15.07.2011

Endlich korrigiert!

Das BAG erleichtert die sachgrundlosen Befristungen

Endlich korrigiert!

Das BAG erleichtert die sachgrundlosen Befristungen

Durch das TzBfG sollen Befristungsketten verhindert werden. | © Cmon - Fotolia
Durch das TzBfG sollen Befristungsketten verhindert werden. | © Cmon - Fotolia

Die Bestimmungen des § 14 Abs. 2 TzBfG erlauben die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne das Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Höchstdauer von zwei Jahren. Ausgeschlossen ist nach dem Wortlaut von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine sachgrundlose Befristung allerdings dann, „wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.“

Durch diese Regelung sollen Befristungsketten, d. h. eine missbräuchliche Ausgestaltung befristeter Arbeitsverträge verhindert werden. Eine unerwünschte Folge dieser Regelung war aber auch, dass – insbesondere bei größeren Unternehmen – z. B. kurzzeitig beschäftigte Werkstudenten oder Ferienarbeiter nicht mehr befristet ohne Sachgrund angestellt werden konnten, auch wenn diese frühere Tätigkeit mehrere Jahre zurücklag.

Diese Rechtslage, wonach jedes Arbeitsverhältnis, unabhängig davon wie lange es in der Vergangenheit lag und wie lange es bestand, eine spätere Befristung ohne Sachgrund ausschloss, entsprach nicht den legislativen Zielen des Gesetzgebers. Zwar wurden Befristungsketten und der Missbrauch befristeter Arbeitsverhältnisse verhindert bzw. eingedämmt, der Ausschluss eines früheren Arbeitsverhältnisses führte aber in der Praxis häufig zu einem Einstellungshindernis. Dies hat auch die Politik erkannt, so dass im schwarz-gelben Koalitionsvertrag eine Reform der Regelung verankert wurde. Danach sollte nach einer einjährigen Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses eine sachgrundlose Befristung wieder zulässig sein. Eine Umsetzung dieser von der Praxis ersehnten Änderung des Befristungsrechts blieb jedoch bisher aus.


Diesem Zustand wollte das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun nicht mehr länger tatenlos zuschauen. Während es nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG nicht darauf ankam, wie lange eine solche „Zuvor-Beschäftigung“ zurücklag, hat der in 2010 neu besetzte 7. Senat des BAG nunmehr in seiner Entscheidung vom 06. 04. 2011 (BAG, Urt. v. 06.04.2011, Az. 7 AZR 716/09) einem sturen Beharren auf dem Gesetzeswortlaut eine klare Absage erteilt.

Sachverhalt und Entscheidung

Die Klägerin war beim beklagten Freistaat Bayern aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags vom 01. 08. 2006 bis 31. 07. 2008 als Lehrerin beschäftigt. Während ihres Studiums hatte sie vom 01. 11. 1999 bis 31. 01. 2000 insgesamt 50 Stunden als studentische Hilfskraft für den Freistaat gearbeitet. Mit ihrer Klage hat sie sich gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses gewandt. Wenngleich die Klage vor dem BAG ebenso wie schon in den Vorinstanzen keinen Erfolg hatte, kam die Revisionsinstanz zu dem Ergebnis, dass die mehr als sechs Jahre zurückliegende frühere Beschäftigung der Klägerin der sachgrundlosen Befristung ihres Arbeitsvertrags nicht entgegenstehe.

In seiner Entscheidung vom 06. 04. 2011 legte das BAG weiterhin die Zeitspanne, die zwischen den Beschäftigungen verstrichen sein muss, detailliert fest: Danach steht der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, eine frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht entgegen, wenn diese mehr als drei Jahre zurückliegt.

Nach dieser Zeitspanne soll der Gesetzeszweck die Beschränkung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien und die damit verbundene Einschränkung der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers nicht mehr rechtfertigen.

Diese Auffassung begründet das BAG anhand einer an Sinn und Zweck orientierten, verfassungskonformen Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Zutreffend führte die Abwägung zwischen der Missbrauchsgefahr im Falle einer sachgrundlosen Befristung einerseits gegen Einstellungshindernisse durch das Verbot einer „Zuvor-Beschäftigung“ andererseits zu dem nicht zuletzt praxiskonformen Ergebnis. Auch der vom BAG insoweit fixierte Zeitraum von drei Jahren fügt sich nach seiner Auffassung in die gesetzgeberischen Wertungen ein, da mit diesem Zeitraum die regelmäßige zivilrechtliche Verjährungsfrist zum Ausdruck kommt.

Korrektur einer unsinnigen Vorschrift

Grundsätzlich überrascht die Entscheidung des BAG. Dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung zufolge führt jedes vorherige Arbeitsverhältnis dazu, dass ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis nicht mehr vereinbart werden darf. Entgegen seiner bisherigen Auffassung setzt sich das BAG über diesen dem Grunde nach unmissverständlichen Wortlaut hinweg. Die Entscheidung des BAG ist jedoch zu begrüßen, wenngleich die Gefahr von Missbrauchstatbeständen hierdurch natürlich nicht abschließend beseitigt werden kann. Selbst wenn ein die Entscheidung begleitender Beschäftigungseffekt angesichts der aktuell positiven Entwicklung des Arbeitsmarkts eher verpuffen dürfte, so korrigiert die Entscheidung doch eine selbst von der Politik als unsinnig angesehene Vorschrift. Bei Bedarf ist es für den Arbeitgeber möglich, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen mittels befristeter Einstellungen zu reagieren. Auch dem vorbeschäftigten Arbeitnehmer wird auf diesem Weg die Möglichkeit eröffnet, über eine sachgrundlose Befristung den Weg in eine Dauerbeschäftigung einzuschlagen.

So stellte sich nicht nur in der Personalpraxis die Frage, warum beispielsweise ein Aushilfsarbeitsverhältnis, welches während Ferienzeiten für die Dauer eines Monats abgeschlossen wurde, den Abschluss eines ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnisses dauerhaft für alle Zukunft ausschließen sollte. Dies galt umso mehr, wenn die frühere Beschäftigung mit der neuen vorgesehenen Beschäftigung nicht einmal im Ansatz übereinstimmte.

Im Rahmen des Einstellungsverfahrens kann der Arbeitgeber die Recherche nach einer Vorbeschäftigung nunmehr auf den Zeitraum von drei Jahren beschränken. Auch die Speicherung von Beschäftigungszeiten zu diesem Zweck kann zur Vermeidung unliebsamer Überraschungen auf den Zeitraum von drei Jahren begrenzt werden. Gerade in großen Unternehmen war es in der Vergangenheit nur mit sehr hohem Aufwand oder gar nicht ermittelbar, ob jemand vor langen Zeiten bspw. als Ferienjobber beschäftigt war. Zumindest diese Problematik kann nun auf einen zumutbaren Verwaltungsaufwand begrenzt und das Risiko einer unwirksamen Befristungsabrede damit entschärft werden.

Weitere BAG-Entscheidung in Sichtweite

Ob auch ein vorausgegangenes Berufsausbildungsverhältnis eine Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG darstellt, darüber wird das BAG demnächst in einer mit Spannung erwarteten Entscheidung befinden. Ist aktuell eine nahtlose Übernahme eines Auszubildenden beabsichtigt, sollte der Arbeitgeber einstweilen nur eine Befristung mit Sachgrund vorzugsweise gemäß § 14 Abs. 1 Nr.2 TzBfG – Befristung im Anschluss an eine Ausbildung – für maximal ein halbes Jahr in Betracht ziehen.

Fazit

Freilich erweist sich der vom BAG gewählte Zeitraum von drei Jahren als ebenso wenig zwingend wie der Brückenschlag zum Verjährungsrecht. Es erscheint durchaus fraglich, ob der politisch vorgesehene Zeitraum von einem Jahr den vom BAG nunmehr hervorgehobenen Aspekten nicht hinreichend Rechnung trägt. Die intendierte Trennung aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse zur Vermeidung von Kettenbefristungen bedürfte einer Ausdehnung des Zeitraums auf drei Jahre wohl nicht. Dies gilt umso mehr, als auf europäischer Ebene nach dem Beschluss des EuGH vom 12. 06. 2008 (Az. C 364/07 – „Vassilakis u. a.“) bereits ein Zeitraum von drei Monaten als ausreichend anzusehen ist, um eine erneute sachgrundlose Befristung zu vereinbaren. So lange jedoch eine legislative Umsetzung all dieser Aspekte nicht stattfindet, hat das BAG die selbst gewählte Funktion des Ersatzgesetzgebers sach- und praxisgerecht wahrgenommen.

Hinweis der Redaktion: Vgl. dazu auch den Beitrag von Dr. Christian Bloth, Deutscher AnwaltSpiegel 8/2011, S.14 unter www.deutscher-anwaltspiegel.de.

 

Dr. Jörg Richardi

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Haver & Mailänder, Stuttgart
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