16.04.2020

Corona-Krise: Was ist in Kommunen und Ländern derzeit gerichtlich erlaubt?

Ein hoffnungsvoller Ausblick – und ein Überblick über wichtige verwaltungsrechtliche Eilverfahren

Corona-Krise: Was ist in Kommunen und Ländern derzeit gerichtlich erlaubt?

Ein hoffnungsvoller Ausblick – und ein Überblick über wichtige verwaltungsrechtliche Eilverfahren

Bürger können sich auch in Krisenzeiten auf den Staat verlassen.     | © EH Grafik - stock.adobe.com
Bürger können sich auch in Krisenzeiten auf den Staat verlassen. | © EH Grafik - stock.adobe.com

Die Corona-Krise hat noch nie dagewesene Auswirkungen. Der Shutdown durch zahlreiche Pandemieverordnungen inklusive Ausgangsbeschränkungen tangiert alle Bereiche des Lebens: von der Wirtschaft, über das Arbeitsleben bis zum sozialen Leben sind alle Bereiche stark betroffen. Drohen aufgrund der Corona-Krise auch kommunale Pleitewellen?

Die Pressemitteilung des Deutschen Landkreistags lässt in dieser Notlage optimistisch stimmen: Es drohen den Kommunen zwar erhebliche Rückzahlungen und Ausfälle von Steuereinnahmen, hinzu kämen Einnahmeausfälle für Beiträge und Gebühren. Dennoch dürfe man nicht unverantwortlich von einer kommunalen Pleitewelle sprechen. Die Menschen könnten sich auch in Krisenzeiten auf den Staat verlassen. Im Hinblick auf die Kommunalfinanzen sei die Lage zwar ernst, lasse sich aber von Bund und Ländern durch umgehende Sofortmaßnahmen im Griff behalten. Allerdings fordert der Deutsche Landkreistag eine Kompensation von Mindereinnahmen und Mehrausgaben in Höhe von 11,5 Mrd. Euro bis zum Mai.

Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg setzt auf Konjunkturpakete der Bundesregierung, ähnlich wie in den Jahren 2008 und 2009, die zur Unterstützung kommunaler Investitionen außerordentlich erfolgreich waren.


Eilverfahren in Bezug auf Einschränkungen durch das Corona-Virus

Während viele Unternehmen still stehen oder ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen, sind die Gerichte derzeit landauf, landab mit Eilverfahren in Bezug auf Einschränkungen durch das Corona-Virus beschäftigt. Viele Eilverfahren hatten bisher allerdings keinen Erfolg, so z.B. betreffend der vorübergehenden Untersagung von Zusammenkünften in Kirchen, Moscheen und Synagogen (OVG Weimar, Beschluss vom 9.4.2020, Az.: 3 EO 238/20VGH Mannheim, Beschluss vom 7.4.2020, Az.: 1 S 871/20OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8.4.2020, Az.: 11 S 21.11VGH München, Beschluss vom 9.4.2020, Az.: 20 NE 20.704; BVerfG, Beschluss vom 10.4.2020, 1 BvQ 28/20) oder betreffend der Schließung von Fitnessstudios (OVG Weimar, Beschluss vom 8.4.2020, Az.: 3 EO 245/20VGH Mannheim, Beschluss vom 9.4.2020, Az.: 1 S 925/20) und Spielhallen (OVG Münster, Beschlüsse vom 16.4.2020, Az.: 13 B 484/20.NE, 13 B 471/20.NE).

Bei der Schließung von Läden, die nicht nur der Grundversorgung dienen und die z.B. nur Weine (VG Aachen, Beschl. v. 3.4.2020, Az. 7 L 259/20) oder Feinkost (OVG Weimar, Beschluss vom 7.4.2020, Az.: 3 EO 236/20) anbieten, ist dagegen dem Antragsteller Recht gegeben worden. Die Einzelhändler dürfen aber nach wie vor nicht wieder öffnen (OVG Münster, Beschluss vom 6.4.2020, Az.: 13 B 398/20.NE, anhängig noch ein Eilantrag der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH, Az.: 13 B 484/20.NE;  OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 17. April 2020, Az.: OVG 11 S 22/20, OVG 11 S 23/20, OVG Greifswald, Beschluss vom 17.4.2020, Az.: 2 KM 333/20 OVG).

Das Verbot der Anreise zu der eigenen Zweitwohnung aus touristischem Anlass im Landkreis Ostprignitz-Ruppin wurde wiederum aufgehoben (OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 7.4.2020, Az.: OVG 11 S 15.20, OVG 11 S 16.20).

Dagegen waren sämtliche Verfassungsbeschwerden gegen die allgemeinen Maßnahmen der Länder erfolglos, nicht nur wegen der Vorrangzuständigkeit niedriger Instanzen (in Nordrhein-Westfalen: VerfGH Münster, Beschluss vom 6.4.2020, Az.: 32/20.VB-133/20.VB-2; in Sachsen: OVG Bautzen, Beschluss vom 7.4.2020, Az.: 3 B 111/20; in Hessen: VGH Kassel, Beschluss vom 8.4.2020, Az.: 8 B 910/20.N). Zur Bayerischen Ausgangsbeschränkung wurde sogar das Bundesverfassungsgericht angerufen, das aber letztlich auch den Eilantrag abgelehnt hat (BVerfG, Beschluss vom 7.4.2020, Az.: 1 BvR 755/20). Nach Auffassung des BVerfG war der Antrag zwar nicht wegen des Grundsatzes der Subsidiarität unzulässig, da die vorherige Anrufung der Fachgerichte derzeit offensichtlich aussichtslos ist, denn diese haben bereits in anderen Verfahren den Erlass einstweiliger Anordnungen abgelehnt. Er sei aber unbegründet. Denn die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung ergäben, wenn sich die angegriffenen Maßnahmen im Nachhinein als verfassungswidrig erwiesen, seien zwar von besonderem Gewicht. Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Maßnahmen außer Kraft träten, sich aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würden. Die Gefahren für Leib und Leben wiegen hier schwerer als die Einschränkungen der persönlichen Freiheit.

Ähnlich haben die Gerichte abgewogen bei dem Eilantrag gegen das Besuchsverbot eines Pflegewohnheimes (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.4.2020, Az.: 11 S 14/20) oder der Jenaer Maskenpflicht bei Benutzung des ÖPNV oder dem Betreten von Verkaufsstellen (VG Gera, Beschluss vom 3.4.2020, Az.: 3 E 432/20 Ge). Hier überwogen jeweils der Schutz des Lebens und die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung die vorübergehenden Freiheitsbeschränkungen.

Eines der höchsten Güter in unserer Demokratie, nämlich das Versammlungsrecht, stand ebenso auf dem Prüfstand. Hierauf bezogen hat der VGH Kassel entschieden, dass eine angekündigte Versammlung zum Thema „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen!“ unter Auflagen erlaubt ist (VGH Kassel, Beschluss vom 14.4.2020. Az.: 2 B 1031/20). Maximal 50 Demonstranten – mit einem Abstand voneinander von jeweils 1,50 m – dürfen laut Auflagen des Gerichts auf einem städtischen Platz von 14 Uhr bis 18 Uhr unter strenger Ordneraufsicht demonstrieren. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht das Versammlungsverbot der Stadt aufgehoben und die Stadt zur Nachbesserung aufgefordert (BVerfG, Beschluss vom 15.4.2020, Az.: 1 BvR 828/20).

 

 

 

Corinna Wilde

Ass. jur., Lektorin, Richard Boorberg Verlag
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