15.04.2012

Novellierung des Bay. Wassergesetzes (BayWG)

Festsetzung von Wasserschutzgebieten: Neue Regeln zur Konfliktvorsorge

Novellierung des Bay. Wassergesetzes (BayWG)

Festsetzung von Wasserschutzgebieten: Neue Regeln zur Konfliktvorsorge

Man kann hier grün oder rot sehen: Die Wahrnehmung hängt vom Betrachter ab. | © bluedesign - Fotolia
Man kann hier grün oder rot sehen: Die Wahrnehmung hängt vom Betrachter ab. | © bluedesign - Fotolia

Der Bayerische Gesetzgeber hatte das neue BayWG vom 25. 02. 2010 mit einer bis zum 29. 02. 2012 befristeten Geltungsdauer erlassen. Gerade die Regelungen zur Festsetzung von Wasserschutzgebieten und zum Ausgleich schutzgebietsbedingter Belastungen sollten in kurzer Frist nochmals einer Überprüfung unterzogen werden können. Die nunmehr durchgeführte Evaluierung hat keinen großen Änderungsbedarf ergeben. Anlässlich der Wiederherstellung der unbefristeten Geltung hat der Gesetzgeber jedoch beachtenswerte Vorgaben zur Konfliktvorbeugung und -vermeidung bei der Festsetzung von Wasserschutzgebieten erlassen und ist dabei von bundesrechtlichen Vorgaben abgewichen.

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AwSV

Änderungen mit Aufhebung der Sunset-Klausel

Mit dem Gesetz zur Änderung des BayWG vom 16. 02. 2012 (GVBl. S. 40) wurde die begrenzte Geltungsdauer des BayWG beseitigt. Nach Auffassung des Gesetzgebers haben sich die mit dem neuen BayWG vom 25. 02. 2010 eingeführten gesetzlichen Vorgaben im Verwaltungsvollzug bewährt. Es sollte lediglich die Möglichkeit geschaffen werden, abweichend von § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG Wasserschutzgebiete auch für private Wassergewinnungsanlagen auszuweisen, sofern die private Wassergewinnung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. Art. 31 Abs. 4 BayWG). Außerdem soll die Ausweisung von Wasserschutzgebieten für neue Wassergewinnungsanlagen nicht innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile erfolgen (vgl. Art. 31 Abs. 3 BayWG). Im Übrigen wird durch Konkretisierung des Art. 32 Satz 1 Nr. 2 BayWG dargelegt, dass die Gewährung eines Ausgleichs für schutzgebietsbedingte Belastungen keinen Anreiz liefern soll, Anlagen im Wasserschutzgebiet neu zu errichten.

Keine Festsetzung von Wasserschutzgebieten für neue Wassergewinnungsanlagen innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile

Diese neu in Art. 31 Abs. 3 BayWG aufgenommene Regelung dient der Vermeidung von Konfliktsituationen mit bereits vorhandener Bebauung und soll weitgehend verhindern, dass Grundstücke mit baulichen Nutzungen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft durch Einbeziehung in ein Wasserschutzgebiet erhöhten Anforderungen (z. B. Nutzungseinschränkungen oder Mehraufwendungen) unterworfen werden.


Neue Wassergewinnungsanlagen. Nach seinem eindeutigen Wortlaut gilt Art. 31 Abs. 3 BayWG nur für neue Wassergewinnungsanlagen. Nach der Begründung zu Art. 31 Abs. 3 BayWG (vgl. LT-Drs. 16/9902 S. 3) ist eine Wassergewinnungsanlage nur dann neu, wenn im betreffenden Grundwasservorkommen oder Oberflächengewässer bisher noch keine Wasserfassung für dieselbe Wasserversorgungsanlage vorhanden war. Für bestehende Anlagen gilt Art. 31 Abs. 3 BayWG nicht. Der Gesetzgeber stellt auf die neue Inanspruchnahme eines anderen als des bisher genutzten Grundwasservorkommens oder Oberflächengewässers und damit darauf ab, dass über die neue Wassergewinnung hervorgerufene neue Konfliktlagen vermieden werden sollen.

Im Zusammenhang bebaute Ortsteile. Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile soll keine Festsetzung von Wasserschutzgebieten für neue Wassergewinnungsanlagen erfolgen. Mit dem Begriff des „im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ wird auf § 34 BauGB verwiesen. Hierbei wird unterschieden zwischen solchen, die tatsächlich vorhanden sind, und solchen, die durch Ortsabrundungssatzungen bestimmt werden (vgl. § 34 Abs. 1 BauGB einerseits und § 34 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 BauGB andererseits). Ortsteil ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Nach der Begründung soll Art. 31 Abs. 3 BayWG der Konfliktvermeidung dienen; insbesondere sollen nachträgliche Anforderungen an bereits bestehende bauliche Anlagen vermieden werden. Damit ist nach Sinn und Zweck der Regelung klargestellt, dass der im Zusammenhang bebaute Ortsteil im Zeitpunkt der Ausweisung eines Wasserschutzgebietes tatsächlich in seiner Bausubstanz vorhanden sein muss. Für Grundstücke, die z. B. durch eine Einbeziehungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB erst dem „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ zugewidmet werden sollen, bleibt kein Raum.

Vorläufige Anordnung. Das Gebot in Art. 31 Abs. 3 BayWG bezieht sich auf die Ausweisung eines Wasserschutzgebietes. Damit wird auf § 51 Abs. 1 Satz 1 WHG Bezug genommen und die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes durch Rechtsverordnung angesprochen. Das Gebot gilt nach Sinn und Zweck auch für die vorläufige Anordnung nach § 52 Abs. 2 WHG. Letztere soll lediglich im Vorgriff auf den Erlass einer Wasserschutzgebietsverordnung erfolgen und Vorwirkungen zur Sicherung von Planungen für die Ausweisung von Wasserschutzgebieten vermitteln, indem einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse entgegengewirkt wird. Nicht von der Regelung in Art. 31 Abs. 3 BayWG erfasst sind dagegen Anordnungen nach § 52 Abs. 3 WHG. Diese beziehen sich ausdrücklich auf Bereiche außerhalb eines festgesetzten Wasserschutzgebietes.

Soll-Vorschrift. Art. 31 Abs. 3 BayWG ist als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Mit der „Soll“-Vorgabe ist nach gängiger Auffassung für das Behördenhandeln eine zwingende Vorgabe des Gesetzgebers getroffen, die die ermessensgetragene Abweichung von der gesetzlichen Zielvorgabe nur in einem sehr engen und im Einzelfall zwingend zu begründenden Ausmaß ermöglicht. Art. 31 Abs. 3 BayWG weicht in seinem Anwendungsbereich deshalb vom Grundsatz ab, dass bei der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes regelmäßig von der Situierung der Wassergewinnungsanlage auszugehen ist und sich daraus auf Grund der hydrogeologischen Verhältnisse nach den Gesichtspunkten der Schutzbedürftigkeit, der Schutzmöglichkeit und der Schutzfähigkeit die Konfiguration eines Wasserschutzgebietes ergibt. Nach der gesetzlichen Begründung ist es auch im Interesse des Trinkwasserschutzes, wenn solche Grundstücke, von denen zusätzliche Gefährdungen ausgehen können, nicht in das Trinkwasserschutzgebiet fallen. Für die Wassergewinnung haben deshalb die unbebauten und unbelasteten Flächen des Außenbereichs Vorrang.

Ermessenslenkende Vorschrift. Nachdem mit der Situierung des Trinkwasserbrunnens die Lage und der Umfang eines Wasserschutzgebietes festgelegt werden, ist Art. 31 Abs. 3 BayWG auch als ermessenslenkende Vorschrift i. S. d. § 12 Abs. 2 WHG zu verstehen, die sich auf das Bewirtschaftungsermessen bei der Erteilung der für die Trinkwasserförderung notwendigen wasserrechtlichen Bewilligung oder Erlaubnis auswirkt. Gerade die Erteilung einer Bewilligung muss nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WHG einem bestimmten Zweck dienen. Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für eine neue Wassergewinnungsanlage sind deshalb die „Auswirkungen“ einer derartigen Nutzung in Form des zum Schutz der Wassergewinnung notwendigen Wasserschutzgebietes mit in die Abwägung zur Ausübung des Bewirtschaftungsermessens einzubeziehen. Nur in den Fällen, in denen mit einem zumutbaren Aufwand eine notwendige neue Wassergewinnungsanlage nicht entsprechend situiert werden kann und auch alternative Versorgungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, kann im Rahmen der Ermessensausübung von der „Soll“-Vorgabe des Gesetzgebers abgewichen werden und eine Wasserschutzgebietsverordnung, die einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil mit einbezieht, für eine neue Wassergewinnungsanlage wirksam erlassen werden.

Ausweisung von Wasserschutzgebieten für eine private Wassergewinnung (Art. 31 Abs. 4 BayWG)

Gemäß dem neu eingefügten Art. 31 Abs. 4 BayWG können auf Antrag auch für Gewässer, die der privaten Wassergewinnung dienen, Wasserschutzgebiete ausgewiesen (festgesetzt) werden, soweit es dem öffentlichen Interesse entspricht. Die Vorschrift weicht damit ausdrücklich von den Vorgaben in § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG ab, der die Festsetzung von Wasserschutzgebieten nur für die öffentliche Wasserversorgung vorsieht. Art. 31 Abs. 4 BayWG entspricht damit in seinem Grundgedanken dem § 53 WHG, der für anerkannte Heilquellen ebenfalls die Festsetzung von Schutzgebieten vorsieht. Auch Heilquellen werden weit überwiegend privat genutzt; die Regelungen zur Festsetzung von Heilquellenschutzgebieten gehen als Bundesrecht aber den Bestimmungen in Art. 31 Abs. 4 BayWG insoweit vor.

Antrag und öffentliches Interesse. Anders als Wasserschutzgebiete für die öffentliche Wasserversorgung setzt die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes für eine private Wassergewinnung einen Antrag voraus. Das Antragserfordernis ist der Anerkennung von Heilquellen nach § 53 Abs. 2 WHG nachempfunden. Die private Wassergewinnung muss zusätzlich im öffentlichen Interesse liegen. Dieses öffentliche Interesse muss von einigem Gewicht sein, da es in der Lage sein muss, unter Berücksichtigung der Vorgaben zum Eigentumsschutz Inhalt und Schranken des Eigentums aufzuzeigen oder, sollten diese überschritten werden, den Eingriff in fremdes Eigentum zu rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund kommt es für die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes auf das private Interesse und die unter diesem Gesichtspunkt verfolgten Ziele nicht an.

Mineral- und Tafelwasserverordnung. Nach der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung des Bundes ist natürliches Mineralwasser von natürlicher Reinheit und stammt aus entsprechend geschützten Vorkommen. Danach könnte angenommen werden, dass unter dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit eines Trinkwasservorkommens ein Wasserschutzgebiet nicht erforderlich, der mit der Schutzgebietsfestsetzung verbundene Eingriff in die Rechte Dritter nicht notwendig wäre. Der Bayerische Gesetzgeber hatte bei Art. 31 Abs. 4 BayWG jedoch das ausdrückliche Motiv, den Schutz für natürliche Mineralwässer zu verbessern. Damit geht die Regelung von einem weiten Verständnis der Schutzbedürftigkeit eines entsprechenden Wasservorkommens aus. Maßgeblich ist auch hier, ebenso wie bei Art. 31 Abs. 3 BayWG, der Vorsorgeaspekt, der eine Beeinträchtigung natürlicher Mineralwässer von vorneherein ausschließen will. Natürliche Mineralwässer sollen als solche erhalten bleiben. Anthropogene Beeinträchtigungen, die bereits begrifflich ein Wasser als natürliches Mineralwasser i. S. v. § 2 Mineral- und Tafelwasserverordnung ausschließen, sollen von entsprechenden Mineralwassergewinnungsanlagen ferngehalten werden. Der Mineralwasserschatz soll in Bayern aufrechterhalten und auf Dauer gesichert werden; der Schutz von natürlichen Mineralwässern wird auch auf die Fälle ausgedehnt, dass die natürlichen Schutzmechanismen zerstört werden können, z. B. durch Geothermiebohrungen oder den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und den sich dabei ergebenden Abbauprodukten, die als Methaboliten auch in bisher natürlicherweise geschützte Mineralwasservorkommen eindringen können. Der so gestaltete Schutz natürlicher Mineralwässer gilt auch für Quellwasservorkommen i. S. v. § 10, nicht jedoch für Tafelwasser i. S. v. § 11 Mineral- und Tafelwasserverordnung.

Ausgleich von Mehraufwendungen für den Bau und Betrieb land- und forstwirtschaftlicher Betriebsanlagen in Wasserschutzgebieten

Nach Art. 32 BayWG können in Abweichung von § 52 Abs. 5 WHG gegenüber dem Begünstigten einer Wasserschutzgebietsverordnung auch Mehraufwendungen geltend gemacht werden, die aus schutzgebietsbedingten Anordnungen und Festsetzungen an land- oder forstwirtschaftliche Betriebsanlagen resultieren. Mit dem Änderungsgesetz wird der einschlägige Art. 32 Satz 1 Nr. 2 BayWG neu gefasst. Dabei wird in der ersten Alternative der Anwendungsbereich auf bereits bestehende Betriebsstandorte reduziert. Als solcher kann der Betriebsstandort entweder in einem bereits existierenden oder einem noch auszuweisenden Wasserschutzgebiet liegen. Die zweite Alternative soll einen Ausgleichsanspruch regeln, wenn zwar noch kein Betriebsstandort besteht, aber auf Grund der räumlichen Betriebsent- wicklung eine Neuerrichtung im Wasserschutzgebiet zwingend erforderlich ist. Ziel der Änderung ist es, durch die Gewährung eines Ausgleichs für schutzgebietsbedingte Belastungen keinen Anreiz für die Neuerrichtung von Betriebsanlagen der Land- und Forstwirtschaft im Wasserschutzgebiet zu liefern.

Resümee

Mit dem Änderungsgesetz zum BayWG hat der Gesetzgeber sein Gesetz vom 25. 02. 2010 zum einen ausdrücklich bestätigt und die unbefristete Geltung wiederhergestellt. Zum anderen hat er neue Konfliktvermeidungsregelungen in das BayWG eingefügt, die bei der Ausweisung von Wasserschutzgebieten, die zwischen Grundstückseigentümern und Wasserversorgern stark umstritten ist, vermitteln sollen. Der staatlichen Verwaltung und den begünstigten Wasserversorgern wurden strenge Abgrenzungsregeln vorgegeben, um bereits im Vorfeld bei der Suche nach geeigneten Wassergewinnungsanlagen sicherzustellen, dass Mehranforderungen an bestehende bauliche Anlagen und damit Konflikte im Schutzgebietsverfahren vermieden werden. Für Ausgleichsforderungen wurde den Belangen der Wasserversorger Rechnung getragen, nicht jede neue Anlage im Schutzgebiet hinnehmen und den Mehraufwand ausgleichen zu müssen. Ob mit der Möglichkeit, Wasserschutzgebiete auch für private Wassergewinnungsanlagen ausweisen zu können, dem Ziel der Konfliktvorbeugung ebenfalls Rechnung getragen worden ist, bleibt in der Praxis abzuwarten.

Ulrich Drost

Ulrich Drost

Ministerialrat a.D. im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Weilheim
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