17.05.2021

Muss ein Jobcenter die Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Computers für die Teilnahme am Online-Unterricht übernehmen?

Entscheidung des LSG Thüringen

Muss ein Jobcenter die Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Computers für die Teilnahme am Online-Unterricht übernehmen?

Entscheidung des LSG Thüringen

Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Die Kosten für den Erwerb eines Computers nebst Zubehör stellen einen anzuerkennenden Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II dar, welchen das Jobcenter zu übernehmen hat, entschied das LSG Thüringen mit Beschluss vom 08.01.2021 (Az. L 9 AS 862/20 B ER).

Pandemiebedingte Schulschließung

Die Antragstellerin ist Schülerin der 8. Klasse einer staatlichen Grund- und Regelschule und Bezieherin von SGB II Leistungen. Da coronabedingt kein Präsenzunterricht in der Schule stattfand, sondern lediglich Online-Unterricht angeboten wurde, beantragte die Mutter der Antragstellerin beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für einen internetfähigen Computer mit Bildschirm, Tastatur, Maus und einen Drucker mit Patronen für die Teilnahme am Homeschooling. Das Jobcenter lehnte diesen Antrag jedoch ebenso wie das SG Nordhausen ab. Die Antragstellerin legte dagegen Beschwerde ein.

Das Thüringer Landessozialgericht verpflichtete das Jobcenter im Wege der Einstweiligen Anordnung, der Antragstellerin den Computer nebst Zubehör zur Verfügung zu stellen oder alternativ Kosten in Höhe von maximal 500,00 Euro für die Beschaffung der Geräte zu übernehmen.


Regel- und Mehrbedarf

Der geltend gemachte Bedarf für die Anschaffung eines Computers zur pandemiebedingten Teilnahme am Heimschulunterricht ist nicht i.S.d. § 21 Abs. 1 SGB II im Regelbedarf berücksichtigt. Nach Ansicht des Gerichtes ist der Regelbedarf unter den gegenwärtigen Umständen der Pandemie nicht mehr in realitätsgerechter Weise erfasst.

Nach § 21 Abs. 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer, nicht nur einmaliger Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung der Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Mit der Schulschließung und dem Ende des Präsenzunterrichts sei die Anschaffung eines internetfähigen Computers zur Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin auf Bildung und Chancengleichheit erforderlich geworden. Im Haushalt der Schülerin befinde sich auch kein internetfähiges Gerät, welches für einen Zugriff auf die Schulcloud geeignet sei. Ebenso werde weder von der Schule noch einem sonstigen Dritten ein solches Gerät zur Verfügung gestellt.

Keine bestmögliche Versorgung

Nach Auffassung des Gerichts habe die Antragstellerin jedoch keinen Anspruch auf das von ihr ausgewählte Gerät, dessen Preis sie mit 720,00 Euro exklusive Druckerpatronen angegeben hatte. Das SGB II deckt die Befriedigung einfacher und grundlegender Bedürfnisse, nicht jedoch die bestmögliche Versorgung. Insofern sei es der Antragstellerin zuzumuten, einen kostengünstigen, unter Umständen auch gebrauchten Computer anzuschaffen. Die Verpflichtung aus der Einstweiligen Anordnung könne das Jobcenter entweder durch Zurverfügungstellung eines internetfähigen Endgerätes oder wahlweise auch durch die Übernahme der Kosten für die Anschaffung der genannten Objekte erfüllen. Diese Kosten schätzte das Gericht auf maximal 500,00 Euro.

 
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