15.08.2022

Keine Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios

BGH, Urteil vom 04.05.2022 – XII ZR 64/21

Keine Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios

BGH, Urteil vom 04.05.2022 – XII ZR 64/21

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Bayern« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Bayern« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Der Betreiber eines Fitnessstudios schloss mit einem Kunden einen Vertrag über die Mitgliedschaft mit einer Laufzeit von 24 Monaten ab dem 08.12.2019. Der monatliche Mitgliedsbeitrag, der im Lastschriftverfahren eingezogen wurde, betrug 29 € nebst einer halbjährigen Servicepauschale. Aufgrund der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste das Fitnessstudio in der Zeit vom 16.03.2020 bis zum 04.06.2020 schließen.

Die Monatsbeiträge für die Nutzung des Studios in diesem Zeitraum zog der Betreiber weiterhin vom Konto des Kunden ein. Eine vom Kunden mit Schreiben vom 07.05.2020 erklärte Kündigung der Mitgliedschaft zum 08.12.2021 wurde von dem Studiobetreiber akzeptiert. Mit einem Schreiben vom 15.06.2020 verlangte der Kunde von dem Fitnessstudio die Rückzahlung der per Lastschrift eingezogenen Mitgliedsbeiträge für den Zeitraum vom 16.03.2020 bis 04.06.2020. Als danach keine Rückzahlung erfolgte, forderte er den Betreiber auf, ihm für den Schließungszeitraum einen Wertgutschein über den eingezogenen Mitgliedschaftsbeitrag zu erteilen. Dieser händigte ihm keinen Wertgutschein aus, sondern bot ihm nur eine Gutschrift über die Trainingszeit für den Zeitraum der Schließung an. Dieses Angebot nahm der Kunde nicht an.

Nachdem eine außergerichtliche Einigung nicht möglich war, erhob er Klage beim Amtsgericht (AmtsG), das den Studiobetreiber zur Rückzahlung der Monatsbeiträge für den Schließungszeitraum i. H. v. 86,75 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilte.


Die vom Studiobetreiber gegen dieses Urteil gerichtete Berufung hat das Landgericht (LG) zurückgewiesen. Auch seine Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hatte keinen Erfolg.

Angelegenheit war nach den Grundsätzen der Unmöglichkeit zu beurteilen

Wie der BGH in seiner Entscheidung ausführt, war es dem Betreiber des Fitnessstudios aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie rechtlich unmöglich, dem Kunden die Möglichkeit der vertragsgemäßen Nutzung des Studios zu gewähren und damit seine vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.

Obgleich der Betreiber im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen nur vorübergehend schließen musste, liege aber kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst werden würde. Ein zeitweiliges Erfüllungshindernis sei einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks insgesamt in Frage gestellt sei. Dies sei der Fall, wenn der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könne, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen.

Bei einem Fitnessstudiovertrag werde eine feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart. In diesem Fall schulde der Studiobetreiber seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte nutzen zu können. Der Zweck dieses Vertrags liege in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung eines bestimmten Fitnessziels oder zumindest der Erhaltung einer durch die Fitness bestimmten körperlichen Gesundheit. Aufgrund dieses Vertragsziels sei die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios für den jeweiligen Vertragspartner von entscheidender Bedeutung.

Könne der Betreiber während der Vertragslaufzeit die Nutzungsmöglichkeit zeitweise nicht gewähren, könne der Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Fitnessstudiobetreiber geschuldete Leistung sei deshalb wegen des Zeitablaufs nicht mehr nachholbar und daher unmöglich i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB.

Betreiber des Fitnessstudios konnte sich nicht auf die Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB berufen

Er habe sich nicht darauf berufen können, dass der Vertrag wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen gewesen sei, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen war, hätte verlängert werden müssen. Eine solche Vertragsanpassung werde zwar in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten, treffe aber nicht zu. Die diesbezügliche Rechtsprechung verkenne das Konkurrenzverhältnis zwischen § 275 Abs. 1 BGB und § 313 Abs. 1 BGB.

Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände komme grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimme. Daher scheide die Anwendung von § 313 BGB aus, soweit im jeweiligen Fall der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt sei.

Ein Anspruch des Betreibers auf eine Vertragsanpassung scheide auch aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Regelung bestehe, die die Anwendung der Vorschrift nach § 313 BGB ausschließe. Diese Vorschrift sehe für die Zeit, in der das Studio geschlossen bleiben müsse, eine Gutscheinlösung vor und ermögliche dann eben nicht noch die Anwendung des § 313 BGB. Danach könne der Betreiber in keinem Fall eine Verlängerung der Vertragslaufzeit vom Kunden fordern.

Studiobetreiber hat Rückzahlungspflicht für die per Lastschrift eingezogenen Mitgliedsbeiträge

Der Betreiber war zur Rückzahlung der für die Zeit der coronabedingten Schließungen von den Kunden per Lastschrift eingezogenen Mitgliedsbeiträge verpflichtet. Gem. § 275 Abs. 1 BGB liege hier die Unmöglichkeit der Erbringung seiner Leistungspflicht vor.

Danach komme der Kunde für denselben Zeitraum gem. §§ 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB von seiner Gegenleistungspflicht frei und habe einen Rückzahlungsanspruch. Diesem Anspruch könne der Studiobetreiber auch nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit der Studioschließung verlängere.

 

Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.05.2022 – XII ZR 64/21 –.

Entnommen aus FStBW, Heft 15/2022, Rn. 218.

 

Martin Pfeifer

Rechtsanwalt, Achern
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