19.03.2020

Im Spannungsfeld datenschutzrechtlicher Bestimmungen

Das Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster – Teil 2

Im Spannungsfeld datenschutzrechtlicher Bestimmungen

Das Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster – Teil 2

Im Liegenschaftskataster werden Geodaten vorgehalten. | © darknightsky - Fotolia
Im Liegenschaftskataster werden Geodaten vorgehalten. | © darknightsky - Fotolia

Wie beeinflusst die Datenschutz-Grundverordnung das Vermessungswesen? Können Katasterämter und Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure an der bisherigen – und weitgehend bewährten – Praxis der Einsichtsgewährung festhalten? In der Beitragsreihe zu diesem Thema erörterte der erste Beitrag  die Ausgangssituation. Im aktuellen Beitrag geht es um das Verhältnis von Grundbucheinsichtsrecht zum Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster und die Darstellung der Rechtsprechung.

Verhältnis von Grundbucheinsichtsrecht zu Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster

Die Rechtsprechung hat sich bislang nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die amtliche Vermessung bei Anfragen, die rein rechtliche Verhältnisse am Grundstück betreffen, wie dies insbesondere bei Angaben über die Grundstückseigentümer der Fall ist, auf eine Vorrangigkeit der Grundbucheinsicht verweisen kann. Ein solcher Verweis erscheint in diesen Fällen insbesondere vor dem Hintergrund vertretbar, dass die Katasterämter die Eigentümerdaten ohnehin nur auf Basis der Mitteilungen der für die rechtlichen Verhältnisse am Grundstück zuständigen Grundbuchämter führen, sodass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfrage gegenüber dem Katasteramt verneint werden könnte. Weiterhin könnte argumentiert werden, dass etwaige Wertungswidersprüche zwischen den Entscheidungen von Grundbuchamt und Katasteramt auf diese Art und Weise vermieden werden könnten. Dementsprechend könnte – soweit man den Schwerpunkt auf die teleologische Auslegung (d.h. Auslegung nach Sinn und Zweck) der landesgesetzlichen Normen setzt – argumentiert werden, dass die Einsicht in das Liegenschaftskataster sich nicht auf sämtliche dort erfassten Angaben erstreckt, sondern sich auf die technischen Angaben beschränkt, für die die amtliche Vermessung originär zuständig ist. Hinsichtlich der Eigentümerangaben, die rechtliche Angaben darstellen, könnte dann auf die Einsicht in das Grundbuch verwiesen werden.

Derzeitiger Stand der Rechtsprechung ist jedoch, dass die Einsicht in das Liegenschaftskataster auch die darin enthaltenen rechtlichen Informationen (Eigentümerangaben) erfasst, was im Ergebnis auch durchaus gut vertretbar erscheint.


Während (veröffentlichte) Rechtsprechung zur Frage des Einsichtsrechts in das Liegenschaftskataster bislang nur äußerst spärlich ergangen ist, existiert umfangreiche Rechtsprechung im Hinblick auf das Recht zur Einsicht in das Grundbuch, ausführlich hierzu Kriesten (2017), S. 111 ff. Wegen der Vergleichbarkeit der Normen im Wortlaut und der ebenso vergleichbaren Sachlage, ist davon auszugehen, dass die grundbuchrechtliche Rechtsprechung – zumindest weitgehend – auf das katasterrechtliche Einsichtsrecht übertragen werden kann.

Darstellung der Rechtsprechung

Ein »berechtigtes Interesse« an der Grundbucheinsicht hat nach allgemeiner Auffassung, wer ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt. Das »berechtigte Interesse« ist umfassender als ein rechtliches Interesse und setzt anders als dieses nicht voraus, dass schon ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen den im Grundbuch Eingetragenen und demjenigen, der die Grundbucheinsicht beantragt, besteht. Ein berechtigtes Interesse besteht insbesondere dann, wenn dieses rechtlicher Natur ist, namentlich dem Antragsteller (aktuell) ein Recht am Grundstück zusteht, aber auch bereits dann, wenn ein anerkennungswürdiges tatsächliches Interesse, insbesondere wirtschaftlicher Art vorliegt. Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. Das berechtigte Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn der Antrag auf Grundbucheinsicht auf wirtschaftlichen Interessen basiert.

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Vermessungsrecht_Grenzstreit

Es obliegt dem Einsichtsbegehrenden, die Gründe vorzutragen, aus denen sich das berechtigte Interesse ergibt. Bloße Behauptungen oder schlagwortartige Formulierungen genügen nicht, vielmehr sind Tatsachen in der Weise vorzubringen, dass das Grundbuchamt zu der Überzeugung gelangt, dass der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt. Dabei sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beleuchten und zu prüfen, ob schutzwürdige Belange des Eigentümers überwiegen. Bei der Auslegung des Begriffs des »berechtigten Interesses« ist auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen, was eine besonders sorgfältige und strenge Prüfung des berechtigten Interesses erforderlich machen kann. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass der Betroffene vor der Einsicht nicht gehört und ihm gegen die erteilte Einsicht auch kein Beschwerderecht zusteht. Daher besteht im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung das Einsichtsrecht nur insoweit, als es zur Umsetzung des berechtigten Interesses unbedingt erforderlich ist und zudem nicht unverhältnismäßig erscheint. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsprechung bislang nicht die Frage aufgeworfen hat, ob bei Abwägung der gegenseitigen Interessen nicht auch der Wille des Buchberechtigten, der grundsätzlich die Dispositionsbefugnis über sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung besitzt, abgefragt werden sollte.

Die Rechtsprechung hat in Anwendung dieser Grundsätze u. a. entschieden, dass das Grundbucheinsichtsrecht in folgenden Fällen bestehen kann:

  • zur Sicherung der Forderung von Bauhandwerkern
  • zum Zwecke der Durchsetzung möglicher erbrechtlicher Ansprüche
  • zum Zwecke der Durchsetzung möglicher familienrechtlicher Ansprüche
  • zur Durchsetzung eines möglichen schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung des Eigentums oder eines dinglichen Rechts am Grundstück
  • im Hinblick auf rechtliche Interessen eines Grundstücksnachbarn, wenn und soweit Umstände vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass die Auskunft zur Vermeidung einer drohenden nachbarschaftlichen Auseinandersetzung dient.
  • zum Zwecke des Abschlusses eines Kaufvertrags, soweit Kaufverhandlungen bereits stattgefunden haben bzw. stattfinden. Soweit jedoch noch keine Kaufvertragsverhandlungen stattgefunden haben, soll nach der grundbuchrechtlichen Rechtsprechung hingegen kein berechtigtes Interesse anzunehmen sein. Die gleichen Grundsätze gelten für den Miet- bzw. Pachtinteressenten.

Das Einsichtsrecht in das Liegenschaftskataster wurde von der Rechtsprechung in folgenden Fällen bejaht:

  • zu Gunsten eines Unternehmens der Windenergie (VG Hannover, Urteil vom 25.11.2014, Az.: 4 A 6492/13). Dabei soll es unerheblich sein, ob die Nutzung von Windenergie bauplanungsrechtlich überhaupt zulässig ist. Hier wird das berechtigte Interesse darin gesehen, dass in einem möglichst frühen Planungsstadium ermitteln werden kann, ob die Eigentümer von Potenzialflächen die Grundstücke für eine Windenergienutzung zur Verfügung stellen würden.
  • zu Gunsten einer als Projektentwicklerin tätigen GmbH, die Katasterunterlagen nebst Eigentümerangaben für 30 Flurstücke zum Zwecke der Durchführung von Kaufverhandlungen wegen einer beabsichtigten Bebauung begehrt (vgl. VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 02.04.2019, Az.: VG 7 K 1062/16).

Abgelehnt wurde das Recht auf Einsicht in das Liegenschaftskataster hingegen – u.a. wegen Unverhältnismäßigkeit – vom Verwaltungsgericht Berlin in einem Fall, in dem eine Grundstücksgesellschaft für eine nicht näher genannte Schweizer Stiftung Eigentümerangaben von mehr als 2600 Anschriften zum Zweck des Erwerbs von Mehrfamilienhäusern begehrt hatte (vgl. VG Berlin, Urteil vom 26.02.2015, Az.: 13 K 186.13).

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

Der Autor ist Verfasser des im Richard Boorberg Verlag erschienenen Buchs Vermessungsrecht, Grenzstreitigkeiten und Recht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure.

 

Markus Kriesten

Regierungsdirektor beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg
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