26.03.2020

Im Spannungsfeld datenschutzrechtlicher Bestimmungen

Das Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster – Teil 3

Im Spannungsfeld datenschutzrechtlicher Bestimmungen

Das Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster – Teil 3

Im Liegenschaftskataster werden Geodaten vorgehalten. | © darknightsky - Fotolia
Im Liegenschaftskataster werden Geodaten vorgehalten. | © darknightsky - Fotolia

In der aktuellen Beitragsreihe zum Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster und den Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung auf das Vermessungswesen thematisiert der 3. Beitrag der Reihe die Unterschiede der katasterrechtlichen und der grundbuchrechtlichen Rechtsprechung. Der erste Beitrag der Beitragsreihe beschrieb die Ausgangssituation; der zweite Beitrag thematisierte das Verhältnis von Grundbucheinsichtsrecht zum Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster.

Unterschiede der katasterrechtlichen und grundbuchrechtlichen Rechtsprechung

Beim Vergleich der katasterrechtlichen und der grundbuchrechtlichen Rechtsprechung springt ein Punkt ins Auge. Während die grundbuchrechtliche Rechtsprechung das Einsichtsrecht bei vorgeblichem Kauf- bzw. Mietinteresse unisono verweigert, soweit noch keine Kaufvertrags- oder Mietvertragsverhandlungen stattgefunden haben oder stattfinden, kann nach der übereinstimmenden katasterrechtlichen Rechtsprechung das Einsichtsrecht bereits gewährt werden, wenn die Einsicht zur bloßen Anbahnung derartiger Verhandlungen dient. Das Verwaltungsgericht Berlin begründet diesen Unterschied in seinem o.g. Urteil vom 26.02.2015 mit der Entstehungsgeschichte des Berliner Vermessungsgesetzes und dem diesem Gesetz traditionell zum Ausdruck kommenden besonderen Informationsgehalt des Liegenschaftskatasters. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) rechtfertigt im o.g. Urteil vom 02.04.2019 den Unterschied zur grundbuchrechtlichen Rechtsprechung mit dem unterschiedlichen Inhalt und Informationsgehalt beider Bücher, obwohl es in der gleichen Entscheidung ausführt, dass aus der Entstehungsgeschichte des brandenburgischen Vermessungsgesetzes abzuleiten sei, dass eine »gleiche Gesetzesauslegung und -anwendung wie in der Grundbuchordnung gewährleistet werden soll«. Das Verwaltungsgericht Hannover geht in seinem o.g. Urteil vom 25.11.2014 (bezogen auf das Auskunftsbegehren eines Unternehmens der Windenergiebranche) auf die Problematik gar nicht ein.

Ob die unterschiedliche Rechtsprechung rechtsdogmatisch mehr oder weniger überzeugend ist, liegt im Auge des Betrachters. Logisch zwingend sind die Unterschiede sicherlich nicht. Selbstverständlich könnte umgekehrt auch die grundbuchrechtliche Rechtsprechung in Frage gestellt werden. Soweit bereits Verhandlungen stattgefunden haben, bleibt bei realistischer Betrachtungsweise nur wenig Spielraum für eine Sinnhaftigkeit des Einsichtsbegehrens. Soweit positive Verhandlungen geführt worden sind, dürften die Eigentümer in aller Regel freiwillig bereit sein, ihren Namen (und ggf. andere Informationen) gegenüber dem Kauf-/Mietinteressenten zu benennen. In diesen Fällen besteht keine Notwendigkeit für die begehrte Auskunft. Andernfalls müsste der Wunsch der Eigentümer auf Anonymität auch vom Grundbuchamt respektiert werden, was wiederum dem Einsichtsrecht entgegenstehen würde. Bei nicht bebauten Flächen, die bspw. als Potenzialflächen für Windkraftanlagen in Frage kommen, ist eine Kontaktaufnahme mit den Eigentümern, etwa durch Einwurf eines Interessenbekundungsschreibens in den Briefkasten, faktisch kaum möglich. Auch in diesen Fällen kann durchaus die Frage nach der Sinnhaftigkeit der grundbuchrechtlichen Rechtsprechung, welche auf die Durchführung von Verhandlungen abstellt, gestellt werden.


Im Kern mag es der grundbuchrechtlichen Rechtsprechung darum gegangen sein, einen Sicherungsmechanismus zu implementieren, um ein ausuferndes Einsichtsrecht in den Fällen vorgeblicher Kauf-/Mietbereitschaft zu vermeiden. Es liegt in der Natur der Sache, dass die wahre Motivation des Einsichtsbegehrenden in diesen Fällen kaum plausibel eruiert werden kann. Hier unterscheidet sich die Situation etwa von geltend gemachten erb-, familien- oder nachbarrechtlichen Ansprüchen, bei denen das Grundbuchamt die tatsächlichen Grundlagen, die diesen Ansprüchen zu Grunde liegen, in der Regel durchaus hinterfragen kann.

Ob wahre Kauf-/Mietbereitschaft besteht oder ob es tatsächlich doch um reine Neugier oder andere unsachliche Motive des Einsichtsbegehrenden geht, kann hingegen realistischer Weise vom Grundbuchamt nicht erforscht werden. Damit kann zum einen nicht sichergestellt werden, dass dem Einsichtsbegehren wirklich ehrliche Motive zu Grunde liegen. Zum anderen bestünde auch bei Vorliegen ernst gemeinter Kauf-/Mietbereitschaft die realistische Gefahr, dass Einsichtsbegehren in überbordendem Umfang gestellt werden. Wenn bspw. in Zeiten, in denen Baugrund händeringend gesucht wird, jeder potenzielle Erwerber von Baugrund die Eigentümerdaten des Inhabers eines noch nicht bebauten Baugrundstückes erfragen könnte, müssten dessen personenbezogene Daten ohne dessen Willen an zahlreiche Interessenten, die ihn wiederum mit Anfragen überhäufen könnten, weitergegeben werden.

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Vermessungsrecht_Grenzstreit

Es bleibt bei der weiteren Entwicklung der grundbuch- und katasterrechtlichen Rechtsprechung abzuwarten, ob die Rechtsprechung ihre bisherige Linie bestätigen oder ggf. auch modifizieren wird, etwa in dem nach anderen »Sicherungsmechanismen« gesucht wird.

 

Hinweis der Redaktion: Der folgende Beitrag der Reihe nimmt die EU-Datenschutz-Grundverordnung in den Blick.

Der Autor ist Verfasser des im Richard Boorberg Verlag erschienenen Buchs Vermessungsrecht, Grenzstreitigkeiten und Recht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure.

 

Markus Kriesten

Regierungsdirektor beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg
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