23.04.2020

Kriminalität in Zeiten der Corona-Krise

Wie die Pandemie sich auf die Kriminalität in Deutschland auswirkt

Kriminalität in Zeiten der Corona-Krise

Wie die Pandemie sich auf die Kriminalität in Deutschland auswirkt

Mit der Krise verändert sich die Kriminalität. | © Mike Triapitsyn
Mit der Krise verändert sich die Kriminalität. | © Mike Triapitsyn

Die Pandemie durch das Virus Covid-19 wirkt sich auch auf die Kriminalität in Deutschland aus. Während Einbrecher in Privathaushalten zurzeit schwierige Bedingungen vorfinden, versuchen Betrüger, bewusst aus der Corona-Krise und der damit verbundenen Angst der Menschen Kapital zu schlagen. Doch auch Frauen- und Kinderschutzverbände sind alarmiert, da die Polizei häufiger zu Einsätzen von häuslicher Gewalt gerufen werde.

Stressbelastung durch soziale Isolation als Gewaltrisiko

Die Corona-Krise ist eine Herausforderung für jeden Einzelnen. Jeder Mensch hat eine persönliche physische und psychische Belastungsgrenze und reagiert auf die mittelfristige Stressbelastung entsprechend unterschiedlich. Durch die plötzliche Wegnahme der Alltagsstruktur und das entweder ständige Zusammensein in der Familie oder durch die Isolation können Erschöpfung und Stresssymptome, depressive Verstimmungen und ein Gefühl der Überforderung herbeigeführt werden. Die wirtschaftlichen Sorgen, die zudem nicht in Hinblick auf ihre Dauer absehbar sind, bringen Menschen in Existenzängste. Doch auch die Überlastung der Helfer kann zu Belastungsstörungen und damit verbunden zu Spätfolgen führen. Das Ausbrechen aus dieser Situation und vor allem aus den Ängsten kann zu einem steigenden Alkoholkonsum, aber auch zu selbstverletzendem Verhalten (im Extremfall zum Suizid) oder zu fremdverletzendem Verhalten führen.

Innerhalb von Familien kann es aufgrund der angespannten Situation zu Gewalt kommen. Dies kann zum einen eine Reaktion auf die Überforderung, Verzweiflung oder auch auf den damit zusammenhängenden, erhöhten Alkoholkonsum sein. Somit könnten nun Familien betroffen sein, in denen es zuvor nicht zu häuslicher Gewalt kam. Doch gerade in belasteten Haushalten, in denen Gewalt bereits ein Problem darstellt, ist eine Zunahme gerade in dieser Zeit realistisch. Denn der Arbeitsplatz, der Kindergarten und die Schule stellen für die Opfer von häuslicher Gewalt eine Art Schutzraum dar, in denen sie temporär vor Gewalthandlungen durch Eltern oder den Partnern sicher sind. Mit den gegenwärtigen Schutzmaßnahmen gegen das Virus wird ihnen dieser sichere Raum notwendigerweise genommen.


Betrugsmaschen in der Krise

Vor allem Betrug gegen ältere Menschen hat seit Jahren Konjunktur. Gerade in der Zeit der Corona-Krise versuchen Kriminelle nun, diese für sich zu nutzen. So geben sich die einen als Angehörige der örtlichen Gesundheitsämter oder des Bundesgesundheitsministeriums aus und fordern Bürger an ihrer Haustür zu einem vermeintlichen Corona-Test auf, der direkt bezahlt werden muss. Auch hier werden bevorzugt ältere Menschen ins Visier genommen. Andere, die sich beispielsweise als Mitarbeiter der Ordnungsämter ausgeben, fordern Personen im öffentlichen Raum wegen vermeintlichem Fehlverhaltens auf, Geldbußen zu zahlen. Solche Betrugsmaschen fallen lokal auf; sodass man davon ausgehen kann, dass Täter und Opfer im gleichen Gebiet leben.

Auch die staatlichen Maßnahmen zur wirtschaftlichen Soforthilfe für Kleinstbetriebe in Not wurden direkt missbraucht. Das Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen nahm deswegen das Antragsformular in der Karwoche von seiner Seite und stoppte vorerst die Zahlungen an Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmer. Nach Angaben der Landesregierung könnten in den Tagen zuvor die Daten von 3.500 bis 4.000 Antragstellern Kriminellen in die Hände gefallen sein. Bereits an Ostern gab es einen neuen Versuch, der diesmal mit deutlich höherem Aufwand und ausgesprochen professionell betrieben wurde: Betrüger bauten den gesamten Webauftritt des Ministeriums nach, inklusive der Betrugs-Warnungen des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministers Andraes Pinkwart (FDP) und dessen Kollege, Innenminister Herbert Reul (CDU). Die nachgebaute Seite wurde in den USA (Arizona) registriert, die Identität der Anmelder ist verschleiert. Das Betrugsprinzip ist in beiden Fällen einfach: Die Täter erbeuten die Daten der Antragssteller durch nachgebaute Antragsseiten und stellen damit selbst die Anträge auf Corona-Soforthilfen. Lediglich die Angabe des Bankkontos ersetzen sie durch sog. Bankdrops, auf die die wirklichen Inhaber keinen Zugriff haben. Solche fallen bereits seit einigen Jahren im Kontext von Online-Fakeshops auf. Das Ausmaß dieses Betruges ist gegenwärtig noch nicht abzusehen. Es verhindert, dass die Menschen, die dringend auf die Hilfen angewiesen sind, ihre Existenzen sichern können.

Fragwürdiger Aufruf zur Plünderung

Während die Corona-Krise nicht nur zu Angst um die Gesundheit führt, sondern viele Menschen vor Existenznöte stellt, scheinen Linksextreme darin die willkommene Chance zu sehen, den „kapitalistischen Körper“ angreifen. Auf der Plattform Indymedia rufen Anonyme User deswegen nicht nur zur Unterwanderung aller Schutzmaßnahmen auf, sondern explizit zu Plünderungen, um einen „revolutionären Beitrag“ zu leisten. Der Aufruf kann unterdessen nicht verifiziert werden, da auf der offenen Plattform jede Person Beiträge einstellen kann, ohne als Nutzer angemeldet zu sein. Zu Plünderungen ist es bislang auch nicht gekommen.

Aktuell regt sich deutschlandweit in der linken Szene der Unmut über Protestverbote aufgrund der Pandemie. Aufrufe, diese am 1. Mai zu brechen, müssen dabei tatsächlich ernst genommen werden. In der als Brennpunkt linksextremer Gewalt bekannten Rigaer Straße in Berlin kam es bereits Ende März einmal mehr zu Ausschreitungen und Gewalt gegen die eintreffenden Polizeibeamten nach einer nicht genehmigten Demonstration. Die Wut über die Verhinderung eines generellen Rechts auf Demonstrationsfreiheit ist ein willkommener Grund generell gewaltaffiner Akteure in Protestbewegungen, Polizisten anzugreifen und Sachschaden im öffentlichen Raum zu verursachen.

Fazit

Kriminelles Verhalten passt sich an die äußeren Gegebenheiten an. So schränkt die Pandemie Kriminalität dann ein, wenn dafür beispielsweise der physische Kontakt von Menschen oder eine Alltagsroutine mit Abwesenheitszeiten von Zuhause notwendig sind. Da die Menschen aufgerufen sind, zuhause zu bleiben, verringert sich entsprechend das Aufkommen von Wohnungseinbruchsdiebstählen ebenso, wie auch das der Taschendiebstähle. Gleichzeitig eröffnet eine Krise neue Möglichkeiten für Verbrecher. Ein relevanter Faktor spielt dabei die Unsicherheit und Angst der Menschen, aber auch die Notwendigkeit, das Land schnell an die (auch wirtschaftlichen) Gegebenheiten anzupassen. Die permanente Informationsflut und uneinheitliche Regelungen erschaffen Betrügern Spielraum.

Die aktuell unsichere Informationslage verunsichert die Menschen und macht sie, auch durch bewusste Falschmeldungen, leichter zu potentiellen Opfern von Verbrechen. Die Polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder (ProPK) hat bereits reagiert und eine Übersicht mit Vorsichtsmaßnamen auf ihre Internetseite gestellt.

Doch auch die Verzweiflung über die Lage und die Sorge um die eigene Existenz und die der Familie können Menschen zu kriminellem Verhalten verleiten. Aktuell sind die Folgen der Pandemie auf die Kriminalität in Deutschland längst noch nicht absehbar. Um das Kriminalitätsverhalten während der Pandemie im Nachgang genauer analysieren zu können, wären Lagebilder des Bundes und der Länder wünschenswert. Zum einen könnten sowohl in Gegenstand, als auch im Vorgehen neue Kriminalitätstrends entstehen, zum anderen ist auch eine Wirkungsevaluation der Gegenmaßnahmen hilfreich für die Verbrechensbekämpfung aufkommender Phänomene.

 

Verwendete Quellen:

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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