15.07.2011

Atomisierung von Windkrafträdern

BFH-Rechtsprechung zu Abschreibungen und Betriebsausgabenabzug

Atomisierung von Windkrafträdern

BFH-Rechtsprechung zu Abschreibungen und Betriebsausgabenabzug

Windpark: mehrere selbstständige 
Wirtschaftsgüter, die aber einheitlich abzuschreiben sind. | © Fossilpopil - Fotolia
Windpark: mehrere selbstständige Wirtschaftsgüter, die aber einheitlich abzuschreiben sind. | © Fossilpopil - Fotolia

Mit rund fünf Milliarden Euro will die Bundesregierung den Bau von Windrädern im Meer künftig fördern. Dank Atomausstieg und Energiewende können nun bei der KfW Kreditmittel für den Bau von Offshore-Anlagen abgerufen werden. Konkret soll das „KfW-Programm Offshore-Windenergie“ bis zu zehn Offshore-Windparks in der Ausschließlichen Wirtschaftszone oder der 12-Seemeilen-Zone der Nord- und Ostsee fördern.

Finanzierung erfolgt zu Marktbedingungen

Umsonst ist dies jedoch nicht: Bei Direktkrediten im Rahmen von Bankenkonsortien beträgt der maximale Kreditbetrag der KfW 400 Mio. Euro pro Projekt, und der Eigenkapitalanteil an der Investition muss mindestens die Hälfte betragen. Die Finanzierung erfolgt zu Marktkonditionen, sowohl hinsichtlich des Zinssatzes als auch der Absicherung der Darlehen, und durch die Kreditaufnahme bei der KfW wird eine weitergehende Förderung aus Mitteln des Bundes ausgeschlossen. Trotzdem wird damit gerechnet, dass die KfW-Förderung zu einem vermehrten Bau von Offshore-Parks führen wird.

Vor dem Hintergrund der zu erwartenden hohen Investitionen ist es zu begrüßen, dass der Bundesfinanzhof (BFH) erst kürzlich in zwei Urteilen (vom 14. 04. 2011) bislang offene Fragen zur steuerlichen Behandlung von Windkraftparks und Windkraftfonds beantwortet hat. In beiden Urteilen des höchsten deutschen Steuergerichts ging es um die Frage, in welchem Zeitpunkt Kosten für die getätigte Investition als steuerlicher Aufwand geltend gemacht werden können. Diese Fragen gewinnen insbesondere aufgrund der Zinsschranke (Begrenzung der sofortigen steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen auf drei Mio. Euro pro Jahr bzw. auf 30 % des Betriebsergebnisses vor Abschreibungen und Zinsen) und der Mindestbesteuerung (Beschränkung der Nutzung von Verlustvorträgen auf einen Höchstbetrag) immer mehr an Bedeutung.


Die Atomisierung von Windkrafträdern

Im ersten BFH-Urteil (Aktenzeichen IV R 46/09, veröffentlicht am 01. 06. 2011) ging es konkret um die Frage, ob ein Windpark aus mehreren selbstständigen Wirtschaftsgütern besteht oder ob die einzelnen Windräder für steuerliche Zwecke in ihre Einzelteile zerlegt werden müssen, und welche Auswirkung dies auf die steuerlich zulässige Abschreibung hat.

Im Urteilsfall war die Klägerin eine Fondsgesellschaft, die vier Windkraftanlagen betreibt. Die Herstellungskosten der Anlage inklusive den Kosten für die Zuwegung und die Verkabelung fasste die Gesellschaft in einer Position als „Technische Anlage“ zusammen und schrieb diese Anlage über 16Jahre ab.

Das Finanzamt war jedoch der Auffassung, dass ein Windpark aus einer Vielzahl von selbstständigen Wirtschaftsgütern mit teilweise unterschiedlicher Nutzungsdauer bestehe. Es ging davon aus, dass die Zuwegung über 19 Jahre, die Windparkverkabelung über 25 Jahre und die Windkraftanlage, die Kompakttrafostation und das Umspannwerk jeweils über 16Jahre abzuschreiben seien.

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein entschied in erster Instanz, dass die Fondsgesellschaft weitgehend Recht hatte. Das Finanzgericht nahm zwar kein einheitliches Wirtschaftsgut an, jedoch sei die Nutzungsdauer der Zuwegung und der Verkabelung der Nutzungsdauer der Windkraftanlage anzupassen und daher ebenfalls über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 16Jahren abzuschreiben. Das Finanzamt war hiermit nicht einverstanden und wandte sich an den BFH.

Dieser beurteilte den Fall wie folgt: Im Ergebnis zutreffend hätte das Finanzgericht den Windpark nicht als einheitliches Wirtschaftsgut beurteilt und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer auf 16Jahre geschätzt. Wird eine bewegliche Sache mit einer oder mehreren anderen beweglichen Sachen verbunden oder zu einer Anlage zusammengestellt, so sei zu entscheiden, ob es sich bei den einzelnen Bestandteilen jeweils noch um ein selbstständiges Wirtschaftsgut handele oder ob die Gesamtheit der unselbstständigen Teile nun ein neues (verbundenes) Wirtschaftsgut darstellt.

Entscheidend seien insbesondere der gemeinsame Zweck, der Grad der Festigkeit der vorgenommenen Verbindung, der Zeitraum für den die Verbindung angelegt ist sowie das äußere Erscheinungsbild.

BFH: Windpark an sich ist kein einzelnes Wirtschaftsgut

Hieraus schließt der BFH, dass ein Windpark an sich zwar nicht ein einzelnes Wirtschaftsgut darstellt, sondern sich aus mehreren Wirtschaftsgütern zusammensetzt. Als einzelnes Wirtschaftsgut gilt hierbei jedoch die Windkraftanlage inklusive des Fundaments, interner Verkabelung einschließlich des jeweiligen Kompakttransformators, der externen Verkabelung einschließlich Übergabestation und der Zuwegung. Hieraus folgt, dass es auch für jedes dieser (verbundenen) Wirtschaftsgüter nur eine einheitliche Nutzungsdauer geben kann. Diese Nutzungsdauer sei nach den tatsächlichen Verhältnissen und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu schätzen. Als Hilfsmittel hierfür stehen Abschreibungstabellen für allgemein verwendbare Anlagegüter (AfA-Tabellen) zur Verfügung.

Anzumerken ist, dass die aktuell anwendbare AfA-Tabelle des Wirtschaftszweiges „Energie- und Wasserversorgung“ für Umformeranlagen eine Nutzungsdauer von 20Jahren vorsieht. Die Windkrafträder des Streitfalls waren laut Gericht erkennbar und maßgeblich durch das Umspannwerk geprägt. Hinsichtlich der durch das Finanzamt und die Betreibergesellschaft übereinstimmend geschätzte kürzere Nutzungsdauer von 16 Jahren sah das Gericht keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Schätzung unzutreffend war und ist daher der Abschreibungsdauer von 16 Jahren für den konkreten Fall gefolgt.

Das Bauherrenmodell und der Windkraftfonds

Das zweite Urteil des BFH (Aktenzeichen IV R 15/09, veröffentlicht am 01. 06. 2011) bezog sich auf einen Windkraftfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. In seinem Leitsatz führt das Gericht aus, dass die Aufwendungen für die Platzierungsgarantie, die Prospekterstellung und -prüfung, für die Koordinierung und Baubetreuung sowie für die Eigenkapitalvermittlung in der Steuerbilanz der Fondsgesellschaft in voller Höhe als Anschaffungskosten und nicht als Aufwand zu behandeln seien, wenn sich die Anleger aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks an dem Fonds beteiligten.

Hierbei lehnt sich der BFH an seine Rechtsprechung zum sogenannten „Bauherrenmodell“ an. Auch hier seien alle Aufwendungen von Anlegern als Anschaffungskosten und nicht als Werbungskosten zu behandeln, wenn sich der Anleger aufgrund eines vorformulierten Vertragswerks beteiligt.

Rechtsprechung zum Gestaltungsmissbrauch beim Bauherrenmodell

Das Steuerrecht kennt den Grundsatz des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten: Wird eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt und fehlen hierfür außersteuerliche Gründe, kann die Folge der ansonsten anwendbaren steuerlichen Regelung nicht umgangen werden. Beim Bauherrenmodell stützt sich die Rechtsprechung daher auf die Überlegung, dass die Beurteilung der Aufwendungen für die Anschaffung nicht davon abhängen kann, ob die Gegenleistung für den Erwerb aufgrund eines Vertrags in einer Summe gezahlt wird, oder ob sie aufgrund mehrerer Verträge, in die der einheitliche Vorgang aus steuerlichen Gründen aufgespalten wird, in Teilbeträgen zu zahlen ist.

Beim Grundstückskauf läge die angemessene Gestaltung in der Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für die Immobilie, so dass die im Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts vereinbarten Provisionen oder Gebühren wie Anschaffungskosten zu werten sind, denn die Fondsgesellschaft und ihre Gesellschafter wollen das Grundstück schließlich in gesamthänderischer Verbundenheit erwerben, bebauen und verwalten, und die einzelnen Teilverträge haben hierbei, bis auf das steuerliche Ziel der sofort abzugsfähigen Betriebsausgabe, keine selbstständige Bedeutung.

Anwendung auf Windkraftfonds

Diese Grundsätze sind laut BFH in gleicher Weise auf Windkraftfonds zu übertragen: Auch beim Windkraftfonds kämen die Grundsätze des Rechtsmissbrauchs zur Anwendung und die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Windkraftanlagen angefallenen Aufwendungen sind daher bereits auf Ebene des Fonds den Anschaffungskosten zuzuordnen.

Die Verteilung dieser Kosten über die Nutzungsdauer des Projekts muss aber nicht immer nachteilig sein. Die in der frühen Phase eines Projekts anfallenden Anfangsverluste können gegebenenfalls durch den jährlichen Höchstbetrag für die Verlustnutzung nur über mehrere Jahre verteilt genutzt werden und auch die Zinsschranke bringt oftmals durch ihre Höchstbetragsberechnung unerwartete Ergebnisse. Alles in allem kommt es auch hier auf die Einzelfallbetrachtung an um abzuwägen, ob die Gleichsetzung des Windkraftfonds mit dem Bauherrenmodell tatsächlich zu größeren Nachteilen führt.

 

Nicole Fröhlich

Steuerberaterin, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Eschborn/Frankfurt am Main
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