15.07.2011

Energiewende auf dem Dach

Erleichterte Zulassung von Solaranlagen auf Dächern geplant

Energiewende auf dem Dach

Erleichterte Zulassung von Solaranlagen auf Dächern geplant

Energiewende auf dem Dach: Durch 
Änderungen im BauGB geringere Hürden für Solaranlagen im Außenbereich. | © Simon Kraus - Fotolia
Energiewende auf dem Dach: Durch Änderungen im BauGB geringere Hürden für Solaranlagen im Außenbereich. | © Simon Kraus - Fotolia

Am 06. 06. hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Erleichterung von Solaranlagen an oder auf Gebäuden im Außenbereich beschlossen. Der Entwurf ist Teil eines Gesetzespakets, das der Beschleunigung der „Energiewende“ dient. Bundestag und Bundesrat wollen die Änderungen des Baugesetzbuches (BauGB) noch vor der Sommerpause beschließen. Aktuell wird der Gesetzentwurf in den Ausschüssen diskutiert. Am 27. 06. hat im Verkehrsausschuss eine öffentliche Anhörung stattgefunden. Bei den angehörten Experten ist der Gesetzentwurf dem Vernehmen nach auf eine breite Zustimmung gestoßen.

Geplante Neuregelung

Zukünftig sollen Solaranlagen (Solarthermie- und Photovoltaikanlagen) an oder auf Gebäuden im Außenbereich als so genannte privilegierte Vorhaben grundsätzlich zulässig sein, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

– Es muss sich um eine Solaranlage an oder auf einem Gebäude im Außenbereich handeln.
– Das Gebäude muss selbst zulässigerweise errichtet worden sein. Solaranlagen auf Schwarzbauten, wie z. B. illegal errichteten Wochenendhäusern oder Lagerhallen, können nicht in den Genuss der Privilegierung kommen. Die Formulierung „auf zulässigerweise errichteten Gebäuden“ wurde im Rahmen der Anhörung im Verkehrsausschuss kritisiert. Um einem Missbrauch vorzubeugen, sollte nach Ansicht der Experten vielmehr von „zulässigerweise genutzten Gebäuden“ die Rede sein.
– Die Solaranlage muss dem Gebäude baulich untergeordnet sein. Anlagen, deren Fläche über die Dach- oder Wandfläche des Gebäudes hinausgeht, sollen nicht privilegiert zugelassen werden. Allerdings muss die Solaranlage nicht auch funktionell untergeordnet sein. Die erzeugte Energie muss also nicht selbst im Gebäude verbraucht, sondern darf auch vollständig oder überwiegend in das Netz eines Energieversorgers eingespeist werden.
– Öffentliche Belange dürfen der Solaranlage nicht entgegenstehen. Dies ist z. B. in einem Landschaftsschutzgebiet oder bei einer durch die Solaranlage verursachten Verunstaltung der Landschaft denkbar, in Zukunft allerdings nur noch unter engen Voraussetzungen. Denn bei der Abwägung zwischen den privaten Interessen des Bauherren und den öffentlichen Belangen ist einer vom Gesetzgeber vorgesehenen Privilegierung ein großes Gewicht beizumessen.


Nach den städtebaulichen Vorstellungen des Gesetzgebers soll der Außenbereich grundsätzlich von baulichen Anlagen frei gehalten werden, soweit diese nicht ihrem Wesen nach in den Außenbereich gehören. Das BauGB enthält eine abschließende Liste sämtlicher Vorhaben, die im Außenbereich bevorzugt – also privilegiert – zulässig sind. Hierzu zählen u. a. land- und forstwirtschaftliche Betriebe, standortgebundene der öffentlichen Versorgung dienende Anlagen (Sendemasten, Leitungen etc.), Wasserkraftwerke, Windenergie- und Biomasseanlagen. Zu dieser Liste sollen nach den Plänen der Bundesregierung nun auch Solaranlagen an oder auf Gebäuden hinzukommen.

Keine Auswirkungen hat die geplante Gesetzesänderung hingegen auf Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Diese sollen weiterhin zu den nicht im Außenbereich privilegiert zulässigen Vorhaben zählen. Freiflächenanlagen können nach wie vor nur im Einzelfall – also ausnahmsweise – im Außenbereich zugelassen werden, wenn sie öffentliche Belange nicht beeinträchtigen. Als nicht privilegierte Vorhaben können sie sich weniger stark als die privilegierten Vorhaben gegenüber sonstigen öffentlichen Belangen durchsetzen.

Hintergrund

Die geplante Gesetzesänderung ist nicht nur Teil des Gesetzespakets zur Beschleunigung der „Energiewende“. Sie reagiert auch ausdrücklich auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Beschl. v. 20. 09. 2010, Az. 7 B 985/10).

Das Gericht hatte sich mit der Zulässigkeit einer Photovoltaikanlage zu befassen, die auf dem Dach einer Reithalle im Außenbereich errichtet worden war. Der erzeugte Strom wurde vollständig gegen Entgelt ins Stromnetz eingespeist. Die zuständige Behörde hatte eine Nutzungsuntersagung mit der Begründung erlassen, die Errichtung sei ohne Baugenehmigung und damit formell illegal erfolgt.

Das OVG NRW hielt die Nutzungsuntersagung im Ergebnis für rechtmäßig. Die Reithalle selbst sei zwar als privilegierte landwirtschaftliche Nutzung im Außenbereich zulässig. Allerdings stelle das Anbringen der Solaranlage eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar, weil die Solaranlage ausschließlich gewerblich genutzt werde und im Außenbereich nicht privilegiert sei.

Eine solche Nutzungsänderung liege stets vor, wenn sich die neue Nutzung von der bisherigen Nutzung derart unterscheide, dass sie anderen oder weitergehenden Anforderungen bauordnungs- oder bauplanungsrechtlicher Art unterworfen sei oder sein könne. Dies sei hier der Fall. Zu der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung als Reithalle trete eine gewerbliche Nutzung der Dachfläche hinzu. Diese zusätzliche Nutzung könne – insbesondere mangels Privilegierung – anderen oder weitergehenden Anforderungen bauplanungsrechtlicher Art unterworfen sein als die bisherige Nutzung. Zu beachten sei, dass die ursprünglich privilegierte Nutzung als Reithalle durch die zusätzliche neue Nutzung geändert werde, da der erzeugte Strom nicht in dem landwirtschaftlichen Betrieb selbst genutzt, sondern gegen Entgelt ins Stromnetz eingespeist werde. Die Solaranlage sei auch nicht isoliert für sich zu betrachten. Vielmehr bilde sie mit der Reithalle eine funktional und zudem auch baukonstruktiv untrennbare Einheit, weil sie das Dach des Gebäudes nutze. Der Betrieb der Solaranlage und die geplante Einspeisung der gewonnenen Energie in das öffentliche Netz stelle nach alldem eine eigenständige gewerbliche Nutzung dar.

Die Entscheidung des OVG NRW bedeutet im Ergebnis zwar nicht, dass eine Solaranlage auf einem landwirtschaftlichen Gebäude im Außenbereich nach aktueller Rechtslage per se unzulässig wäre. Im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens wäre allerdings im Einzelfall zu prüfen, ob eine solche Anlage öffentliche Belange beeinträchtigt. Für eine Solaranlage, die einer rein gewerblichen Nutzung dient, könnte es dabei je nach Lage der Dinge schwer werden, sich gegen rein öffentliche Belange – etwa den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes – durchzusetzen. Dies stünde im Widerspruch zum gesellschaftlich wünschenswerten Ziel des Ausbaus erneuerbarer Energien.

Daher sollen nun Solaranlagen an oder auf Gebäuden in die Liste der im Außenbereich privilegierten Vorhaben aufgenommen werden; und zwar unabhängig davon, ob die erzeugte Energie gegen Entgelt ganz oder teilweise ins Netz eingespeist oder im Gebäude selbst verbraucht wird.

Fazit

Solaranlagen auf Dächern oder an Wänden von Gebäuden im Außenbereich sollen künftig einfacher als bisher zugelassen werden können. Insbesondere soll klargestellt werden, dass es bei der Beurteilung der Zulässigkeit solcher Anlagen nicht darauf ankommt, ob der erzeugte Strom gegen Entgelt ins allgemeine Stromnetz eingespeist wird, die Anlage vor dem Hintergrund der noch immer attraktiven Einspeisevergütung letztlich also auch der Gewinnerzielung dient.

Für alle anderen Solaranlagen, also für Freiflächenanlagen und für Solaranlagen auf Dächern von Gebäuden, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder im Innenbereich stehen, bleibt die Rechtslage dagegen unverändert. Solaranlagen auf Gebäuden im Innenbereich oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans sind grundsätzlich zulässig, wenn sie der Art des Baugebiets und möglichen besonderen kommunalen Vorgaben zur Dachgestaltung entsprechen. Freiflächenanlagen und auch Solaranlagen, die den sie tragenden Gebäuden baulich nicht untergeordnet sind, können im Außenbereich weiterhin nur im Ausnahmefall zugelassen werden, wenn sie öffentliche Belange nicht beeinträchtigen.

Dr. Ursula Steinkemper

Dr. Ursula Steinkemper

Partnerin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht CMS Hasche Sigle, Berlin
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