15.03.2011

Mediation kodifiziert – Fluch oder Segen?

Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation bleiben unbestimmt

Mediation kodifiziert – Fluch oder Segen?

Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation bleiben unbestimmt

Die „geeignete Ausbildung“ – Schlüssel für das Geschäft mit der Mediation. | © mipan - Fotolia
Die „geeignete Ausbildung“ – Schlüssel für das Geschäft mit der Mediation. | © mipan - Fotolia

Das Ziel des Gesetzes

Im Januar 2011 hat die Bundesregierung den Entwurf des „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ dem Parlament vorgelegt. Zu „Problem und Ziel“ führt der Entwurf aus: „Wesentliches Ziel des Entwurfs ist es, die Mediation und andere Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung zu fördern. Bislang sind die verschiedenen Formen der Mediation weitgehend ungeregelt, nämlich die unabhängig von einem Gerichtsverfahren durchgeführte Mediation (außergerichtliche Mediation), die während eines Gerichtsverfahrens außerhalb des Gerichts durchgeführte Mediation (gerichtsnahe Mediation) und die während eines Gerichtsverfahrens von einem nicht entscheidungsbefugten Richter durchgeführte Mediation (gerichtsinterne Mediation). Für die gerichtsinterne Mediation soll eine ausdrückliche rechtliche Grundlage geschaffen werden. Darüber hinaus ist die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 05. 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen … bis zum 20.05.2011 in deutsches Recht umzusetzen.“

Die Bundesregierung zur vorgeschlagenen Lösung: „Der Entwurf stärkt die Mediation, indem er die Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens durch eine Verschwiegenheitspflicht von Mediatorinnen und Mediatoren schützt und die Vollstreckbarkeit von in einer Mediation geschlossenen Vereinbarung erleichtert. Zudem werden bestimmte Mindestanforderungen an Mediatorinnen und Mediatoren gesetzlich geregelt. Des Weiteren werden wissenschaftlich begleitete Modellprojekte an den Gerichten ermöglicht, um festzustellen, ob und in welchem Umfang es bei der Durchführung einer mit staatlicher Unterstützung geförderten außergerichtlichen Mediation in Familiensachen Einspareffekte im Bereich der Prozesskostenhilfe gibt. Schließlich wird die Möglichkeit einer Verweisung aus dem gerichtlichen Verfahren in die Mediation oder in ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung erweitert und die gerichtsinterne Mediation in der Zivilprozessordnung, dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dem Arbeitsgerichtsgesetz, der Verwaltungsgerichtsordnung, dem Sozialgerichtsgesetz sowie dem Patentgesetz und dem Markengesetz ausdrücklich auf eine rechtliche Grundlage gestellt.“

Das Justizministerium hatte zuvor eine Expertenkommission damit beschäftigt, den Ausgangsentwurf zu verfassen. In dieser Kommission waren alle bedeutenden Organisationen vertreten, die sich dem Thema Mediation verpflichtet fühlen und über einen entsprechenden Auftritt in der Öffentlichkeit verfügen.


Die aufgrund ihrer Mitgliederzahlen wichtigsten Gruppen sind die Bundesrechtsanwaltskammer sowie die drei großen Mediationsverbände (Bundesverband Mediation e. V. – kurz BM; Bundesarbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation – kurz BAFM; Bundesverband für Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt – kurz BMWA).

Wer profitiert vom Geschäft mit der Mediation?

Die Bundesregierung hat den Referentenentwurf weitgehend unverändert übernommen. Dabei hatte es nach Bekanntgabe des Entwurfs im Rahmen der Anhörung viele und bedeutsame Einwendungen gegeben. Auch die interessierte Öffentlichkeit erklärte sich mit dem Entwurf ganz und gar nicht einverstanden. Die hinter diesen Einwendungen stehenden Bedürfnisse und Interessen sind nach meiner Einschätzung: Die Kodifizierung von Mediation (und um die geht es im Kern) nährt die Hoffnung, das Geschäft mit der Mediation könnte deutlich zunehmen. Diejenigen, die um die Möglichkeiten dieser Art der Streitbeilegung wissen, sind sich sicher, dass Mediation ein enormes geschäftliches Potenzial hat (und ich teile diese Einschätzung ausdrücklich).

Die Reaktionen der Presse auf den Gesetzentwurf – häufig an prominenter Stelle – belegen, dass das Thema außergerichtliche Streitbeilegung immer mehr in das Visier der Öffentlichkeit gerät. Da liegt es nahe, eine Reaktion des Marktes als wahrscheinlich anzunehmen. Doch wer profitiert von diesem Geschäft? Es werden vermutlich diejenigen sein, die die Qualitätsvoraussetzungen des Mediationsgesetzes erfüllen. Die naheliegende Frage, wo der Kunde diesen Mediator dann finden kann, beschäftigt die am Geschäft Interessierten ganz besonders. Und wer hat den Daumen auf einer solchen Liste?

Der Gesetzentwurf äußert sich zu all diesen Fragen nicht – genauso wenig wie zuvor der Referentenentwurf. § 5 des Entwurfs hat sich gegenüber dem Ausgangsentwurf nur unwesentlich geändert und lautet jetzt:

§ 5 Aus- und Fortbildung des Mediators

„Der Mediator stellt in eigener Verantwortung durch eine geeignete Ausbildung und eine regelmäßige Fortbildung sicher, dass er über theoretische Kenntnisse sowie praktische Erfahrungen verfügt, um die Parteien in sachkundiger Weise durch die Mediation führen zu können.“

Es bleibt also weiterhin offen, was unter „geeignete Ausbildung“ zu verstehen ist, was „theoretische Kenntnisse sowie praktische Erfahrungen“ bedeuten. Die Mediationsverbände haben Ausbildungsstandards entwickelt, die weitestgehend anerkannt sind. Wenn weder Gesetzentwurf noch vorheriger Referentenentwurf zur Qualität konkreter werden, liegt das daran, dass die Rechtsanwälte und die Richter entscheidend andere Vorstellungen davon haben, was zur Erlangung der notwendigen Qualität erforderlich ist. Um das mit den entscheidenden Werten einmal konkreter zu fassen: Die Mediationsverbände fordern eine Ausbildungszeit von 200 Stunden, die Rechtsanwälte von 90 Stunden und die Richter von 0–20 Stunden. Angesichts der faktischen Macht, die die Bundesrechtsanwaltskammer inne hat, konnten sich die Experten nur darauf einigen, die Qualifizierung von Qualität nicht zu kodifizieren. Stattdessen soll ein Rechtsgebilde auf privater Ebene hierzu Verbindliches festlegen. Dort sollen auch die zugelassenen Mediatoren in einer Liste erfasst und der Öffentlichkeit bekannt geben werden.

Dass sich hieran die Gemüter reiben, ist nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen hält, wie die Mediatoren derzeit organisiert sind. Der Bundesverband Mediation ist mit 1.600 Mitgliedern der größte Verband (anerkannte Mediatoren sind davon allerdings nur rund 700), es folgt die BAFM mit rund 700 Mediatoren und der BMWA mit ca. 400 Mitgliedern. Es ist nicht bekannt, wie groß die Anzahl derjenigen ist, die sich als für Mediation qualifiziert ansehen aber über keine verbandliche Anerkennung verfügen. Von den rund 150 000 Rechtsanwälten sollen etwa ein Prozent, also 1.500 Rechtsanwälte die Zusatzbezeichnung Mediator führen. Über Qualifikation und Qualität sagen diese Zahlen jedoch recht wenig. So haben etwa die vom Bundesverband Mediation anerkannten Ausbilder inzwischen ca. 20.000 Menschen zu Mediatoren ausgebildet, von denen sich nur die erwähnten rund 700 als Mediator BM haben anerkennen lassen. Warum hat die weitaus größere Anzahl der ausgebildeten Menschen auf diese Anerkennung verzichtet? Alle Verbände sind so organisiert, dass die von ihnen anerkannten Mediatoren Vollmitglieder in den Vereinen sein müssen. Die Begründung dafür ist, dass nur so gewährleistet werden könne, dass sich die Mediatoren auch weiterhin qualifizieren, indem sie sich regelmäßig fortbilden (wie es auch der Gesetzentwurf fordert). Anerkennung und Mitgliedschaft bedeuten einmalige (ca. 300 Euro) und dann jährlich fortlaufende Ausgaben (ca. 200 Euro).

Ich kann gut nachvollziehen, dass angesichts dieser Strukturen alle nicht verbandlich organisierten Mediatoren befürchten, ein deutlich schlechteres Standing zu haben, wenn die existierenden Organisationen das Anerkennungsprozedere unter sich regeln. Es ist ja auch richtig, dass die Funktionäre der Verbände ihren Mitgliedern verpflichtet sind.

 

Gerichtsinterne Mediation wird aus dem Markt gedrängt

Zweites Thema, das die Gemüter bewegt, ist die gerichtsinterne Mediation. Die Entwicklung der Mediation in Deutschland verdankt den Richtern viel – die Aktivitäten der Gerichte haben Mediation hoffähig gemacht. Das Volk weiß mittlerweile zwischen Mediation und Meditation zu unterscheiden. Bang fragen sich die nicht-richterlichen Mediatoren, wie sich ihr Markt entwickelt.

Für mich gibt es ein entscheidendes Argument, das die richterliche Mediation auf Sicht aus dem Markt verdrängt. Auf Seite 27 der Gesetzesbegründung heißt es: „Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht existieren jedoch insbesondere für die gerichtsinterne Mediation. Gerichtsintern tätige Mediatorinnen und Mediatoren sind nach wie vor Richterinnen und Richter und als Amtsträger nicht nur den Parteien verpflichtet. Es ist daher gerechtfertigt, dass sie auch weiterhin besondere Anzeigepflichten treffen (zum Beispiel nach § 116 der Abgabenordnung [AO] oder nach § 6 des Gesetzes gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen [SubvG]). Wünschen die Parteien einen umfassenderen Schutz der Vertraulichkeit, steht es ihnen frei, eine außergerichtliche Konfliktbeilegung anstelle der gerichtsinternen Mediation zu wählen.“ Ich werte diese Begrenzung der Verschwiegenheitspflicht der Richter als gutes Argument für die anderen Mediatoren, die Konfliktparteien in die außergerichtliche Mediation zu lotsen.

Fazit

Fluch oder Segen? Es ist gut, dass es ein Gesetz geben wird. Die Reduzierung auf entscheidende Regelungen wie die Verschwiegenheit mit korrespondierendem Zeugnisverweigerungsrecht (vor allem für nichtjuristische Mediatoren wichtig) und die Verankerung im Prozessrecht – einschließlich der Verwaltungsprozessgerichtsbarkeit – schafft einen förderlichen Rahmen. Was daraus wird, bleibt abzuwarten. Im Mai 2011 läuft die die Frist der EU aus. Bleibt es bei der Entwurfsfassung, wird es auch danach noch richtig spannend!

Hinweis der Redaktion: Vgl. auch die Beiträge von Niedostadek/Hoppe, PUBLICUS 2010.1 Seite 36 sowie Viefhaus, PUBLICUS 2010.3 Seite 18 und das Redaktionsgespräch mit Dr. Hans-Peter Meister in PUBLICUS 2010.3 Seite 15.

 
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