15.07.2011

Leere Kassen machen Kämmerer kreativ

Bettensteuer und Kulturförderabgabe scheitern oft an der Gesetzeslage

Leere Kassen machen Kämmerer kreativ

Bettensteuer und Kulturförderabgabe scheitern oft an der Gesetzeslage

Kurbeitrag plus: Kämmerers Kreativität kennt zwar keine Grenzen – aber 
Altbewährtes ist noch lange nicht ausgeschöpft. | © kaschwei - Fotolia
Kurbeitrag plus: Kämmerers Kreativität kennt zwar keine Grenzen – aber Altbewährtes ist noch lange nicht ausgeschöpft. | © kaschwei - Fotolia

In Zeiten knapper Haushaltsmittel denken immer mehr Kommunen darüber nach, Touristen zur Kasse zu bitten. „Bettensteuer“ und „Kulturförderabgabe“ scheitern aber in Bayern und anderorts auch oft an der Gesetzeslage – da rückt der gute alte Kurbeitrag wieder mehr in den Blickpunkt.

Was fördert die Kulturförderabgabe wirklich?

Unter der Bezeichnung „Kulturförderabgabe“ laufen zum Beispiel Aufschläge auf Übernachtungsrechnungen und Eintrittskarten. Bei der „Kulturförderabgabe“ ist aber schon der Name irreführend, wie Wegner (BayVBl. 2011, 261) für die meisten Fälle zutreffend feststellt, weil hier ein Steuergegenstand nach dem Verwendungszweck benannt wird. Auch aus einem zweiten Grund ist die Bezeichnung irreführend: sie suggeriert nämlich eine Zweckbindung der Einnahmen, die haushaltsrechtlich problematisch ist.

Das OVG Koblenz (Urt. v. 17. 05. 2011, Az: 6 C 11337/10.OVG; 6 C 11408/10.OVG; Revision zum BVerwG zugelassen) sieht dennoch den Grundsatz der Normenwahrheit durch die Bezeichnung einer nicht zweckgebundenen Steuer als „Kulturförderabgabe“ gewahrt. Die Auslegung der betreffenden Normen lasse ja erkennen, dass das Steueraufkommen nur der Verbesserung der allgemeinen Einnahmesituation diene.


Das aber verlangt dem einzelnen Bürger schon ein sehr differenziertes Denken ab und vernachlässigt, dass der Hotelgast das Satzungsrecht der für ihn fremden Kommune kaum zur Kenntnis nehmen kann.

Kulturförderabgabe und Bettensteuer als örtliche Verbrauchs- oder Aufwandsteuern

In Wirklichkeit geht es um örtliche Verbrauchs- oder Aufwandsteuern, die in Bayern nach Art. 2 Abs. 3 KAG der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde und der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern bedürfen, soweit sie erstmalig erhoben werden sollen, was bei diesen aus der Finanznot der Kommunen geborenen neuen Abgaben der Fall ist. Die Übernachtungssteuer bzw. die Abgabe auf Eintrittskarten sind nämlich weder Fremdenverkehrsbeitrag noch Kurbeitrag noch eine Benutzungsgebühr. Es handelt sich vielmehr um eine an die Übernachtung bzw. den Besuch eines Museums oder einer Veranstaltung anknüpfende Aufwandsteuer.

Einer Genehmigung für eine Abgabe auf Eintrittskarten steht in Bayern das Vergnügungssteuerverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG entgegen.

Einer Genehmigung der „Bettensteuer“ steht zunächst schon entgegen, dass Übernachtungen ein menschliches Grundbedürfnis abdecken und insoweit nicht als besonderer Aufwand Steuergegenstand sein können (Petry, Die Weimarer Bettensteuer, Thüringer Exportschlager für leere Staatskassen oder ein Irrweg?, BB 2010, 2860, 2865, VII.), vor allem aber steht ihr das Verbot der Gleichartigkeit mit der bundesrechtlich geregelten Umsatzsteuer entgegen (Art. 3 Abs. 1 KAG iVm. Art. 105 Abs. 2a GG), da wie bei der Umsatzsteuer Quelle das Übernachtungsentgelt ist. Art. 3 Abs. 1 KAG ermächtigt die Gemeinden aber nur, örtliche Aufwand- und Verbrauchssteuern zu erheben, solange und soweit diese nicht bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartig sind.

Das Gleichartigkeitsverbot

Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2 a GG verbietet, auch wenn es nicht so streng ist wie die Beschränkung zur konkurrierenden Gesetzgebung im Art. 72 Abs. 1 GG (BVerfG BayVBl. 1984, 239, 5. zur Zweitwohnungssteuer; BVerfGE40, 56, LS 2, III.3. zum Vergnügungssteuergesetz Nordrhein-Westfalens), bundesweit eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle.

Der Steuerbürger soll dadurch vor Mehrfachbelastungen, übermäßiger und unkoordinierter Besteuerung sowie Belastung gleich durch mehrere Hoheitsträger geschützt werden (Becker, Das (kommunale) Steuerfindungsrecht in Zeiten defizitärer Gemeindehaushalte, BB 2011, 1175, 1179, II.2.b.cc).

Die Kommunen verfolgen mit der „Bettensteuer“ auch keinen über die Einnahmenerzielung hinausgehenden, eine Steuererhebung rechtfertigenden Zweck. Sie wollen kein Verhalten der Gäste oder Hoteliers bewirken, wie die vom Bundesverfassungsgericht deshalb als zulässig angesehene Verpackungssteuer, die Müll vermeiden sollte (BVerfG BayVBl. 1998, 493).

Beeinträchtigung öffentlicher Belange

Wollte man zu Gunsten der Kommunen berücksichtigen, dass eine „Hotelsteuer“ anders als die Umsatzsteuer allein auf die entgeltliche Übernachtung abstellt und nicht die Wertschöpfung des Beherbergungsunternehmers erfasst, sondern allein den Aufwand der übernachtenden Personen, wäre sie jedenfalls unzulässig, weil sie öffentliche Belange beeinträchtigt. Die Gegner solcher Übernachtungs- bzw. Bettensteuern weisen nämlich zu Recht darauf hin, dass der Umsatzsteuersatz für Übernachtungen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zum 01. 01. 2010 vermindert worden ist, was nicht durch eine gleichartige neue kommunale Abgabe konterkariert werden darf. Mit der Absenkung des Umsatzsteuersatzes für Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe wollte der Bundesgesetzgeber den wirtschaftlichen Aufschwung unterstützen. Diese Zielsetzung ist ein öffentlicher Belang, den die ersatzweise Erhebung anderer Abgaben beeinträchtigt.

Das Rechtsstaatsprinzip und die bundesstaatliche Kompetenzordnung verpflichten schließlich die gesetzgebenden Organe aller Ebenen, Regelungen in wechselseitiger Rücksichtnahme aufeinander abzustimmen. Deshalb dürfen konzeptionelle Entscheidungen des zuständigen Gesetzgebers durch auf Spezialzuständigkeiten gründende Einzelentscheidungen eines anderen nicht verfälscht werden (BVerfG BayVBl. 1998, 493). Das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Gebot zur bundesstaatlichen Rücksichtnahme betrifft auch kommunale Rechtssetzungen (BVerwGE 82, 266).

Beruflicher Aufwand ist nicht zu versteuern

Selbst wenn man all diese Hürden, wie das OVG Koblenz, noch nehmen wollte, stellt sich das weitere Problem der beruflich veranlassten Aufwendungen. Hotelbesuche sind ja nicht immer Ausdruck einer besonderen Leistungsfähigkeit. Gerade in größeren Städten machen Geschäftsreisende einen erheblichen Anteil der Übernachtungsgäste aus. Die abgabenrechtliche Behandlung solcher beruflich bedingter Aufwendungen ist umstritten. In der Diensthunde-Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 111, 112, 126 f.) aber grundsätzlich erläutert, dass berufsbedingte Aufwendungen, bei denen der Einzelne keinen Freiraum hat, nicht als Aufwand für die persönliche Lebensführung besteuert werden dürfen. Tolkmitt/Berlit, Not macht erfinderisch, LKV 2010, 385, 391 unter Verweis auf BVerfGE 84, 239 und BVerfGE 110, 94 zur Zweitwohnungssteuer; BVerfG BayVBl.2010, 535) sehen auch keinen gangbaren Weg, Geschäftsreisende von Touristen so zu unterscheiden, dass Verletzungen des Gleichheitsgrundsatzes ausgeschlossen werden können, weil die Gestaltung des Erhebungsverfahrens die Gleichheit im Belastungserfolg nicht gewährleisten kann. Da ein Fehlverhalten der Gäste bei Angaben zum Übernachtungszweck praktisch ohne bedeutsames Entdeckungsrisiko bleibt, sehen Tolkmitt/Berlit eine strukturell angelegte Ungleichmäßigkeit der Rechtsanwendung mit der Folge der Verfassungswidrigkeit der Steuererhebung (BVerfGE 110, 94).

Das OVG Koblenz ordnet allerdings auch beruflich bedingte Aufenthalte der persönlichen Lebensgestaltung zu und hält deshalb die Kulturförderabgaben von Bingen und Trier für rechtmäßig.

Kämmerers Kreativität kennt keine Grenzen

Klamme Kommunen kassieren auch Prostituierte und Bordelle ab. Immer mehr Städte wollen eine „Sex-Steuer“ einführen. Köln und Berlin haben sie schon. Köln soll damit jährlich etwa 1 Mio. € einnehmen. Dortmund überlegt, für Freier eine Ein-Euro-Maut pro Fahrt über den Straßenstrich einzuführen. Wie dies mit dem Allgemeingebrauch von öffentlich gewidmeten Straßen vereinbar sein soll, erscheint mehr als fraglich (Vgl. auch Becker, Das (kommunale) Steuererfindungsrecht in Zeiten defizitärer Gemeindehaushalte, BB 2011, 1175; Rutemöller, Hotelsteuern und Kulturförderabgaben, ZRP 2010, 108; Petry, Die Weimarer Bettensteuer, Thüringer Export-Schlager für leere Stadtkassen oder Irrweg?, BB 2010, 2860).

Für eine Sonderabgabe, wie sie Tolkmitt/Berlit fordern (LKV 2010, 385), fehlt es an der Verfolgung eines Sachzwecks. Die Satzungsbezeichnung „Kulturförderung“ reicht hierfür nicht aus. Selbst eine sonst bekundete Absicht, Mehreinnahmen (schon gar nicht „insbesondere“) für kulturelle Zwecke einzusetzen, bewirkt keine rechtlich verbindliche Zweckbindung des Steueraufkommens (OVG Koblenz aaO. Tz. 21). Eine zweckgebundene, gruppennützige Verwendung der Mittel, die auch für Steuern festgeschrieben werden könnte (BVerfG BayVBl.2004, 622 = BVerfGE 110, 274), müsste haushaltsrechtlich nachvollziehbar sein. Tolkmitt/Berlit fordern deshalb von den Landesgesetzgebern eine Stärkung der kommunalen Finanzhoheit durch Erweiterung des Rechtsrahmens für Sonderabgaben, die nicht unter Art. 105 GG fallen. Aus ihrer Sicht wäre dies bundesrechtlich möglich.

Altbewährtes ist noch lange nicht ausgeschöpft!

Angesichts all dieser offenen Fragen und wohl meist durchgreifender Bedenken sollten auch die Kämmerer finanzschwacher Kommunen solchen Abgaben nicht nähertreten. Gemeinden, die ganz oder teilweise als Heilbad, Kneippheilbad, Kneippkurort, Schrothheilbad, Schrothkurort, heilklimatischer Kurort, Luftkurort oder Erholungsort anerkannt sind, können im Rahmen der Anerkennung zur Deckung ihres Aufwands für ihre Einrichtungen und Veranstaltungen, die Kur- oder Erholungszwecken dienen, einen Beitrag erheben. Dieser Kurbeitrag ist zu unterscheiden vom Fremdenverkehrsbeitrag, den diejenigen entrichten, die Vorteile aus dem Fremdenverkehr ziehen (Hoteliers, Gastwirte, Andenkenhändler, Bäcker etc.). Beide Beiträge können nebeneinander erhoben werden.

Kur-beitragspflichtig sind alle Personen, denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen geboten ist. Wir erinnern uns an den alten Beitrags-Grundsatz: „Schon weil man was benutzen kann, ist man beim Beitragszahlen dran!“

Von den Einnahmen aus dem Kurbeitrag finanzieren die Gemeinden Einrichtungen und Angebote für die Gäste (Loipen, Pisten, Kurkonzerte etc.). Beiträge müssen ja kostendeckend kalkuliert sein; auf Gewinn dürfen sie nicht ausgerichtet sein.

Weil die Gäste kaum zur Gemeinde kommen, um zu bezahlen, wird der Kurbeitrag in der Regel vom Gastgeber mit dem Zimmerpreis pro Nacht erhoben und aufgrund der Meldezettel an die Gemeinde abgeführt. Wer beitragspflichtige Personen beherbergt oder ihnen Wohnraum überlässt, kann in der Satzung verpflichtet werden, die Gäste der Gemeinde zu melden, den Beitrag abzurechnen und an die Gemeinde abzuführen. Für Letzteres können Haftungsbescheide ergehen.

„Kurbeitrag plus“ gegen laxe Abgabenehrlichkeit

Trotzdem bleibt für die Kurorte noch eine gewisse Grauzone. Die Inhaber von Fremdenzimmern melden ihre Gäste nämlich nicht immer an. Die Gäste haben oft wenig Interesse an einer Kurkarte, auch wenn diese gewisse Vergünstigungen bietet. Nur wenn die in der Kurkarte enthaltenen Extras so attraktiv sind, dass viele Gäste darauf nicht verzichten möchten, werden diese ihre Beherbergungsbetriebe zur Abgabenehrlichkeit veranlassen.

Eine in diesem Zusammenhang erwähnenswerte Attraktion ist KONUS. Es steht für KO-stenlose NU-tzung für S-chwarzwaldurlauber und betrifft einen Kurbeitrag plus öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Die KONUS-Gästekarte enthält eine Fahrkarte für den ÖPNV, also einen Verbundfahrschein im tariflichen Sinn für die ÖPNV-Angebote in der Schwarzwaldregion während der gesamten Aufenthaltsdauer. Das Angebot basiert auf Vereinbarungen zwischen den Kommunen, der Schwarzwald-Tourismus GmbH – eine Bahn-Tochter – und den Verkehrsverbünden. Für verbundüberschreitende Verkehre gibt es Sonderregelungen. Die Abrechnung erfolgt für die einzelnen Orte an Hand der Übernachtungszahlen.

Der Gast erhält sie bei der Anmeldung von seinem Beherbergungsbetrieb – sie ist Bestandteil des Meldescheins und wird im Durchschreibverfahren manuell erstellt. Die Gäste haben also keine Wartezeiten beim Fahrkartenerwerb, müssen weder passendes Geld noch Karten bereithalten und sich nicht um Tarifstrukturen kümmern.

Gästekarte ohne Kurschatten

Solche Angebote können auch mit Gästekarten von Kommunen, die nicht zur Erhebung eines Kurbeitrags berechtigt sind, gekoppelt werden. Sie versprechen ja allgemein einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Regionen und Städten, tragen zu einem positiven Umweltimage bei und sogar zur Steigerung der Verweildauer einzelner Gäste. Weil dieses Angebot auch die Urlauber erreicht, die vor allem am Naturgenuss interessiert sind, und Kurkonzerte o.Ä. eher meiden, ist außerdem eine Steigerung der Anmeldeehrlichkeit festzustellen. Dass eine höhere Akzeptanz des ÖPNV bei Touristen auch der Umwelt zugute kommt, bedarf keiner besonderen Ausführungen.

 

Dr. Friedrich Albrecht

Vorsitzender Richter am Bundespatentgericht a. D., München
 

Brigitte Mößner

Diplom-Verwaltungswirtin (FH), Ausbildungsreferat der Stadt München, Dozentin an der Bayer. Verwaltungsschule, Attenkirchen
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