12.06.2023

Gefälschter Impfpass als strafbares unrichtiges Gesundheitszeugnis

Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts

Gefälschter Impfpass als strafbares unrichtiges Gesundheitszeugnis

Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts

Ein Beitrag aus »Neues Polizeiarchiv« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Neues Polizeiarchiv« | © emmi - Fotolia / RBV

Eine Strafbarkeit nach § 279 StGB setzt voraus, dass das Gesundheitszeugnis eine unwahre Aussage über den Gesundheitszustand als solchen enthält.

Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich aus den Gründen.

StGB – § 279


  1. Eine Strafbarkeit nach § 279 StGB setzt voraus, dass das Gesundheitszeugnis eine unwahre Aussage über den Gesundheitszustand als solchen enthält.
  2. Die Feststellung, ob eine Aussage über den Gesundheitszustand unwahr ist, ist vom Gericht aufgrund einer – von § 244 StPO geleiteten – Beweiswürdigung zu treffen.

Bayerisches Oberstes Landesgericht (Urt. v. 18.07.2022 – 203 StRR 179/22 – Verlags–Archiv Nr. 2023-04-05)

Aus den Gründen

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist zutreffend. Die Angeklagte war aus rechtlichen wie aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

Die Strafkammer ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass § 279 StGB schon vom Ansatz her nach alter wie nach neuer Fassung wegen der überschießenden Innentendenz des Tatbestandes nur vor Täuschungen bezüglich des Gesundheitszustands schützen soll, sodass es erforderlich ist, dass das Gesundheitszeugnis eine unwahre Aussage über den Gesundheitszustand als solchen enthält. Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft kommt es deshalb im Rahmen des § 279 StGB – anders als bei §§ 277 und 278 StGB – nicht darauf an, ob vor der Ausstellung des Attestes auch eine körperliche Untersuchung der Angeklagten stattgefunden hat. Festzustellen ist demnach die Unwahrheit der Aussage über den Gesundheitszustand als solchen.

Die Strafkammer hat bereits das Vorliegen einer derartigen unwahren Aussage über den Gesundheitszustand als solchen zutreffend verneint, sodass es auf darüber hinausgehende Ausführungen zur subjektiven Tatseite gar nicht ankommt. Sie hat zum Sachverhalt festgestellt, dass die Angeklagte im öffentlichen Verkehrsraum keine nach dem BayIfSG vorgeschriebene Mund- Nasen-Bedeckung getragen hat. Sie hat den sie kontrollierenden Polizeibeamten ein von einem in Österreich ansässigen Arzt ausgestelltes Attest vorgezeigt, das sie ohne vorangegangene Untersuchung über das Internet gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 20,00 € erworben hatte und das sie von der Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, befreit.

Die Angeklagte hatte um die Ausstellung des Attestes zur Maskenbefreiung gebeten, da sie beim Tragen der Maske schnell kurzatmig werde und ihr Puls hochschnelle, sodass sie Kreislaufprobleme bekomme, hyperventiliere und Gefahr laufe, ohnmächtig zu werden.

Die Strafkammer konnte dagegen aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme weder feststellen, dass der das Attest ausstellende Arzt in Wahrheit kein Arzt ist noch dass die von der Angeklagten gemachten Angaben dem Arzt gegenüber objektiv unrichtig waren und vom Arzt dann auch objektiv unrichtig attestiert wurden. Dazu führt die Strafkammer aus, dass das Attest lediglich pauschale allgemeine ärztliche Einschätzungen enthält, die dem weiten Ermessensspielraum eines Arztes und seiner hieraus folgenden Therapiefreiheit unterliegen und die ihre Grundlage in den von der Angeklagten geschilderten, lediglich subjektiven Beschwerden finden, bei denen vorliegend eine erfolgversprechende Überprüfung nicht möglich ist.

Unter diesen Vorgaben hat sich die Angeklagte nicht gemäß § 279 StGB strafbar gemacht, da das Gesundheitszeugnis keine unwahre Aussage über den Gesundheitszustand der Angeklagten als solchen enthält. Der Angriff gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer geht aufgrund des festgestellten Sachverhalts fehl. Vorliegend sind Rechtsfehler nicht ersichtlich. Die Strafkammer hat gesehen, dass die Umstände der Attestbeschaffung (über das Internet bei einem ihr unbekannten ausländischen Arzt) Misstrauen erwecken, und hat dies bei der Beweiswürdigung ausreichend gewürdigt.

Sie ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass sich die von der Angeklagten geschilderten körperlichen Beschwerden nur im Zusammenhang mit deren psychischer Verfassung bewerten lassen. Dabei hat die Strafkammer entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft zugrunde gelegt, dass das Attest den damaligen Gesundheitszustand der Angeklagten bescheinigt, aber eben einen nicht nachweislich objektiv unrichtigen. Den Wortlaut von E-Mail und Attest, den die Strafkammer in der angefochtenen Entscheidung jeweils wörtlich zitiert hat, hatte sie dabei im Blick.

Die Strafkammer ist nach Würdigung des vorliegenden Einzelfalles zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gesundheitszeugnis keine unwahre Aussage über den Gesundheitszustand der Angeklagten als solchen enthält. Gerade darin unterscheidet sich dieser Fall von der dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 05.05.2022 (202 StRR 47/22) zugrunde liegenden Fallgestaltung, in der die Strafkammer aufgrund der dort vorgenommenen Beweiswürdigung zu der sicheren Überzeugung gelangt war, dass (auch) die Behauptung des dortigen Angeklagten, davon ausgegangen zu sein, bei ihm lägen tatsächlich ausreichende gesundheitliche Beeinträchtigungen vor, durch konkret belegte Umstände widerlegt ist.

Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Erholung eines ärztlichen Attestes zum Gesundheitszustand der Angeklagten war von vorneherein nicht geeignet, den Gesundheitszustand der Angeklagten rückwirkend zum Tatzeitpunkt sicher festzustellen und daraus den Schluss zu ziehen, dass die Angeklagte die von ihr vorgetragenen Beschwerden damals tatsächlich nicht hatte. Die Angeklagte hat keine überdauernden körperlichen Einschränkungen geltend gemacht, deren Vorliegen auch jetzt noch unschwer überprüft werden könnte.

Jetzt zu erhebende Werte wie Herzfrequenz, Blutdruck, Körpertemperatur und Atemfrequenz sind stets situations- und zeitbedingt und dabei auch von der jeweiligen psychischen Verfassung der Angeklagten abhängig. Aktuell zu erhebende objektive Befunde allein lassen keine sicheren Rückschlüsse auf die subjektiven Befindlichkeiten der Angeklagten zum Tatzeitpunkt und deren Einschätzung über ihren Gesundheitszustand zu, sondern setzen deren Bewertung im Zusammenhang mit der psychischen Konstitution der Angeklagten zum Tatzeitpunkt voraus.

 

Entnommen aus dem Neuen Polizeiarchiv 4/2023, Lz. 341.

Ministerialrat Dr. Dr. Frank Ebert

Ministerialrat a.D. Dr. Dr. Frank Ebert

Leiter des Thüringer Prüfungsamts a.D., Erfurt
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