15.07.2011

Neues Planungsrecht für Windenergie

Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten der Kommunen

Neues Planungsrecht für Windenergie

Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten der Kommunen

Die Windräder werden erwachsen: Rückenwind für den Klimaschutz im neuen BauGB. | © eyewave - Fotolia
Die Windräder werden erwachsen: Rückenwind für den Klimaschutz im neuen BauGB. | © eyewave - Fotolia

Die Bundesregierung hat sich ehrgeizige Ziele beim Ausbau der Nutzung Erneuerbarer Energien gesetzt. Durch den Atomausstieg haben diese Ziele erheblich an Relevanz gewonnen. Um den Bau von Erzeugungsanlagen zu gewährleisten, wird derzeit nicht nur das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) angepasst, sondern auch das Bauplanungs- und Fachplanungsrecht.

Ende Juni hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden beschlossen (BT-Drs. 17/6076). Dieses sieht u. a. Sonderregelungen zur Windenergie im Baugesetzbuch vor. Für Städte und Gemeinden eröffnet sich so die Möglichkeit, die Energiewende mit Hilfe der Bauleitplanung aktiv mitzugestalten und außerdem wirtschaftlichen Nutzen aus dieser Entwicklung zu ziehen.

Windenergie-Erlasse in den Ländern

Gänzlich frei sind Städte und Gemeinden dabei allerdings nicht, denn in vielen Bundesländern haben die Landesregierungen bereits in der Vergangenheit in sogenannten Windenergie-Erlassen Entscheidungshilfen für die zuständigen Behörden zur planungsrechtlichen Umsetzung von Windenergievorhaben aufgestellt. Diese Wind-energie-Erlasse sind zum Teil seit mehreren Jahren in Kraft; einige werden derzeit überarbeitet. Die Zielrichtung ist dabei klar: Windenergie soll deutlich ausgebaut werden; andernfalls lassen sich die Klimaschutzziele nicht erreichen.


In Brandenburg ist bereits im Januar ein neuer Windenergie-Erlass in Kraft getreten. Schleswig-Holstein hat Ende März Grundsätze zur Planung von Windkraftanlagen aufgestellt. Für Nordrhein-Westfalen liegt seit kurzem der Entwurf eines neuen Windenergie-Erlasses vor. Auch Rheinland-Pfalz hat eine Änderung des bestehenden Erlasses angekündigt.

Die Windenergie-Erlasse betonen die Bedeutung von Standortwahl und Anlagentechnik für die optimale Nutzung der Windkraft. Neue Anlagen sollen zukünftig vor allem in Windparks errichtet werden, nicht mehr als Einzelanlagen. Außerdem wollen die Länder das Repowering fördern.

Repowering

Unter Repowering versteht man den Ersatz älterer Windenergieanlagen durch neue und leistungsstärkere Anlagen. Damit einher geht die Möglichkeit, mit weniger, aber leistungsstärkeren Anlagen mehr Strom zu erzeugen. Für Anlagenbetreiber ist das Repowering vor allem deshalb von Interesse, weil das EEG dafür höhere Vergütungen vorsieht (§ 30 EEG). Dennoch ist der Umfang des Repowering in den letzten Jahren hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Die Herausforderung liegt darin, dass leistungsstärkere Anlagen in der Regel auch eine Zunahme der Nabenhöhen und Rotordurchmesser bedingen. Da beim Repowering aber grundsätzlich dieselben planungsrechtlichen Anforderungen wie bei der Neuerrichtung von Windenergieanlagen gelten, scheitern viele Vorhaben an geltenden Höhenbegrenzungen oder an Widersprüchen der Nachbarn wegen Lichtemissionen o.ä. Erfolgreiches Repowering erfordert also nicht nur einen finanziellen Anreiz über das EEG, sondern auch einen planungsrechtlichen Rahmen, der einem echten Repowering nicht entgegensteht.

Genau diese Verhinderungswirkung wurde den Windenergie-Erlassen in der Vergangenheit aber vorgeworfen. Dabei kann sich Repowering auch für Gemeinden lohnen, insbesondere dann, wenn die bestehende Nutzung der Windenergie im Gemeindegebiet neu geordnet werden soll.

Änderung des BauGB

Das Gesetz zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden soll es den Gemeinden erlauben, Repowering-Vorhaben durch die Bauleitplanung zu steuern. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung spricht davon, dass bei Windenergieanlagen nun ein Aufräumen der Landschaft ermöglicht werde. Im Wesentlichen sieht das Gesetz folgende Änderungen des Baugesetzbuchs vor:

  • In einem neuen § 1a Abs. 5 BauGB wird eine Klimaschutzklausel eingefügt, die den Grundsatz der klimagerechten Stadtentwicklung festschreibt. Dieser Grundsatz gehört künftig zum Abwägungsmaterial bei der Entscheidung über Bauleitpläne.
  • Ausdrücklich geregelt wird, dass die Gemeinde im Flächennutzungsplan die Ausstattung des Gemeindegebiets mit Maßnahmen darstellen kann, die dem Klimawandel entgegenwirken oder der Anpassung an den Klimawandel dienen. Damit sollen Aussagen der Gemeinde zum Klimaschutz größere rechtliche Bedeutung erlangen.
  • Der Katalog der im Bebauungsplan zulässigen Festsetzungen wird ergänzt: Während die Gemeinde bisher nur „die Versorgungsflächen” festsetzen konnte (§ 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB), soll sie in Zukunft zur Festsetzung der Versorgungsflächen „einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung” befugt sein.
  • Als mögliche Regelungsgegenstände eines städtebaulichen Vertrages werden in § 11 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht mehr nur KWK-Anlagen und Solaranlagen genannt, sondern allgemein Anlagen zur Erzeugung und Verteilung von Strom, Wärme oder Kälte „aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung”. Damit ist die Windenergie nun erstmals einbezogen.
  • Der Förderung des Repowering dient der neue § 249 Abs. 1 BauGB: Im Flächennutzungsplan soll die Gemeinde neue Konzentrationszonen für Windenergie darstellen können, ohne dass Anlagenbetreiber daran anknüpfend argumentieren können, die vorhandenen Darstellungen des Flächennutzungsplans würden der Windenergie nicht substantiell Raum schaffen.
  • Außerdem werden die Gemeinden die Ausweisung neuer Standorte für Windenergieanlagen in Zukunft mit Vorgaben zum Rückbau alter Anlagen kombinieren können. Dazu erweitert der neue § 249 Abs. 2 BauGB die Möglichkeit der Festsetzung einer bedingten Zulässigkeit von Nutzungen für Windenergieanlagen: Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann danach auch festgesetzt werden, dass die im Bebauungsplan festgelegten Windenergieanlagen nur zulässig sind, wenn sichergestellt ist, dass nach ihrer Errichtung andere Windenergieanlagen innerhalb einer näher definierten Frist zurückgebaut werden. Dabei dürfen die Standorte der zurückzubauenden Windenergieanlagen auch außerhalb des Gebiets des Bebauungsplans oder sogar außerhalb des Gemeindegebiets liegen. Zwischen mehreren Gemeinden kann es so zu einem Wettbewerb um die besten Standorte für Windkraftanlagen kommen.

Wirtschaftliche Aspekte

Der Entwurf des neuen nordrhein-westfälischen Windenergie-Erlasses enthält einen eigenen Abschnitt zu Fragen der kommunalen Wertschöpfung. Dort wird darauf hingewiesen, dass die Kommunen wirtschaftliche Vorteile aus dem Ausbau der Windenergie ziehen können. Möglich ist das insbesondere dann, wenn eine Gemeinde eigene Grundstücke für Windenergieanlagen verpachtet. In einem öffentlich-rechtlichen Vertrag kann ein Anlagenbetreiber auch zu weiteren Leistungen verpflichtet werden.

Zu höherer Akzeptanz von Windenergieanlagen in einer Gemeinde kann die Errichtung von Bürgerwindparks beitragen. Das sind Windparks, an denen sich Einwohner konzeptionell und finanziell beteiligen. Einige Stadtwerke haben in der Vergangenheit mit Bürgerbeteiligungsmodellen bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen bereits gute Erfahrungen gemacht. Diese Modelle lassen sich nun auch im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windenergie einsetzen.

Vergaberecht

Im Entwurf des nordrhein-westfälischen Windenergie-Erlasses wird den Gemeinden empfohlen, mit Anlagenbetreibern zu vereinbaren, möglichst ortsansässige Unternehmen mit den Leistungen zu beauftragen, die mit der Errichtung der Windenergieanlage zusammenhängen. Von einem solchen Vorgehen ist aber jedenfalls dann abzuraten, wenn die Gemeinde eigene Flächen zur Windenergieerzeugung zur Verfügung stellt: Privatrechtliche Nutzungsverträge oder öffentlich-rechtliche Verträge zwischen einer Gemeinde und einem Anlagenbetreiber sind dann häufig als öffentliche Baukonzessionen im Sinne des Vierten Teils des GWB zu qualifizieren, so dass sie europaweit ausgeschrieben werden müssen. Im Vergabeverfahren wäre eine Bevorzugung ortsansässiger Bieter nicht möglich, so dass entsprechende Vorgaben auch gegenüber potentiellen Investoren unzulässig sind.

Unabhängig davon bringt die Durchführung eines Vergabeverfahrens oder – bei Unanwendbarkeit des Vergaberechts – eines transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens Vorteile, wenn die Gemeinde über das Baugrundstück verfügt. In diesem Fall hat sie es in der Hand, durch Vorgaben im Vergabeverfahren die Rahmenbedingungen zu definieren, die erfüllt sein müssen, damit ein Anlagenbetreiber neue Anlagen errichten kann. Insbesondere ist es der Gemeinde so möglich, Anforderungen an die Erfahrung und Zuverlässigkeit der Anlagenbetreiber zu stellen.

 

Dr. Clemens Antweiler

Mag. rer. publ. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, RWP Rechtsanwälte, Düsseldorf
 

Dr. Andreas Gabler

Rechtsanwalt, RWP Düsseldorf
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