02.03.2021

Neue Sanierungschancen für kommunale Unternehmen

Neuregelungen zur geordneten Sanierung außerhalb der Insolvenz in Kraft getreten

Neue Sanierungschancen für kommunale Unternehmen

Neuregelungen zur geordneten Sanierung außerhalb der Insolvenz in Kraft getreten

Die Corona-Pandemie hat auch viele kommunale Unternehmen, zum Beispiel Messegesellschaften, Verkehrsunternehmen oder Bäderbetriebe auf Ebene der Gemeinden sowie Krankenhäuser auf Ebene der Land-/Stadtkreise, in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Angesichts hoher Staatsausgaben, rückläufiger Steuereinnahmen und daraus resultierender Haushaltsprobleme stellt sich für Kommunen zunehmend die Frage, wie mit finanziell angeschlagenen Tochterunternehmen umzugehen ist. Wenn eine Insolvenz von Unternehmen, die für die Kommunen wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen, oftmals politisch nicht gewünscht ist, könnte ein im Januar in Kraft getretenes neuartiges Restrukturierungsverfahren auch für Kommunen neue insolvenzvermeidende Sanierungsmöglichkeiten bieten.

„StaRUG“ – Was steckt dahinter?

Insolvenzen sind zwischenzeitlich ein „gängiges“ Instrument zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Insolvenzen kommunaler Unternehmen blieben in der Vergangenheit eine Randerscheinung. Dies liegt zum einen daran, dass kommunale Unternehmen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform (zum Beispiel Eigenbetriebe, Kommunalanstalten) ggf. rechtsformbedingt nicht insolvenzfähig sind. Aber auch kommunale Unternehmen in privater Rechtsform (GmbH, AG oder GmbH & Co. KG) gingen in den letzten Jahren kaum in die Insolvenz. Ein bundesweit beachteter Fall war die Insolvenz der Verkehrsbetriebe Gera AG im Jahr 2017. Die wirtschaftlichen Folgen einer politisch gewünschten Insolvenzvermeidung für die Kommune liegen auf der Hand: Zur Vermeidung einer Insolvenzantragspflicht müssen Verluste durch den Gesellschafter – unter Beachtung der Vorgaben des EU-Beihilfenrechts – ausgeglichen werden, zulasten des ohnehin stark strapazierten Kommunalhaushaltes.

Der Gesetzgeber hat nun auf Grundlage und in Umsetzung einer EU-Richtlinie ein Gesetzeswerk mit der etwas sperrigen Bezeichnung „Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen“ („StaRUG“) auf den Weg gebracht, das zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist. Wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen steht damit eine weniger öffentlichkeitswirksame Sanierungsoption zur Verfügung, die zugleich aber strukturiert und in geordneten Bahnen verläuft.


Zugangshürde: Drohende Zahlungsunfähigkeit

Das StaRUG-Verfahren wird durch eine schlichte Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem zuständigen Gericht in Gang gesetzt. Die Instrumente des StaRUG können jedoch nur Unternehmen nutzen, bei denen die Zahlungsunfähigkeit droht, aber noch nicht eingetreten ist; zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen bleiben weiterhin verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen. Die Zahlungsunfähigkeit „droht“, wenn das Unternehmen voraussichtlich innerhalb der kommenden zwei Jahre zahlungsunfähig werden wird. Rechnet die Geschäftsleitung damit und strebt sie ein Verfahren nach dem StaRUG an, so ist Eile geboten. Denn: Liegt der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich weniger als ein Jahr entfernt, entfällt die positive Fortbestehensprognose und es steht eine Überschuldung im Raum. Es muss deshalb in jedem Fall eine gewisse Vorbereitungszeit eingeplant werden, die je nach Komplexität des Falles von unterschiedlicher Dauer sein kann.

Sanierungsinstrumente des StaRUG

Wichtigstes Sanierungsinstrument des StaRUG ist der Restrukturierungsplan, eine Art Gesamtvergleich mit den Gläubigern des Schuldners. Entscheidender Vorteil des Restrukturierungsplans gegenüber einer außergerichtlichen Sanierung:  Die Wirksamkeit des Plans erfordert nicht die Zustimmung aller Gläubiger. Es reicht aus, wenn eine Summenmehrheit von 75 Prozent in jeder Gläubigergruppe erzielt wird. Einzelne Gruppen können überstimmt werden, wenn die Mehrheit der Gruppen dem Plan zustimmt. Die Gruppen müssen nach sachgerechten Kriterien gebildet werden; dem Ersteller des Restrukturierungsplans kommt dabei allerdings ein weiter Ermessensspielraum zu, welchen er – wie beim Insolvenzplan auch – durchaus taktisch geschickt nutzen kann. Anders als beim Insolvenzplan kann der Planverfasser nur ausgewählte Gläubiger in den Plan einbeziehen; für die nicht einbezogenen Gläubiger wirkt sich der Plan dann nicht aus. Nicht durch einen Restrukturierungsplan geregelt werden können Forderungen von Arbeitnehmern oder Pensionslasten.

Gläubigern kann zudem durch das Restrukturierungsgericht untersagt werden, Vollstreckungsmaßnahmen und Sicherungsrechte gegenüber dem Schuldner geltend zu machen (sog. Vollstreckungs- und Verwertungssperre). Auf diese Weise ist sichergestellt, dass eine erfolgversprechende Sanierung nicht durch Zwangsmaßnahmen einzelner Gläubiger vereitelt werden kann. Die noch in dem Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, in einem StaRUG-Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen unliebsame Verträge mit Geschäftspartnern durch das Restrukturierungsgericht beenden zu lassen, hat letztlich keinen Eingang in das beschlossene Gesetz gefunden.

Für wen ist das StaRUG geeignet – und für wen nicht?

Erfordert die Sanierung einen Mitarbeiterabbau oder bestehen nachteilige langlaufende Verträge, die es zu beenden gilt, kommt das StaRUG als Sanierungswerkzeug nicht in Betracht. Leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen können gegen den Willen der Vertragspartner nur in der Insolvenz umgesetzt werden. Ebenfalls ungeeignet ist das StaRUG für Unternehmen, die über kein tragfähiges Geschäftsmodell verfügen. Beruhen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dagegen auf einer zu hohen Verschuldung, ist ein Kapitalschnitt notwendig oder droht ein erheblicher Haftungsfall, so bietet das schlanke und kostengünstige StaRUG erhebliche Vorteile gegenüber einem Insolvenzverfahren. Das Verfahren nach StaRUG könnte für Kommunen bei „systemrelevanten“ Unternehmen wie etwa Verkehrsbetrieben, die erst neu in Schienen- oder Businfrastruktur investiert haben, ein möglicher Weg sein, um die Insolvenz zu vermeiden. Im Fall der Verkehrsbetriebe Gera AG hatte die Insolvenz dann auch Folgen für weitere städtische Gesellschaften, die durch ein Verfahren nach StaRUG ggf. vermieden werden könnten. Denkbar wäre eine Restrukturierung im Rahmen eines StaRUG-Verfahrens auch für kommunale Unternehmen im Gesundheitssektor (zum Beispiel Kliniken) oder bei Stadtwerken.

Fazit

Mithilfe der Sanierungsinstrumente des StaRUG kann eine Entschuldung kommunaler Unternehmen auch gegen den Willen einzelner Gläubiger erreicht werden. Das schlanke, kostengünstige und stille Restrukturierungsverfahren kann auch für kommunale Unternehmen mit hohen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten im Einzelfall Sanierungschancen bieten. Um die Sanierungsmöglichkeiten des StaRUG nicht zu verpassen und Haftungsrisiken vorzubeugen, sollte die Liquiditätsentwicklung des kommunalen Unternehmens in jedem Fall genau im Auge behalten und für 24 Monate geplant werden.

 

Dr. Ulrich Lägler

Rechtsanwalt bei Menold Bezler
 

Dr. Frank Schäffler

Partner bei Menold Bezler, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
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