02.04.2020

Im Spannungsfeld datenschutzrechtlicher Bestimmungen

Das Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster – Teil 4

Im Spannungsfeld datenschutzrechtlicher Bestimmungen

Das Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster – Teil 4

Im Liegenschaftskataster werden Geodaten vorgehalten. | © darknightsky - Fotolia
Im Liegenschaftskataster werden Geodaten vorgehalten. | © darknightsky - Fotolia

In der aktuellen Beitragsreihe zum Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster und den Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung auf das Vermessungswesen thematisiert der 4. Beitrag der Reihe das Tatbestandsmerkmal der „personenbezogenen Daten“ sowie der „Verarbeitung“. Der erste Beitrag  der Beitragsreihe beschrieb die Ausgangssituation; die folgenden Beiträge thematisierte das Verhältnis von Grundbucheinsichtsrecht zum Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster sowie die einschlägige Rechtsprechung.

Der Einfluss der Datenschutz-Grundverordnung

Nach der Übergangsphase von zwei Jahren wurde die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) am 25. Mai 2018 wirksam. Die Datenschutz-Grundverordnung (nachfolgend DSGVO) gilt als EU-Verordnung – anders als eine EU-Richtlinie – in den Mitgliedstaaten unmittelbar (vgl. Nicklaus, S. (2019): Die Umsetzung datenschutzrechtlicher Vorgaben in der Flurbereinigung. In: zfv – Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement, Heft 4/2019, 144. Jg., S. 246 – 252. DOI: 10.12902/zfv-0266-2019., S. 246 f.). Nationales Recht darf dem höherrangigen EU-Recht nicht widersprechen, sodass auch das nationale Vermessungs- und Katasterrecht den rechtlichen Vorgaben der DSGVO zu entsprechen hat. Ebenso mussten die früher für den Datenschutz maßgeblichen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) bzw. der jeweiligen Datenschutzgesetze der Länder an die DSGVO angepasst werden und haben erheblich an eigenständiger Bedeutung verloren.

Die DSGVO wurde und wird in der Öffentlichkeit und Rechtswissenschaft umfassend diskutiert. Dabei wird die DSGVO insbesondere von der Rechtswissenschaft z.T. sehr kritisch gesehen. Dies mag seine Ursache insbesondere darin haben, dass aus rechtstechnischer Sicht der umfangreichen, wohlklingenden Prosa fehlende inhaltliche Präzision gegenübersteht. Bedauerlicherweise existiert bislang auch noch keine aussagekräftige Rechtsprechung zur Datenschutzgrundverordnung und ihren Auswirkungen auf das amtliche Vermessungswesen. Eine ausführliche Darstellung der umfangreichen Bestimmungen der DSGVO ist an dieser Stelle nicht möglich, so dass nur die für die vorliegend behandelte Fragestellung wichtigsten Punkte in der gebotenen Kürze erläutert werden sollen.


„Sachdaten“ oder „personenbezogene Daten“?

Gemäß Art. 2 Abs. 1 S. 1 DSGVO gilt die Datenschutzgrundverordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Von besonderer Bedeutung ist daher die Definition der Tatbestandsmerkmale »personenbezogene Daten« und »Verarbeitung«. Diese Tatbestandsmerkmale werden in Art. 4 Nr. 1 bzw. Nr. 2 DSGVO legaldefiniert.

Danach sind »personenbezogene Daten« »alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden »betroffene Person«) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann«.

– ANZEIGE –

Vermessungsrecht_Grenzstreit

Von besonderem Interesse für die amtliche Vermessung ist seit Langem die Frage, inwieweit Geodaten als reine – datenschutzrechtlich irrelevante – »Sachdaten« oder als »personenbezogene Daten«, die dem Rechtsregime des Datenschutzrechts unterliegen, zu verstehen sind. Zu dieser Fragestellung haben sich bislang primär die Literatur und Landesbeauftragte für Datenschutz geäußert (etwa im Hinblick auf die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von Luftbildbefliegungen), weniger jedoch die Rechtsprechung, sodass von einer geklärten Rechtslage nicht die Rede sein kann. Es dürfte jedoch unstreitig sein, dass die Daten des Grundbuchs den erforderlichen Personenbezug aufweisen. Nichts anderes dürfte auch für die Daten des Liegenschaftskatasters gelten. Für die dort nachrichtlich erfassten Eigentümerangaben ist der Personenbezug evident, aber auch die Angaben zur Flurstücksgröße, zu dessen Geometrie und Nutzungsart dürften aufgrund der Referenzierbarkeit zu einer natürlichen Person als zumindest personenbeziehbare Daten ebenfalls unter dem Schutzbereich der Datenschutzgrundverordnung stehen.

Gemäß Art. 6 DSGVO ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur möglich, wenn hierfür ein materieller Rechtfertigungsgrund besteht (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Soweit die Gewährung der Einsicht in Grundbuch bzw. Liegenschaftskataster eine Verarbeitung personenbezogener Daten in diesem Sinne darstellen sollte, müsste dies mithin im Sinne der DSGVO auch materiell gerechtfertigt sein. Die DSGVO definiert das Tatbestandsmerkmal »Verarbeitung« als »jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung«.

Die Gewährung der Einsicht in Grundbuch bzw. Liegenschaftskataster dürfte als »Offenlegung durch Übermittlung« bzw. zumindest als »Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung« personenbezogener Daten und mithin als »Verarbeitung« zu verstehen sein. Die Gewährung der Einsicht in Grundbuch bzw. Liegenschaftskataster dürfte auch unproblematisch materiell gerechtfertigt sein. Insoweit ist auf Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO (»die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt«) und Buchstabe e) DSGVO (»die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde«) zu verweisen.

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

Der Autor ist Verfasser des im Richard Boorberg Verlag erschienenen Buchs Vermessungsrecht, Grenzstreitigkeiten und Recht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure.

 

Markus Kriesten

Regierungsdirektor beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg
n/a