05.03.2020

Im Spannungsfeld datenschutzrechtlicher Bestimmungen

Das Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster – Teil 1

Im Spannungsfeld datenschutzrechtlicher Bestimmungen

Das Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster – Teil 1

Im Liegenschaftskataster werden Geodaten vorgehalten. | © darknightsky - Fotolia
Im Liegenschaftskataster werden Geodaten vorgehalten. | © darknightsky - Fotolia

Wie beeinflusst die Datenschutz-Grundverordnung das Vermessungswesen? Können Katasterämter und Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure an der bisherigen – und weitgehend bewährten – Praxis der Einsichtsgewährung festhalten? Aussagekräftige Rechtsprechung gibt es zu dieser Frage (noch) nicht. Die folgende Beitragsreihe erläutert das Einsichtsrecht in das Grundbuch und das Liegenschaftskataster und bringt es in Beziehung zur Datenschutz-Grundverordnung. Der erste Beitrag der Reihe erörtert dazu die Ausgangssituation und die gesetzlichen Grundlagen.

Ausgangssituation

Menschen haben in ihrem Leben zahlreiche Entscheidungen zu treffen. In geodätischen Kreisen geht man davon aus, dass rund 80 % aller Entscheidungen in irgendeiner Form einen Raumbezug haben, ohne dass diese Quote freilich mathematisch zwingend bemessen werden könnte. Es kann dabei um alltägliche, eher triviale Fragestellungen gehen, wie etwa die Frage, welche Runde man beim »Gassi gehen« bevorzugen oder in welchem Supermarkt man den wöchentlichen Einkauf erledigen möchte. Naturgemäß haben aber auch sehr viel bedeutendere Fragestellungen sehr häufig einen Ortsbezug, wie etwa die Wahl des Arbeits- oder Wohnorts. Auch bedeutsame Entscheidungen von Staat und Privatwirtschaft sind regelmäßig mit einem Ortsbezug verbunden, wenn es beispielsweise darum geht, an welchen Orten neue Firmenstandorte eröffnet oder welche Flächen für neue Baugebiete verwendet werden sollen.

Möglichst qualitativ hochwertige Informationen wiederum sind die Grundlage für erfolgreiche Entscheidungen. Liegenschaftsbezogene Informationen finden sich zum einen in den Grundbüchern, zum anderen in den von der amtlichen Vermessung vorgehaltenen Geobasisinformationen. Hinsichtlich Letztgenanntem spielen insbesondere die im Liegenschaftskataster vorgehaltenen Geodaten eine zentrale Rolle. Die im Liegenschaftskataster enthaltenen raumbezogenen Informationen sind unverzichtbare Grundlage für Entscheidungen der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft. Die Durchführung von raumordnenden Verfahren, die Erstellung von Bebauungsplänen, die Verwirklichung privater Bauvorhaben, Standortentscheidungen der Wirtschaft, effektiver Hochwasserschutz oder die Umsetzung der Energiewende sind nur einige wenige Stichworte, die in untrennbarem Zusammenhang mit validen Geodaten stehen.


Die Aufgabe des Grundbuchs besteht darin, die rechtlichen Verhältnisse der Liegenschaften auszuweisen, während das Liegenschaftskataster die Angaben über die tatsächlichen Verhältnisse der Immobilie liefert. Mithin bilden Grundbuch und Liegenschaftskataster zusammen den Nachweis der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse aller Grundstücke im Land und sind durch regelmäßigen Datenaustausch in Übereinstimmung zu halten (Kriesten 2017, S. 93 f. und OLG Hamm, Urteil vom 05.06.2014, Az.: 5 U 207/13).

Im Grundbuch sind insbesondere rechtliche Informationen über Eigentümer (Abteilung 1) sowie Lasten und Beschränkungen des Eigentums, beispielsweise aufgrund von Erwerbsvormerkungen, Nießbrauchsrechten, Dienstbarkeiten und Versteigerungsvermerken (Abteilung 2) oder Grundpfandrechten (Hypothek, Grundschuld, Reallast gemäß Abteilung 3) vorgehalten. Im Liegenschaftskataster werden insbesondere Informationen über die genaue Lage, Geometrie, Flächengröße und Nutzungsart der Liegenschaften erfasst. Vorbehaltlich des Vorliegens entgegenstehender privatrechtlicher Umstände, die sich etwa aus Fragen des gutgläubigen Erwerbs, der Ersitzung, Willensmängeln, fehlender Geschäftsfähigkeit, Mängeln in der Vertretungsmacht oder grundbuchrechtlicher Fehler ergeben können, bestimmt die amtliche Vermessung in Gestalt des Liegenschaftskatasters die Reichweite des Eigentums an Immobilien in räumlicher Hinsicht (Kriesten 2017, S. 49 ff.).

– ANZEIGE –

Vermessungsrecht_Grenzstreit

Aufgrund der enormen Bedeutung von Grundbuch und Liegenschaftskataster ist es nur folgerichtig, dass der Bundesgesetzgeber bzw. die Landesgesetzgeber entschieden haben, den Rechtsverkehr an den in diesen Büchern vorgehaltenen Informationen partizipieren zu lassen.

Gesetzliche Grundlagen

Das Einsichtsrecht in das Grundbuch ist – da es Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist – in § 12 Grundbuchordnung (GBO) geregelt. Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 GBO »ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt«.

Anders als das Grundbuchrecht ist das Vermessungs- und Katasterrecht eine Gesetzgebungsmaterie, die in die Hoheit des Landesgesetzgebers fällt (Kriesten 2017, S. 19). Die Landesgesetzgeber haben das Einsichtsrecht in das Liegenschaftskataster normativ ähnlich ausgestaltet wie es der Bundesgesetzgeber im Hinblick auf das Grundbuch getan hat. So besagt etwa § 2 Abs. 3 Vermessungsgesetz Baden-Württemberg, dass »Geobasisinformationen auf Antrag übermittelt werden, soweit nicht eine Rechtsvorschrift eine Übermittlung oder Veröffentlichung von Amts wegen vorschreibt.« Einschränkend wird in § 2 Abs. 3 S. 2 VermG normiert, dass » Angaben zu den Grundstückseigentümern oder den Erbbauberechtigten übermittelt werden dürfen, wenn der Empfänger ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis dieser Informationen darlegt«. Vergleichbare Regelungen finden sich auch in den katasterrechtlichen Bestimmungen der anderen Bundesländer. Diesbezüglich kann exemplarisch für Nordrhein-Westfalen auf § 14 Abs. 2 VermKatG (NRW), für Bayern auf Art. 11 Abs. 1 VermKatG (Bayern) oder für Niedersachsen auf § 5 Abs. 2 Nr. 2 VermG (Niedersachsen) verwiesen werden.

Gemeinsam ist sämtlichen Bestimmungen, dass das Einsichtsrecht in das Grundbuch bzw. Liegenschaftskataster nicht unbeschränkt ist, sondern stets auf einem »berechtigten Interesse« basieren muss. Wie unschwer zu erkennen ist, hat dies seinen Hintergrund darin, dass bei der Einsicht in Grundbuch bzw. Liegenschaftskataster auch datenschutzrechtliche Aspekte betroffen sind. Dies wird offenkundig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass bspw. die Fragen, ob eine bestimmte natürliche Person Eigentümer eines Grundstückes ist, wie groß dieses und ob es mit einer Grundschuld belastet ist, selbstverständlich den aus datenschutzrechtlicher Sicht erforderlichen Personenbezug aufweist. Dementsprechend weist auch die Rechtsprechung darauf hin, dass bei der Entscheidung über die Gewährung der Einsicht in Grundbuch und Liegenschaftskataster auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Buchberechtigten zu berücksichtigen und mit den Interessen des Einsichtsbegehrenden abzuwägen ist (Kriesten 2017, S. 111 ff.).

Aus datenschutzrechtlicher Sicht unproblematisch ist die Situation freilich in denjenigen Fällen, in denen der Buchberechtigte selbst die Einsicht begehrt.

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

Der Autor ist Verfasser des im Richard Boorberg Verlag erschienenen Buchs Vermessungsrecht, Grenzstreitigkeiten und Recht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure.

 

Markus Kriesten

Regierungsdirektor beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg
n/a