05.06.2023

Holzvermarktung: Klage auf Kartellschadensersatz gegen das Land Rheinland-Pfalz

Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Rheinland-Pfalz GmbH erhebt Klage.

Holzvermarktung: Klage auf Kartellschadensersatz gegen das Land Rheinland-Pfalz

Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Rheinland-Pfalz GmbH erhebt Klage.

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
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Die ASG 3 Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Rheinland-Pfalz GmbH hat im Mai 2020 beim LG Mainz Klage auf Kartellschadensersatz gegen das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, erhoben.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH mit Sitz in Fürth, die durch das internationale Prozessfinanzierungsunternehmen Burford Capital Holdings (UK) Limited im Jahr 2018 eigens zum Zwecke des Erwerbs, der Bündelung und der Geltendmachung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen in der Angelegenheit gegründet worden war. Die ASG 3 hat sich die vermeintlichen Schadensersatzansprüche von Sägewerken abtreten lassen und macht diese gebündelt mit der Klage geltend. Es handelt sich um 18 Unternehmen der Sägeindustrie, von denen lediglich fünf ihren Sitz in Rheinland-Pfalz haben. Sie werden demgemäß selbst nicht prozessual tätig. Vor Erhebung der Klage war im Jahr 2019 seitens der ASG 3 die Durchführung eines außergerichtlichen Güteverfahrens beantragt worden. Das Land Rheinland-Pfalz hatte den Antrag abgelehnt.

Gegenstand der Klage

Die ASG 3 macht gegen das Land im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche nebst Zinsen aufgrund vermeintlich kartellbedingt überhöhter Preise für die Lieferung von Nadelstammholz (Rundholz) im Rahmen der gemeinsamen, waldbesitzartenübergreifenden (gebündelten) Holzvermarktung seit dem 28.06.2005 geltend. Diese Form der Rundholzvermarktung, die in Rheinland-Pfalz bis zum 31.12.2018 praktiziert wurde, habe ein unzulässiges Vertriebskartell bzw. ein „Syndikat“ dargestellt. Durch die gemeinsame Vermarktung von Rundholz aus dem Staats-, dem Kommunal- und dem Privatwald sei den Sägewerken ein Schaden entstanden, weil anderenfalls das Holz zu günstigeren Preisen verkauft worden wäre. Daher hätten die Sägewerke höhere Preise für Nadelstammholz zahlen müssen, als dies ohne eine Bündelung der Vermarktung der Fall gewesen wäre.


Für die vermeintlichen kartellbedingten Preisaufschläge verlangt die Klägerin mit der Klage Schadensersatz. Darüber hinaus wird behauptet, dass auch Anbieter von Nadelstammholz aus rheinland-pfälzischen Wäldern, die nicht an der gebündelten Rundholzvermarktung teilgenommen haben, ihre Preise an den vermeintlich kartellbedingt überhöhten Preisen orientiert hätten, sodass die Nadelstammholzpreise dieser Anbieter ebenfalls kartellbedingt überhöht gewesen seien (sog. Preisschirmeffekt). Konkret behauptet die Klägerin, die Preise für Nadelstammholz aus Wäldern in Rheinland-Pfalz seien im Zeitraum seit dem 28.06.2005 bis zur Neuorganisation der Holzvermarktung zum Jahresbeginn 2019 um durchschnittlich 9,42 % überhöht gewesen. Die im Zentrum stehenden Klageanträge führen zu einer Schadensersatzforderung einschl. Zinsen von rd. 121 Mio. j.

Gegenstand der Klage sind nur Bezüge von Nadelstammholz (Rundholz). Bezüge anderer Hölzer, insbesondere Laub- und Industrieholz, sind nicht Gegenstand der Klage. In räumlicher Hinsicht bezieht sich die Klage auf Rundholzbezüge aus Wäldern in Rheinland-Pfalz. In persönlicher Hinsicht sind Rundholzbezüge der 18 Sägewerke streitgegenständlich. In zeitlicher Hinsicht bezieht sich die Klage auf Rundholzbezüge seit dem 28.06.2005.

Aus Sicht des Landes Rheinland-Pfalz ist die Klage in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unbegründet sowie in weiten Teilen unsubstantiiert. Eine kartellbehördliche Feststellung zum angeblichen Kartellverstoß und den angeblichen Kartelltätern existiere nicht. Die Klägerin stütze ihre Forderungen vielmehr auf den Beschluss des Bundeskartellamts vom 09.07.2015, mit welchem dem Land Baden-Württemberg die gebündelte Rundholzvermarktung für Waldbesitzende mit einer Waldfläche von mehr als 100 Hektar untersagt worden sei. Diesen Beschluss habe der BGH allerdings mit Beschluss vom 12.06.2018 aufgehoben. Überdies könne die (aufgehobene) Entscheidung des Bundeskartellamts gegenüber Baden-Württemberg nicht auf die eigenständig zu beurteilenden Verhältnisse in Rheinland-Pfalz übertragen werden.

Ohne rechtskräftig festgestellten Kartellrechtsverstoß, der die Zivilgerichte bindet (§ 33 b GWB), ist die zivilrechtliche Geltendmachung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen zwar erschwert, aber nicht ausgeschlossen (sog. Stand-alone-Klage versus Follow-on-Klage). Beim Kartellverbot sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht handelt es sich um ein unmittelbar wirksames gesetzliches Verbot, das im Wege von Unterlassungs- oder Schadensersatzklagen auch zivilrechtlich durchgesetzt werden kann. Die möglichen zivilrechtlichen Nichtigkeits- und Haftungsrisiken eines objektiven Kartellrechtsverstoßes sind insoweit zu beachten. Bei einer Stand-alone- Klage muss der Kartellrechtsverstoß im Rechtsstreit auch dem Grunde nach festgestellt werden. Sämtliche Voraussetzungen eines Kartellschadensersatzanspruchs sind darzulegen und zu beweisen.

Es muss davon ausgegangen werden, dass erst eine Entscheidung des BGH, die sicherlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird, rechtliche Klarheit über die geltend gemachten Kartellschadensersatzansprüche und ggf. deren Höhe schafft. Seitens des Prozessfinanzierungsunternehmens Burford Capital Holdings (UK) Limited sind auch in den Bundesländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thüringen, welche gleichfalls die gebündelte Rundholzvermarktung praktizierten, eigens Ausgleichsgesellschaften (ASG, ASG 2, ASG 4, ASG 5) in der Rechtsform der GmbH gegründet worden. Wie in Rheinland-Pfalz machen diese gerichtlich gegenüber den jeweiligen Ländern kartellrechtliche Schadensersatzansprüche geltend. So fordert bspw. die Ausgleichsgesellschaft in Baden-Württemberg, die 36 Sägewerke vertritt, vom Land Baden-Württemberg ca. 450 Mio. € Schadensersatz.

Streitverkündung seitens des Landes

Das Land Rheinland-Pfalz hat den körperschaftlichen und privaten Waldbesitzenden mit einer Waldfläche von mehr als 100 Hektar, die im Klagezeitraum im Rahmen der gebündelten Rundholzvermarktung Nadelstammholz über Landesforsten bzw. die Forstämter vermarktet haben, den Streit verkündet. Es handelt sich um mehr als 1 000 Kommunen (überwiegend Ortsgemeinden) und Zweckverbände sowie um knapp 100 private Waldbesitzende (u. a. auch Haubergsgenossenschaften, Waldinteressentenschaften, Gehöferschaften). Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität informierte die Streitverkündungsempfänger im Dezember 2021 i. S. einer Vorankündigung. Das LG Mainz stellte Anfang des Jahres 2022 die Streitverkündung, nebst USB-Datenträger mit allen relevanten Dokumenten zum bisherigen Prozessverlauf, gem. § 73 ZPO zu.

Maßgeblich für die Streitverkündung war die grundsätzliche Teilnahme an der gebündelten Rundholzvermarktung im streitbefangenen Zeitraum sowie die Betriebsgröße der Waldbesitzenden. Das Vorliegen direkter vertraglicher Beziehungen zwischen den betroffenen Waldbesitzenden und den zedierenden Sägewerken wurde seitens des Landes nicht vorausgesetzt.

Aus prozessökonomischen Gründen verzichtete das Land auf eine Streitverkündung gegenüber Waldbesitzenden mit einer Waldfläche von unter 100 Hektar. Über den langen Klagezeitraum seit dem Jahr 2005 wäre anderenfalls eine unüberschaubare Vielzahl von Waldbesitzenden, insbesondere auch private Klein- und Kleinstwaldbesitzende, betroffen gewesen. Aus verjährungsrechtlichen Erwägungen sah das Land darüber hinaus von einer Streitverkündung gegenüber Waldbesitzenden ab, die nach dem 07.12.2011 nicht mehr an der gebündelten Rundholzvermarktung teilgenommen hatten.

Nach dem Gesetz haften die Teilnehmer eines Kartellverstoßes gesamtschuldnerisch für die sich aus dem Verstoß ergebenen Schäden (§§ 830, 840 Abs. 1 BGB bzw. § 33 d Abs. 1 GWB). Im Falle eines Unterliegens hat der Beklagte Gesamtschuldnerregressansprüche gegen die übrigen an der durch das Gericht festgestellten Zuwiderhandlung Beteiligten, welche zeitlich gestaffelt aus § 426 BGB bzw. § 33 d Abs. 2 GWB folgen. Die gerichtliche Feststellung eines kartellrechtswidrigen Verkaufskartells würde zu einer gesamtschuldnerischen Haftungsverantwortung auch derjenigen körperschaftlichen und privaten Waldbesitzenden führen, die sich an dem Verkaufskartell beteiligt haben.

Vor diesem Hintergrund begründet das Land Rheinland-Pfalz die Streitverkündung mit Vorgaben der Landeshaushaltsordnung, speziell § 34 LHO. Zwar geht das Land davon aus, dass die Klage keinen Erfolg haben wird. Sollte das Land allerdings rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilt werden, stellt sich im Innenverhältnis das Thema von Regressansprüchen des Landes gegenüber den anderen an einem (unterstellten) Kartell beteiligten Waldbesitzenden. Da mehrere Kartellanten als Gesamtschuldner haften, kann jeder Kartellant – wie hier das Land – auf den gesamten Kartellschaden in Anspruch genommen werden. Wird einer der Kartellanten zur Erstattung des gesamten Kartellschadens verurteilt, kann er bei den übrigen Kartellanten Regress nehmen. Das Ausmaß der Haftung der Gesamtschuldner untereinander ist wiederum in einem Folgeprozess zu bestimmen. Zwischenzeitlich könnten die ggf. bestehenden Regressansprüche aber (teilweise) verjähren.

In Folge der Streitverkündung wird der Empfänger, unabhängig von einem Streitbeitritt, an den Ausgang des Rechtsstreits gebunden (§ 68 ZPO) und die Verjährung etwaiger Regressansprüche gehemmt. Durch die Streitverkündung selbst werden aber keine Regressansprüche erhoben. Die Streitverkündung würde sich also erst in einem möglichen Folgeprozess auswirken, wenn das Land rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilt worden wäre.

Die Voraussetzungen einer Streitverkündung nach § 72 ZPO sind vorliegend nach Auffassung des Landes gegeben. Die ASG 3 macht hingegen geltend, dass die Streitverkündungen grundlos erfolgten, da Regressansprüche des Landes von vornherein nicht in Betracht kämen. Darüber hinaus erfolgten die Streitverkündungen rechtsmissbräuchlich, u. a. zum Zwecke der Erhöhung des Kostenrisikos sowie der Lähmung und Verzögerung des Verfahrens.

Die Kommunalen Spitzenverbände und der Waldbesitzerverband bezeichneten die Streitverkündung seitens des Landes in großer Deutlichkeit als politisch falschen Schritt. Die Beauftragung des Landes mit der Holzvermarktung sei eine im LWaldG bestehende Option gewesen, deren Anwendung von den Forstämtern empfohlen wurde. Das Land habe in der Vergangenheit stets deutlich gemacht, dass es die gegenüber dem Bundeskartellamt eingegangenen Verpflichtungen in vollem Umfang erfüllen würde. In einer Zeit, in der sich Wald und Waldbesitzende in einer schweren Krise befinden, wirke die Streitverkündung wie ein emotionaler Tiefschlag. Verunsicherung und wegbrechendes Vertrauen seien die Folgen, die vermeidbar gewesen wären. In keinem der anderen betroffenen Bundesländer sei bislang seitens des Landes eine Streitverkündung ausgesprochen worden, obwohl die Vorgaben der jeweiligen Landeshaushaltsordnung vergleichbar sein dürften. Oberste Zielsetzung in Rheinland-Pfalz müsse nunmehr sein, dass das Land den Rechtsstreit gewinnt.

Streitbeitritt

Mit der Streitverkündung besteht für die Empfänger die Möglichkeit, dem Rechtsstreit beizutreten und ihn durch Anträge selbst aktiv mitzugestalten (§ 74 ZPO). Anderenfalls steht den Streitverkündungsempfängern lediglich Akteneinsicht gem. § 299 ZPO bei Gericht zu. Der Streitbeitritt macht vornehmlich dann Sinn, wenn durch eigenen Vortrag neue Gesichtspunkte in den Prozess eingebracht werden, die den Ausgang zu eigenen Gunsten beeinflussen können.

Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz hat im Interesse seiner Mitglieder anwaltliche Beratung in Anspruch genommen und die umfangreichen Prozessakten, die mit der Streitverkündung vom LG Mainz übersandt wurden, prüfen lassen. Gleichzeitig wird den Mitgliedern empfohlen, vor Ort keine eigenen rechtlichen Schritte einzuleiten. Im Ergebnis erscheint ein Streitbeitritt notwendig, um die kommunalen Belange wirksam wahren zu können. Da 1 094 natürlichen und juristischen Personen der Streit verkündet wurde, legt dies ein abgestimmtes Vorgehen der Streitverkündungsempfänger nahe.

Die Stadt Ingelheim und die Gemeinde Morbach sind im August 2022 im Interesse aller Streitverkündungsempfänger dem Streit auf Seiten des beklagten Landes gem. § 70 ZPO beigetreten. Die ASG 3 hat daraufhin beantragt, die Streitbeitritte zurückzuweisen. Sie seien mangels rechtlichen Interesses i. S. d. §§ 74 Abs. 1, 66 Abs. 1 ZPO unzulässig.

Das LG Mainz hat den Beitritt der Streithelferinnen als Nebenintervenientinnen auf Seiten des beklagten Landes zugelassen. Ob Regressansprüche vorliegend ausnahmsweise ausgeschlossen seien, weil der Verursachungsbeitrag des Landes als Organisator des Kartells derart überwiege, dass von einer Alleinhaftung auszugehen sei, stelle keine Frage dar, die im Vorprozess zu prüfen sei. Dies obliege der Bewertung des für einen etwaigen Regressprozess zuständigen Gerichts.

Urteil des LG Mainz vom 07.10.2022

Das LG Mainz (Urt. v. 07.10.2022 – 9 O 125/20 –) hat die Kartellschadensersatzklage gegen das Land Rheinland-Pfalz abgewiesen. Der Klägerin fehle die Aktivlegitimation für die Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche. Außerdem scheitere eine Haftung des Landes daran, dass die gebündelte Rundholzvermarktung auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben erfolgt sei. Schließlich sei auch eine kartellbedingte Preisüberhöhung durch die gebündelte Rundholzvermarktung nicht plausibel dargelegt.

Das LG Mainz stützt seine Entscheidung demgemäß neben der fehlenden Aktivlegitimation auf zwei weitere Gründe, die das LG Stuttgart (Urteil vom 20.01.2022 – 30 O 176/19 –) und das LG Dortmund (Hinweisbeschluss vom 08.06.2022 – 8 O 7/20 –) in den Parallelverfahren nicht oder nur am Rande erörtern. Gegen das Urteil des LG Mainz hat die ASG 3 Berufung vor dem OLG Koblenz eingelegt.

Die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin begründet das LG Mainz, in Übereinstimmung mit dem LG Stuttgart, in der Weise, dass die erfolgten Abtretungen aufgrund von Verstößen gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) nichtig seien. Das „Sammelklage- Inkasso“ verstoße bei kartellrechtlichen Schadenssatzansprüchen gegen § 3, § 2 Abs. 2 RDG i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2, § 11 Abs. 1 RDG sowie § 4 RDG mit der Folge der Nichtigkeit der Abtretungen gem. § 134 BGB. Mithin sei die Klägerin nicht Inhaberin etwaiger kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche der Sägewerke gegenüber dem beklagten Land geworden und deshalb nicht dazu berechtigt, die vorliegende Klage zu führen.

Ferner sieht das Gericht die Gefahr sachfremder Entscheidungskriterien zulasten der Sägewerke. Das Vergütungsmodell setze Anreize für eine kostenintensive Prozessführung. Der Gewinn der Klägerin sei umso höher, je höher die Kosten der Rechtsverfolgung seien. Bei der Vergütungsregelung handele es sich nämlich nicht um eine reine prozentuale Gewinnbeteiligung, wie sie für Inkassozessionen üblich sei, sondern sie bemesse sich insbesondere auch anhand der Rechtsverfolgungskosten (z. B. durch Beauftragung von Privatgutachtern, Beschreiten des vollständigen Instanzenzugs bei geringer Erfolgsaussicht).

Auch das LG Dortmund hält die Abtretung von Stand-alone-Ansprüchen wegen einer Überschreitung der Inkassobefugnis des § 2 RDG nach § 3 RDG und § 134 BGB grundsätzlich für nichtig. Diese Beschränkung in der gebündelten Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche könne allerdings gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz bzw. das unionsrechtliche Gebot einer effektiven privaten Kartellrechtsdurchsetzung verstoßen. Die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte werde praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert. Gleich geeignete und zulässige Alternativen zum „Sammelklage-Inkasso“ seien in Deutschland nicht gegeben. Damit hänge diese für den vorliegenden Rechtsstreit gesamterhebliche Frage von der Auslegung europäischen Rechts, insbesondere des Art. 101 AEUV, ab. Das Gericht hat erwogen, den Rechtsstreit dem EuGH vorzulegen. Nach Auffassung des LG Mainz scheitert eine kartellschadensersatzrechtliche Haftung des Landes überdies daran, dass die gebündelte Rundholzvermarktung im streitgegenständlichen Kartellzeitraum auf gesetzlich normierter Grundlage bzw. auf einer gesetzlich geregelten Verpflichtung basierte. Hierin liege auch ein wesentlicher Unterschied zu der durch das Land Baden-Württemberg seinerzeit betriebenen Rundholzvermarktung (vgl. Erl. 9.2.2). Das LG Mainz folgert, dass das Land jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt habe.

Denn die Befolgung einer gesetzlichen Vorgabe könne in keinem Fall einen Verschuldensvorwurf begründen. Solange die Bestimmungen des LWaldG formell Bestand hatten, seien sie für die Adressaten verbindlich und daher zu befolgen gewesen. Wer aufgrund gesetzlicher Vorgaben tätig werde, könne nicht dafür haftbar gemacht werden, dass er sich selbst gesetzestreu verhalte. Allenfalls kommt für das LG Mainz eine Haftung des Landes als Gesetzgeber und damit Verantwortlicher für die Regelungen in §§ 27 und 31 LWaldG a. F. in Betracht.

Haftbar zu machen sei in diesem Fall eines möglicherweise gegen höherrangiges Recht verstoßenden Gesetzes nicht derjenige, der das Gesetz befolge, sondern vielmehr der Gesetzgeber. Das LG Mainz erörtert insoweit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. mit Art. 34 Satz 1 GG sowie eines unionsrechtlichen Amtshaftungsanspruchs, den der BGH als eigenständige Anspruchsgrundlage bei legislativem Unrecht unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht heranzieht. Das Gericht verneint im Ergebnis die Tatbestandsvoraussetzungen beider Anspruchsgrundlagen im streitgegenständlichen Sachverhalt.

Das LG Mainz stellt weiter fest, dass der Klägerin eine plausible Darlegung ihrer Behauptung, der Erwerb von Rundholz durch die Zedentinnen sei zu kartellbedingt überhöhten Preisen erfolgt, nicht gelungen ist. Die Standorte der betreffenden Unternehmen seien größtenteils nicht in Rheinland-Pfalz gelegen. Sämtlichen Zedentinnen hätten in ganz erheblichem Umfang alternative Bezugsmöglichkeiten von Rundholz außerhalb von Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestanden, die nicht von der gebündelten Rundholzvermarktung betroffen waren. Das Land habe dies, so das Gericht, unwidersprochen dargelegt. Ein Preisschirmeffekt komme aber von vornherein nur in Betracht, wenn der Marktanteil des Kartells denjenigen der verbleibenden Anbieter deutlich übersteige.

 

Entnommen aus der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 3/2023, Rn. 32.

 

Dr. Stefan Schäfer

Forst- und Pressereferent des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz
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