05.06.2023

Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes

Der Klimaschutzplan 2050

Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes

Der Klimaschutzplan 2050

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung stellt die zentrale Rolle der Wälder und ihrer nachhaltigen Bewirtschaftung für die Erreichung der nationalen Klimaverpflichtungen heraus. Allein durch die fotosynthetische Bindung von CO2 in Biomasse werden jährlich ca. 7 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland gebunden.

Zu dieser Senkenleistung der Wälder kommt die Klimaschutzleistung durch den Holzproduktespeicher sowie durch die Energie- und Materialsubstitution hinzu (vgl. LTDrs. 17/14204). Insoweit besteht ein erhebliches Bundesinteresse am Erhalt und an der Verbesserung der Klimaschutzleistung der Wälder.

Die Ökosystemleistungen der Wälder umfassen, neben dem Klimaschutz, insbesondere die Luftreinhaltung, den Wasser- und Bodenschutz, die Sicherung der Biodiversität, den Schutz vor Erosion, Lawinen und Hochwasser, die Erholung der Menschen, den Tourismus, die nachhaltige Rohstofflieferung sowie die Stärkung der regionalen Wirtschaft und der Arbeitsplätze (vgl. BT-Drs. 19/27164, BT-Drs. 19/28789, LT-Drs. 17/ 11347).


Um die Klimaschutzleistung und die übrigen Ökosystemleistungen zu erhalten, müssen die Wälder an den rasch fortschreitenden Klimawandel angepasst werden. Denn nur gegenüber Klimaveränderungen resiliente Wälder können ihre Leistungen für die Gesellschaft dauerhaft erbringen. Eine Risikoanalyse des Thünen-Instituts aus dem Jahr 2021 stellt fest, dass 25 % der Waldfläche in Deutschland aufgrund der Baumartenzusammensetzung besonders empfindlich gegenüber Trockenheit bzw. Dürreereignissen sind.

Die Bewirtschaftung durch die Waldbesitzenden spielt die entscheidende Rolle, um die Klima- und Biodiversitätsziele in der Fläche zu erreichen. In Deutschland werden bislang die Aufwendungen für den Erhalt des Waldes und seiner Ökosystemleistungen von den Waldbesitzenden ganz überwiegend aus den Einnahmen des Holzverkaufs finanziert.

Die immensen, klimawandelbedingten Schäden, die als Folge von Dürre, Hitze und Borkenkäferbefall im Jahr 2018 erstmals auftraten und sich in den Folgejahren fortsetzten, führen bundesweit zu der Notwendigkeit, dieses Finanzierungsmodell neu auszurichten. Zentraler Bestandteil ist dabei eine auf Dauer angelegte gesellschaftliche Honorierung der Ökosystemleistungen in Form wiederkehrender, liquiditätssichernder Zahlungen.

Die rheinland-pfälzische Walderklärung der Landesregierung und der Interessenvertretungen der Waldbesitzenden spricht bereits im Jahr 2019 eine angemessene Teilhabe von Wald und Forstwirtschaft an den durch eine CO2-Bepreisung eingenommenen Mitteln an. Ein im Januar 2020 vorgelegtes Umsetzungskonzept des Landes Rheinland- Pfalz zur bundesseitigen Honorierung der Ökosystemleistungen der Wälder hebt auf die jährliche durchschnittlich pro Hektar nutzbare Holz-Zuwachsleistung von 8,8 m3 über alle Waldbesitzarten und Baumarten ab und verknüpft diese mit dem jeweils gültigen CO2-Preis (vgl. LT-Drs. 17/11347).

Mit jedem Kubikmeter Holz wird ca. 1 Tonne CO2 gebunden. Die „Wald-Klimaprämie“, die bundesweit in einer Größenordnung von rd. 2 Mrd. € jährlich liegen würde, soll nach rheinland-pfälzischem Vorschlag an die Einhaltung und Kontrolle festzulegender übergesetzlicher Standards bei der Waldbewirtschaftung gebunden werden. Sie steht auch stellvertretend für die übrigen Ökosystemleistungen. Als Finanzierungsquelle wird der Energie- und Klimafonds (heute: Klima- und Transformationsfonds) vorgeschlagen. Auf diesem Weg soll eine verursachergerechte Beteiligung der Treibhausgasemittenten an den klimawandelbedingten Schäden in den Wäldern erreicht werden.

Ausgestaltung des Honorierungssystems

Der Bundestag hat mit seinem Beschluss „Ein vitaler, klimastabiler Wald nutzt allen – Ökosystemleistungen ausreichend honorieren“ (BT-Drs. 19/28798) vom 22.04.2021 die politischen Weichen gestellt. Als Anforderungen an ein Honorierungssystem werden u. a. genannt:

  • Bei der Honorierung handelt es sich um eine Zahlung, welche an Bedingungen geknüpft ist, also von tatsächlich dauerhaft und netto erbrachten Leistungen auf der Fläche abhängt, und ohne die ein Zuwachs von Ökosystemleistungen nicht erzielt werden kann.
  • Die Honorierung setzt ausreichend Anreize, damit die Waldbesitzenden den Zuwachs und den Verlust an Ökosystemleistungen als einkommensrelevant verfolgen.
  • Bei der Honorierung handelt es sich um ein dauerhaft zu etablierendes System, welches langfristige Perspektiven für die nachhaltige Waldbewirtschaftung liefert.
  • Die Honorierung beinhaltet eine Verpflichtung der Waldbesitzenden, während einer vorab definierten Laufzeit ein bestimmtes nachhaltiges Waldmanagement vorzunehmen und einer verlässlichen Kontrolle zu unterwerfen.
  • Die Honorierung ist an eigene Standards gebunden, die eine Verbesserung von Ökosystemleistungen des Waldes, die Anpassung der Waldökosysteme an den Klimawandel und den damit verbundenen Waldumbau als wichtige Klimaschutz- und Biodiversitätsmaßnahmen einfordern.
  • Die Honorierung wird so gestaltet, dass die richtige Balance zwischen der Honorierung von Managementleistungen zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung, zum biodiversitätsfördernden Waldumbau und der Honorierung der Klimaschutzleistung des Waldes erfolgt.
  • Die Honorierung soll mit keinen Doppelkompensationen verbunden sein.

Das Klimaschutz-Sofortprogramm 2022 sieht u. a. „finanzielle Anreize für zusätzliche Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen im Wald“ vor. Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene für die Jahre 2021 bis 2025 legt fest, dass konkrete, über die bisherigen Zertifizierungssysteme hinausgehende Anforderungen an zusätzliche Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen honoriert werden. Die Waldbesitzenden sollen dadurch in die Lage versetzt werden, ihre Wälder klimaresilient weiterzuentwickeln und, wenn nötig, umzubauen oder die Neu- und Wiederbewaldung zu unterstützen. Die Thematik war regelmäßiger Tagungsordnungspunkt der Agrar- sowie der Umweltministerkonferenzen des Bundes und der Länder; die Sonder-Agrarministerkonferenz vom 16.05.2022 widmete sich speziell dem Thema „Wald“.

Im Ergebnis ist im Sondervermögen Klima- und Transformationsfonds ein neuer Haushaltstitel, „Honorierung der Ökosystemleistung des Waldes und von klimaangepasstem Waldmanagement“, eingerichtet worden. In der Haushaltsplanung für die Jahre 2022 bis 2026 sind für den Titel insgesamt 900 Mio. € eingeplant, davon jeweils 200 Mio. € für die Jahre 2022 bis 2025 und 100 Mio. € für das Jahr 2026.

Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“

Die „Richtlinie für Zuwendungen zu einem klimaangepassten Waldmanagement“ vom 28.10.2022 (Bundesanzeiger AT 11.11.2022 B1) ist am 12.11.2022 in Kraft getreten. Ab dem Jahr 2022 werden kommunale und private Waldbesitzende seitens des Bundes mit dem Ziel unterstützt, Wälder mit ihrem wertvollen Kohlenstoffspeicher zu erhalten, nachhaltig und naturnah zu bewirtschaften und gegen die Folgen des Klimawandels stärker anzupassen. Gegenstand der Förderung ist die nachgewiesene Einhaltung von übergesetzlichen und über die Standards der Zertifizierungssysteme PEFC und FSC hinausgehenden Kriterien für ein klimaangepasstes Waldmanagement. Eine Additionalität besteht insbesondere gegenüber dem vorrangig in der Fläche umgesetzten PEFC-Standard. Gefördert werden kommunale und private Waldbesitzende, die sich – je nach Größe ihrer Waldfläche – dazu verpflichten, die folgenden 11 bzw. 12 Kriterien eines klimaangepassten Waldmanagements einzuhalten:

  1. Verjüngung des Vorbestandes (Vorausverjüngung) durch künstliche Verjüngung (Vorausverjüngung durch Voranbau) oder Naturverjüngung mit mindestens fünf- oder mindestens siebenjährigem Verjüngungszeitraum vor Nutzung bzw. Ernte des Bestandes in Abhängigkeit vom Ausgangs- und Zielbestand.
  2. Die Naturverjüngung hat Vorrang, sofern klimaresiliente, überwiegend standortheimische Hauptbaumarten in der Fläche auf natürlichem Wege eingetragen werden und anwachsen.
  3. Bei künstlicher Verjüngung sind die zum Zeitpunkt der Verjüngung geltenden Baumartenempfehlungen der Länder oder, soweit solche nicht vorhanden sind, der in der jeweiligen Region zuständigen Forstlichen Landesanstalt einzuhalten. Dabei ist ein überwiegend standortheimischer Baumartenanteil einzuhalten.
  4. Zulassen von Stadien der natürlichen Waldentwicklung (Sukzessionsstadien) insbesondere aus Pionierbaumarten (Vorwäldern) bei kleinflächigen Störungen.
  5. Erhalt oder, falls erforderlich, Erweiterung der klimaresilienten, standortheimischen Baumartendiversität, z. B. durch Einbringung von Mischbaumarten über geeignete Mischungsformen.
  6. Verzicht auf Kahlschläge. Das Fällen von absterbenden oder toten Bäumen oder Baumgruppen außerhalb der planmäßigen Nutzung (Sanitärhiebe) bei Kalamitäten ist möglich, sofern dabei mind. 10 % der Derbholzmasse als Totholz zur Erhöhung der Biodiversität auf der jeweiligen Fläche belassen werden.
  7. Anreicherung und Erhöhung der Diversität an Totholz sowohl stehend wie liegend und in unterschiedlichen Dimensionen und Zersetzungsgraden; dazu zählt auch das gezielte Anlegen von Hochstümpfen.
  8. Kennzeichnung und Erhalt von mindestens fünf Habitatbäumen oder Habitatbaumanwärtern pro Hektar, welche zur Zersetzung auf der Fläche verbleiben. Die Habitatbäume oder die Habitatbaumanwärter sind spätestens zwei Jahre nach Antragstellung nachweislich auszuweisen. Wenn und soweit eine Verteilung von fünf Habitatbäumen oder Habitatbaumanwärtern pro Hektar nicht möglich ist, können diese entsprechend anteilig auf die gesamte Waldfläche des Antragstellers verteilt werden.
  9. Bei Neuanlage von Rückegassen müssen die Abstände zwischen ihnen mind. 30 m, bei verdichtungsempfindlichen Böden mind. 40 m betragen.
  10. Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutzmittel. Dies gilt nicht, wenn die Behandlung von gestapeltem Rundholz (Polter) bei schwerwiegender Gefährdung der verbleibenden Bestockung oder bei akuter Gefahr der Entwertung des liegenden Holzes erforderlich ist.
  11. Maßnahmen zur Wasserrückhaltung, einschl. des Verzichts auf Maßnahmen zur Entwässerung von Beständen und zum Rückbau existierender Entwässerungsinfrastruktur, bis spätestens fünf Jahre nach Antragstellung, falls übergeordnete Gründe vor Ort dem nicht entgegenstehen.
  12. Natürliche Waldentwicklung auf 5 % der Waldfläche. Obligatorische Maßnahme, wenn die Waldfläche des Antragstellers 100 Hektar überschreitet. Freiwillige Maßnahme für Antragsteller, deren Waldfläche 100 Hektar oder weniger beträgt. Die auszuweisende Fläche beträgt dabei mind. 0,3 Hektar und ist 20 Jahre aus der Nutzung zu nehmen. Naturschutzfachlich notwendige Pflege- oder Erhaltungsmaßnahmen oder Maßnahmen der Verkehrssicherung gelten nicht als Nutzung. Bei Verkehrssicherungsmaßnahmen anfallendes Holz verbleibt im Wald.

Die Bindungsfrist für die Kriterien 1 bis 11 beträgt 10 Jahre, für das Kriterium 12 beträgt sie 20 Jahre. Waldbesitzende, die sich zur Erfüllung aller Kriterien verpflichten, erhalten bis zu einer Gesamtwaldfläche von 500 Hektar 100 € pro Jahr und Hektar, ab 500 bis 1 000 Hektar 80 € pro Jahr und Hektar, ab dem tausendsten Hektar 55 € pro Jahr und Hektar. Waldbesitzende, die unter 100 Hektar Gesamtwaldfläche besitzen und das Kriterium 12 nicht erfüllen möchten, erhalten 85 € pro Jahr und Hektar bei einem Verpflichtungszeitraum von 10 Jahren.

Im Jahr 2022 gestellte Anträge werden auf De-minimis-Basis bewilligt. Für die kommenden Jahre plant das Bundesministerium die Notifizierung bzw. Freistellung für das Förderprogramm bei der EU-Kommission.

Die Einhaltung der Förderkriterien wird über PEFC oder FSC sichergestellt. Diese Überprüfung erfolgt jedoch erst, wenn die Förderung beantragt und bewilligt wurde. Bei PEFC kommt ein neues, zusätzliches Waldzertifikat zum Einsatz; die Kosten sollen 3 € pro Jahr und Hektar betragen. FSC wird die Einhaltung im Rahmen der laufenden Kontrollen gewährleisten und geht von keinen zusätzlichen Gebühren aus.

Aus Sicht des Gemeinde- und Städtebundes ist das Förderprogramm des Bundes von großer Bedeutung, da ein Einstieg in die Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes erfolgt. Gerade der kleinstrukturierte Gemeindewald in Rheinland-Pfalz, der häufig von Standort- und Strukturschwäche geprägt ist, kann von der Förderung maßgeblich profitieren.

 

Entnommen aus der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 3/2023, Rn. 23.

 

Dr. Stefan Schäfer

Forst- und Pressereferent des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz
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