08.08.2022

Polizeiliche Ingewahrsamnahme wegen Verstoß gegen Maskentragepflicht

BGH, Beschluss vom 08.02.2022 – 3 ZB 4/21

Polizeiliche Ingewahrsamnahme wegen Verstoß gegen Maskentragepflicht

BGH, Beschluss vom 08.02.2022 – 3 ZB 4/21

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Am 20.12.2020 fand in einer Stadt in Nordrhein-Westfalen (NRW) eine Demonstration gegen staatliche Maßnahmen zum Schutz von Neuinfizierungen mit dem Coronavirus statt. Bei dieser Veranstaltung hielten sich um 12:30 Uhr zahlreiche Personen ohne ausreichenden Abstand zueinander auf, unter ihnen befand sich auch ein Demonstrant, der keinen Mund-Nasen-Schutz trug. Eine Pflicht zum Tragen solcher Masken war auf der Demonstration von den zuständigen Behörden angeordnet worden.

Nach Ermahnung durch Mitarbeiter des Ordnungsamts gab der Mann an, dass er weder eine Maske bei sich habe noch über ein ärztliches Attest verfüge, das ihn von der Maskenpflicht entbunden hätte. Danach verweigerte er es, sich gegenüber den vor Ort befindlichen Polizeibeamten auszuweisen. Sie geleiteten ihn daraufhin an die nächste Hauswand, um ihn auf Ausweispapiere zu durchsuchen. Als er sich dagegen wehrte, drohten die Einsatzkräfte zur Feststellung seiner Personalien unmittelbaren Zwang an, worauf er massiven körperlichen Widerstand leistete.

Die Polizeibeamten fanden bei der anschließenden zwangsweisen Durchsuchung seinen Personalausweis und ein verbotenes Einhandmesser. Sie befragten ihn, wie er sich im Hinblick auf die Infektionsschutzvorschriften bei der Demonstration weiter verhalten werde. Nach seiner Auskunftsverweigerung nahmen sie ihn in Gewahrsam. Die Bereitschaftsrichterin des Amtsgerichts (AmtsG) stellte fest, dass die polizeiliche Ingewahrsamnahme zulässig ist und ordnete deren Fortdauer bis längstens um 17:00 Uhr desselben Tages an; bis dahin sollte die Versammlung dauern. Um 17:00 Uhr wurde der Demonstrant aus dem Gewahrsam entlassen.


Gegen die Entscheidung des AmtsG legte er beim Landgericht (LG) Beschwerde ein, um die Verfassungswidrigkeit seiner Ingewahrsamnahme feststellen zu lassen; jedoch ohne Erfolg. Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verfolgte er sein Begehren weiter.

Corona-Schutzverordnung hatte taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der Maskenpflicht und war verfassungsgemäß

Der BGH führt in seinem Beschluss hierzu aus, dass die der Coronaschutzverordnung NRW zugrunde liegenden Vorschriften der §§ 28, 30 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die hier in Rede stehende Anordnung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum darstellte.

Diese Normen seien bereits von ihrer fortlaufenden Präzisierung und Ergänzung durch den Gesetzgeber anlässlich der Pandemie hinreichend bestimmt und hätten die in der Coronaschutzverordnung vorgesehenen Eingriffe in die Grundrechte der Bürger getragen. Ein Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt habe ebenfalls nicht vorgelegen.

Weil die hier konkret maßgebliche Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes am Veranstaltungsort ein milderes Mittel als eine Kontaktbeschränkung und Ausgangssperre dargestellt habe, sei sie auch insoweit verfassungsgemäß gewesen. Des Weiteren habe sich die Anordnung auf wenige Straßenzüge mit hohem Publikumsverkehr bezogen und den meisten Normadressaten habe es freigestanden, entsprechende Gebiete zu meiden. Die Maskenpflicht sei auch zeitlich beschränkt gewesen und habe zahlreiche Ausnahmen von der Verpflichtung vorgesehen. So seien etwa Radfahrer, Jogger, Kinder sowie Personen, die aus medizinischen Gründen keine Masken tragen konnten, von der Maskenpflicht befreit gewesen. Vor diesem Hintergrund bestehe an der Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Maskenpflicht keinerlei Zweifel.

Anordnung einer polizeirechtlichen Ingewahrsamnahme rechtmäßig

Das LG habe die Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung beim Betroffenen zu Recht für gegeben erachtet. Nach dem Polizeirecht in NRW könne eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn dies unerlässlich sei, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Das LG habe darin, dass der Mann bei der Demonstration keine Maske getragen habe, zutreffend eine Ordnungswidrigkeit gem. § 73 Abs. 1 a Nr. 6 IfSG gesehen. Mithin habe er vorsätzlich einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 IfSG i. V. m. einer Rechtsverordnung nach § 32 IfSG zuwidergehandelt. Aus seinem Gesamtverhalten sei abzuleiten gewesen, dass er sich ohne die Ingewahrsamnahme erneut ohne Maske am Versammlungsort aufhalten und damit die Ordnungswidrigkeit fortsetzen würde. Im Übrigen habe er gegenüber den Polizeibeamten strafrechtlich relevanten körperlichen Widerstand geleistet sowie die Auskunft darüber verweigert, wie er sich weiterhin zu verhalten gedenke.

Dementsprechend habe es sich bei seinem Verhalten um eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 2 Polizeigesetz (PolG) NRW gehandelt, die Ingewahrsamnahme sei auch insoweit rechtens gewesen.

Ingewahrsamnahme war zur Gefahrenabwehr erforderlich

Gegen die Annahme des LG, der Mann werde sich im Falle seiner Freilassung wieder ohne Mund-Nase-Bedeckung zum Versammlungsort begeben, war nichts einzuwenden.

Weniger eingriffsintensive Maßnahmen, durch welche die Gefahr der Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit hätte verhindert werden können, seien nicht ersichtlich gewesen.

Es sei angesichts seiner Beharrlichkeit nicht damit zu rechnen gewesen, dass er freiwillig eine Maske angelegt oder einen Platzverweis befolgt hätte. Zu Recht sei der Gewahrsam auch bis zum Ende der Versammlung angesetzt worden. Dieser Zeitraum sei sowohl angemessen und andere Anhaltspunkte für ein Ausreichen einer kürzeren Frist oder für einen Verzicht hierauf seien nicht erkennbar gewesen. Der Gewahrsam war somit auch verhältnismäßig im engeren Sinne.

 

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2022 – 3 ZB 4/21 –.

Entnommen aus FstBW 2022 Heft 15, Rn. 215

 

Martin Pfeifer

Rechtsanwalt, Achern
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