 363, 365 m.w.N.).

Auch die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen findet nicht im rechtsfreien Raum statt. Zu beachten sind insbesondere die europarechtlichen Grundregeln, insbesondere die Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatbürgerschaft, das Gleichbehandlungsgebot und das Transparenzgebot (statt vieler EuGH, Urt. v. 10. 03. 2011, Az.: C-274/09; OLG München, Beschl. v. 30. 06. 2011, Az.: Verg 5/09). Will die Kommune nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV verstoßen, hat sie einen irgendwie gearteten Wettbewerb zwischen potentiellen Betreibern zu gewährleisten. Vor allem sollte sie einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit wahren.

Verweigerung des „letter of support“

Lehnt die Kommune die Schaffung einer regionalen TLD hingegen ab, hat sie die Möglichkeit, die Erteilung des „letter of support“ schlicht zu verweigern. Ein solches Vorgehen muss sich freilich an der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV und der Gewerbefreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen. Denn die Versagung des „letter of support“ führt im Bereich der Registry der jeweiligen TLD zu einer objektiven Zulassungsschranke. Die Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs sind entsprechend streng. Die Kommune sollte insoweit darlegen können, warum sie den „letter of support“ nicht erteilt. Entsprechende Gründe können in der Abwehr von Gefahren für ein öffentliches Interesse liegen, insbesondere bei einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut.

Registry durch die Kommune

In Betracht kommt ferner eine direkte Bewerbung der Kommune bei der ICANN. Nicht zuletzt die mit der Registry einhergehenden Vermarktungschancen dürften auch für Kommunen interessant sein. Eine kommunal gesteuerte Registry wirft indes vielfältige Fragestellungen auf, die weder von der Rechtsprechung noch der Rechtswissenschaft abschließend geklärt sind. Im Einzelnen unterliegt ein derartiges Geschäftsmodell neben privatrechtlichen (namens-, wettbewerbs- und kartellrechtlichen Vorschriften) vor allem öffentlich-rechtlichen Einschränkungen. Hier stehen verfassungs-, kommunalrechtliche und vergaberechtliche Vorgaben im Mittelpunkt.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist die Registry regionaler TLDs durch eine Kommune möglicherweise an Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG zu messen. Danach sind im Bereich der Telekommunikation sämtliche Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen oder „durch andere private Anbieter“ zu erbringen.

Unklar ist zunächst, ob Art. 87f GG diesbezüglich überhaupt eröffnet ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Registry eine Leistung im Bereich der Telekommunikation beschreibt. Für eine solche Sichtweise spricht zunächst die enge Verknüpfung der Registry mit dem Internet (ausführlich hierzu v. Lewinski, VerwArch 2007, 473 ff.). Typische Aufgaben sind die Strukturierung, Verwaltung und Ausgestaltung des Nummernraums im Internet. Sie ähnelt damit der Verwaltung und Vergabe von Telefonnummern (gem. § 66 Abs. 1 S. 2 TKG der Bundesnetzagentur zugewiesen).

Diese Sichtweise ist nicht unumstritten. Zwar schreibt Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG vor, dass Telekommunikationsdienstleistungen nur in privatwirtschaftlicher Form erbracht werden dürfen. Diese Gesetzeswertung lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf die Registry übertragen. Die Registry regionaler TLDs unterscheidet sich nämlich von den für den Telekommunikationsbereich typischen Dienstleistungen in wesentlichen Punkten. So ist die Registry eher als eine „Vorleistung“ denn als Telekommunikationsdienstleistung zu betrachten (Für die Einordnung der Registry als Telemediendienst, vgl. OVG NRW MMR 2010, 349; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. 05. 2010, Az.: 27 L 143/10, A.A. Maaßen/Schreiber MMR 2011, 363, 366; v. Lewinski, VerwArch 2007, 473 ff.). Ihre Aufgabe besteht u. a. darin, ein faires und gleichberechtigtes Verfahren zur Vergabe von Domainnamen unterhalb der TLD sicherzustellen. Auch die Entstehungs-geschichte von Art. 87f GG spricht für eine differenzierte Betrachtung. Ziel der Neuordnung des Post- und Telekommunikationsverfassungsrechtes war es, das vormals in bundeseigener Verwaltung geführte Fernmeldewesen in einen privatwirtschaftlichen Wettbewerb zu überführen (Möstl, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, 63. Ergänzungslieferung 2011, Art. 87f Rn. 1 ff., 38). Diese Erwägungen greifen bei der Registry nicht. Nach Zuschlag durch die ICANN kann es keinen Markt für Registries hinsichtlich der regionalen TLD mehr geben. Eine Registrierungsstelle nimmt vielmehr eine marktbeherrschende Stellung für die Registrierung von Domains unterhalb der TLD ein.

Unabhängig von der Einordnung der Registry könnte die Kommune dem Privatwirtschaftlichkeitsgebot aber auch genügen, indem sie den tatsächlichen Betrieb der Registry auf ein kommunales Unternehmen in privater Rechtsform überträgt. Zwar gehen Teile der Literatur davon aus, dass das in Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG geregelte Privatwirtschaftlichkeitsgebot eine vollständige Entstaatlichung der Telekommunikationsleistungen umfasse. Entscheidend ist nach dem Wortlaut jedoch nicht die eigentliche Inhaberschaft, sondern die privatrechtliche Organisationsform (ausführlich zum Meinungsstand, vgl. Möstl, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, 63. Ergänzungslieferung 2011, Art. 87f Rn. 56 f.). Das von der Kommune beherrschte Unternehmen muss also auf den privatwirtschaftlichen Wettbewerb ausgerichtet sein, will die Kommune den Vorgaben des Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG entsprechen.

In kommunalrechtlicher Hinsicht hat die Kommune schließlich die Vorgaben der jeweiligen Gemeindeordnungen zu beachten (z. B. Art. 87 Abs. 1 GemO Bay). Danach ist deren Wirtschaftstätigkeit nur gestattet, wenn:

– ein öffentlicher Zweck das Tätigwerden der Kommune erfordert bzw. rechtfertigt,
– eine entsprechende Leistungsfähigkeit gegeben ist und
– bei einem Tätigwerden außerhalb der Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird und erfüllt werden kann (Subsidiaritätsklausel).

Kommunen müssten insoweit darlegen, dass die Aufgabe des kommunalen Unternehmens von einem öffentlichen Zweck getragen wird und keine reine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Vor allem die Zielsetzung, ein faires und gleichberechtigtes Vergabeverfahren zu gewährleisten, legt die Annahme eines öffentlichen Interesses nahe. Die Kommune hätte es zugleich in der Hand, über eine Sperrliste bestimmte Domainnamen (z. B. www.nazis.stadt) zu verhindern. I.Ü. könnte eine kommunale Registry als „Bürgerservice“ u. U. neue Kommunikationsdienstleistungen schaffen und zugleich der Förderung des kommunalen Wirtschaftsraums dienen.

Von wesentlicher Bedeutung ist schließlich die Einhaltung der Subsidiaritätsklausel. Demnach ist die wirtschaftliche Betätigung einer Kommune nur dann statthaft, wenn der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch ein privates Unternehmen erfüllt werden kann (BVerwG, NJW 1995, 2938; BVerwGE 39, 329, 336 f.). Angesichts der Tatsache, dass mit der DENIC eG ein privates Unternehmen die TLD „.de“ seit Jahren erfolgreich und zuverlässig verwaltet, sind die Anforderungen an eine Registry der Kommunen beträchtlich. Typischerweise stellt lediglich die enge Verzahnung zwischen der Kommune und dem von ihr beherrschten Unternehmen ein besonderes Alleinstellungsmerkmal dar. Es liegt insoweit an der Kommune, zu belegen, dass sie die Registry als „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft“ bestmöglich und dauerhaft stabil durchführen kann.

Soweit die Kommune bei der Registry die Dienste eines kommunalen Unternehmens heranziehen möchte, hat sie bestimmte vergaberechtliche Vorgaben zu beachten. Eine Direktbeauftragung ohne Durchführung eines Wettbewerbs wird nur unter engen Voraussetzungen möglich sein. Zwar unterfiele eine unentgeltliche Beauftragung des kommunalen Unternehmens nicht den Vorschriften des EU-Vergaberechts. Es läge kein ausschreibungspflichtiger Dienstleistungsvertrag, sondern eine Dienstleistungskonzession vor. Die Kommune überträgt dem tatsächlichen Betreiber der Registry letztlich das Recht, sich über Entgelte der Domainantragsteller zu finanzieren. Wie bereits dargestellt, findet auch die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen nicht im rechtsfreien Raum statt. Die Kommune ist vielmehr an die Verpflichtung zur Gleichbehandlung und Transparenz gebunden. Grundsätzlich muss also ein irgendwie gearteter Wettbewerb stattfinden.

Die Kommune wäre nur dann von sämtlichen vergaberechtlichen Vorgaben befreit, wenn die Voraussetzungen einer vergaberechtsfreien „Inhouse-Vergabe“ vorlägen. Dies setzt allerdings voraus, dass zum einen die Kommune als öffentlicher Auftraggeber die Kontrolle über das kommunale Unternehmen wie bei einer eigenen Dienststelle ausüben kann. Zum anderen muss das kommunale Unternehmen im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber tätig sein. Nach der Rechtsprechung muss das Unternehmen mindestens 90 Prozent seiner Umsätze für den öffentlichen Auftraggeber erwirtschaften (EuGH, NJW 2006, 2879 – Carbotermo; BGH, B. v. 03. 07. 2008 – Az.: I ZR 145/05; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30. 08. 2011 – Az.: 11 Verg 3/11; OLG Hamburg, Beschl. v. 14. 11. 2010 – Az.: 1 Verg 5/10).

Fazit

Die Registry regionaler (Stadt-)TLD stellt die jeweiligen Kommunen vor vielfältige Herausforderungen. Grundsätzlich hat die Kommune dafür Sorge zu tragen, dass der Erteilung des „letter of support“ ein wettbewerbliches Verfahren vorausgeht. Will die Kommune die Registry hingegen allein oder in Zusammenarbeit mit einem kommunalen Unternehmen betreiben, hat sie neben verfassungsrechtlichen vor allem kommunal- und vergaberechtliche Vorgaben zu beachten. Angesichts zahlreicher ungelöster Rechtsfragen trägt die Kommune insoweit nicht unerhebliche rechtliche Risiken, denen sie mit ihrem Geschäftsmodell entsprechend Rechnung tragen sollte.

 

Dr. Mathias Pajunk

Rechtsanwalt, SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
 

Ermbrecht Rindtorff

Rechtsanwalt, Steuerberater SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
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