20.04.2020

Berliner Mietendeckel: Summarisch geprüft

Keine vorläufige Außerkraftsetzung der Bußgeldvorschriften durch das BVerfG

Berliner Mietendeckel: Summarisch geprüft

Keine vorläufige Außerkraftsetzung der Bußgeldvorschriften durch das BVerfG

Die Frage, ob das MietenWoG Bln gegen die Verfassung verstößt, ist offen. | © holger.l.berlin - stock.adobe.co
Die Frage, ob das MietenWoG Bln gegen die Verfassung verstößt, ist offen. | © holger.l.berlin - stock.adobe.co

Ein Eilantrag gegen den Berliner Mietendeckel scheiterte jetzt vor dem  Bundesverfassungsgericht. Die Richter lehnten den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung des Vollzugs der einschlägigen Bußgeldvorschriften ab.

Die Ausgangssituation

Am 23. Februar 2020 trat das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin („MietenWoG Bln“) in Kraft. Das Gesetz regelt verschiedene Aspekte zur Mietenbegrenzung. Insbesondere darf in Bestandsmietverhältnissen keine höhere Miete als die Stichtagsmiete vom 18. Juni 2019 verlangt werden. Wurde die Wohnung zwischen dem Stichtag und dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln erstmals oder neu vermietet, so darf nur diese vereinbarte Miete verlangt werden. Für Neuvermietungen ab dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln gelten Obergrenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Zudem dürfen ab dem 23. November 2020 in bestehenden Mietverhältnissen keine Mieten gefordert werden, die mehr als 20 % oberhalb der gesetzlich festgelegten Obergrenzen liegen. Modernisierungsmaßnahmen dürfen nur noch in gesetzlich festgelegten Fällen auf die Miete umgelegt werden und auch nur bis max. 1 € pro m2 insgesamt. Außerdem muss die Mieterhöhung zuvor bei der Investitionsbank Berlin angezeigt werden.

Des Weiteren unterliegen Vermieter und Vermieterinnen verschiedenen Mitteilungspflichten. Insbesondere müssen sie Mietern die Berechnungsgrundlage für die jeweils geltende Obergrenze bis zwei Monate nach Inkrafttreten des MietenWoG mitteilen.  Außerdem müssen sie sowohl den Behörden als auch den Mietern und Mieterinnen auf Verlangen und bei neuen Mietverhältnissen immer im Voraus die Stichtagsmiete mitteilen.


Die Konsequenzen eines Gesetzesverstoßes

Verstöße gegen das Gesetz stellen gemäß § 11 MietenWoG Bln Ordnungswidrigkeiten dar. Das Bußgeld beträgt bis zu 500.000 €.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Mit Beschluss vom 10. März hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. März – 1 BVQ 15/20 -) den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung des Vollzugs des § 11 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 und Abs. 2 MietenWoG Bln abgelehnt.

Grundsätzlich ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 32 Abs. 1 BVerfG möglich, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt notwendig ist. Auch wichtige Gründe des Allgemeinwohls können den Erlass einer einstweiligen Anordnung gebieten. Es muss jedoch eine Folgenabwägung vorgenommen werden. Soweit durch die einstweilige Anordnung die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes bewirkt wird, sind die hieran anzulegenden Maßstäbe besonders streng. Das hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung mehrfach bestätigt. Abzustellen ist insbesondere darauf, ob die Folgen des Gesetzes irreversibel sind oder nur unter sehr schweren Voraussetzungen rückgängig gemacht werden können.

Zu beachten ist hierbei, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht eine Entscheidung in der Hauptsache ersetzt. Es handelt sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes. Das bedeutet, dass die Prüfung durch das Gericht nur summarisch erfolgt.

Vorliegend soll eine Verfassungsbeschwerde gegen das MietenWoG Bln eingereicht werden, die aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts nicht offensichtlich unbegründet ist.

Im Rahmen der Entscheidung über die Aussetzung des Vollzugs der Vorschriften über die Ordnungswidrigkeiten gemäß § 11 MietenWoG Bln nimmt das Bundesverfassungsgericht unter Berücksichtigung des strengen Maßstabs die Folgenabwägung vor. Hierbei legt es einerseits die Konsequenzen zugrunde, die ein Verstoß gegen das Gesetz aufgrund der darin angeordneten Rechtsfolgen für Vermieter und Vermieterinnen hat. Andererseits wird berücksichtigt, welche Folgen die Außervollzugsetzung der Vorschriften hat, sollte das MietenWoG in dem sich anschließenden Verfahren für verfassungsgemäß erachtet werden.

Das Bundverfassungsgericht erkennt die schweren Folgen, die ein Verstoß gegen das MietenWoG Bln für die einzelnen Vermieter und Vermieterinnen hat. Insbesondere berücksichtigt es auch das hohe Risiko, dem Vermieter und Vermieterinnen ausgesetzt sind, sollten sie Fehlentscheidungen treffen. Andererseits stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass Vermieter und Vermieterinnen bereits viele der im MietenWoG Bln festgelegten Faktoren, wie beispielsweise Ausstattungsmerkmale, aus der Gesetzgebung zur Mietpreisbremse kennen und daher mit vielen Regelungen und deren Auslegung vertraut sind.

Des Weiteren stellt das Bundesverfassungsgericht darauf ab, dass die Verhängung eines Bußgelds nicht zwingend sei. Vielmehr könne die zuständige Behörde davon absehen, sollten Vermieter und Vermieterinnen erkennbar überfordert sein und nur fahrlässig gehandelt haben.

Das Bundesverfassungsgericht hebt zudem hervor, dass Mietabsenkungen erst ab dem 23. November 2020 Wirkung entfalten, da das MietenWoG insofern regelt, dass diese Vorschrift erst neun Monate nach Verkündung des Gesetzes in Kraft tritt. Insofern können sich Vermieter und Vermieterinnen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts rechtzeitig mit den Vorschriften vertraut machen. Auch ist es Vermietern und Vermieterinnen unbenommen, für Neuvermietungen eine höhere Miete zu vereinbaren, sollte das MietenWoG Bln insgesamt oder teilweise für verfassungswidrig befunden werden.

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Vorschriften über die Ordnungswidrigkeiten nicht dazu führen, dass Vermieter und Vermieterinnen in existenzbedrohende Notlagen geraten können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich Vermieter und Vermieterinnen an das Gesetz halten können und somit die Ordnungswidrigkeitentatbestände nicht eingreifen. Auch macht der Spielraum, den das Verwaltungsrecht beim Verhängen von Bußgeldern eröffnet, es möglich, dass individuell auf Einzelfälle Rücksicht genommen werden kann.

Letztlich bleibt auch der Verwaltungsrechtsweg für Vermieter und Vermieterinnen eröffnet, so dass sie nicht rechtsschutzlos gestellt sind.

Im Gegensatz hierzu steht aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts der Nachteil, dass bei Außervollzugsetzung der Vorschriften über die Ordnungswidrigkeiten die Vermieter und Vermieterinnen sich nicht an die im MietenWoG Bln geregelte Mietenbegrenzung und die damit zusammenhängenden Pflichten, auch die Mitteilungspflichten, halten würden, so dass die Wirkung des Gesetzes, bezahlbaren Wohnraum für die Bevölkerung mit geringen und mittleren Einkommen zu sichern, ins Leere läuft. Dieser erhebliche Nachteil würde auch nicht dadurch kompensiert, dass die Mieter und Mieterinnen den Rechtsweg gegen die Vermieter und Vermieterinnen beschreiten könnten. Zwar hätten sie die Möglichkeit, die Vermieter und Vermieterinnen auf Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Mieten und der Mitteilungspflichten zu verklagen, aber sie würden voraussichtlich aufgrund der angespannten Situation des Wohnungsmarktes darauf verzichten.

Das Bundesverfassungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Nachteile, denen Vermieter und Vermieterinnen durch die in § 11 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 und Abs. 2 MietenWoG Bln getroffenen Regelungen ausgesetzt sind nicht in erheblichem Maße die Nachteile überwiegen, die durch eine Anordnung zur Außervollzugsetzung eintreten würden. Dies ist aber für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zwingend erforderlich.

Abschließende Würdigung

Von entscheidender Bedeutung ist, dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts auf Basis einer summarischen Prüfung ergangen ist und nur den Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Gegenstand hatte. Nicht entschieden ist hingegen die Frage, ob das MietenWoG Bln formell und materiell verfassungsgemäß ist, mithin ob das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des Gesetzes hatte und ob das Gesetz in dieser Form gegen die Verfassung verstößt. Dies bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Auf Landesebene haben sich dazu bereits das Amtsgericht Charlottenburg (AG Charlottenburg, Urteil vom 04. März 2020 – 213 C 136/19 -) und das Landgericht Berlin (LG Berlin, Beschluss vom 12. März 2020 – 67 S 274/19 -) geäußert. Das LG Berlin hat entschieden, das Verfahren auszusetzen und die Rechtsfrage im Wege der konkreten Normenkontrolle dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

 

Prof. Dr. Karola Knauthe, LL.M. (Innsbruck)

Professur für Immobilienrecht mit den Schwerpunkten Immobilienwirtschaft, Immobiliensteuerrecht und öffentliches Immobilienrecht
n/a