24.07.2023

Fassadengemälde wegen Ablenkung von Verkehrsteilnehmern entfernt

Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs

Fassadengemälde wegen Ablenkung von Verkehrsteilnehmern entfernt

Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV

Ein Unternehmen ließ an einer Lagerhalle zwei Fassadengemälde anbringen. Das Landratsamt forderte das Unternehmen auf, den Schriftzug zu entfernen bzw. neutral abzudecken. Die Gemälde seien Propaganda und erhöhten das Risiko für Verkehrsunfälle. Das Unternehmen klagte vor dem Verwaltungsgericht.

Ein Unternehmen ließ im Herbst des Jahres 2020 an einer Lagerhalle auf einer Länge von ca. 40 m zwei Fassadengemälde, eines davon mit seinem Firmenlogo und darüber in Großbuchstaben den Schriftzug „Das schönste Wappen auf der Welt, das ist der Pflug im Ackerfeld“, anbringen. Die Entfernung der Halle von der durch den Ort verlaufenden Bundesstraße beträgt ca. 40 m. Die Fassade mit den Abbildungen und dem Schriftzug liegt etwa auf Höhe der Ortstafel (Zeichen 310 nach Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung – StVO).

Die davor liegende Grundstücksfläche ist landwirtschaftlich bewirtschaftet und lässt den Blick auf die Halle frei. Mit Schreiben vom 14.07.2021 forderte das Landratsamt (LRA) das Unternehmen auf, den Schriftzug samt den dazugehörigen Bildern zu entfernen bzw. neutral abzudecken. Der gewählte Standort sei mit einer Gefahr für Verkehrsteilnehmer auf der Bundesstraße verbunden, die durch die Abbildungen und den Schriftzug abgelenkt oder belästigt würden. Vor dem Ortsbeginn sei es in der Vergangenheit aufgrund der Lichtsignalanlage im Ort v. a. während der Berufsverkehrszeiten zu Auffahrunfällen gekommen und deshalb in diesem Bereich das Verkehrszeichen „Stau“ angebracht worden. Die Ablenkung erhöhe die Gefahr, dass es zukünftig wieder zu Auffahrunfällen komme.


Mit Schreiben vom 30.08.2021 teilte das Unternehmen dem LRA mit, das Unternehmen wäre bereit, durch eine Anpflanzung einer Hecke, die „extrem schnellwüchsig“ sei und eine Höhe bis zu 3,5 m erreiche, für einen ausreichenden Sichtschutz zu sorgen. Hierzu erwiderte das LRA, dass der Schriftzug abgedeckt werden müsse, bis der volle Sichtschutz durch die Bepflanzung erreicht sei. Dies lehnte das Unternehmen mit der Begründung ab, eine Abdeckung des Schriftzugs errege als Veränderung der Örtlichkeit erst recht Aufmerksamkeit. Die Bepflanzung werde das Unternehmen aber dennoch vornehmen.

LRA sah eine Form von Propaganda, die eine positive Haltung gegenüber der Landwirtschaft vermitteln solle

Mit Bescheid vom 11.11.2021 verpflichtete das LRA das Unternehmen unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung eines Zwangsgelds, den an der Halle aufgebrachten Schriftzug „Das schönste Wappen auf der Welt, das ist der Pflug im Ackerfeld“ unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheids zu entfernen oder abzudecken.

Die Bilder könnten zwar beiläufig erfasst werden und würden den Verkehr nicht mehr als üblich ablenken bzw. belästigen. Im Zusammenhang mit der angebrachten Schrift werde jedoch die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer mehr als üblich abgelenkt. Es liege dabei eine Form von Propaganda vor, die eine positive Haltung gegenüber der Landwirtschaft vermitteln solle. Die Örtlichkeit sei bewusst so gewählt worden, dass Verkehrsteilnehmer auf der Bundesstraße den Schriftzug bereits weit vor der Ortschaft wahrnehmen könnten. Der Schriftzug lasse sich jedoch nicht beiläufig lesen und erfassen.

Ein Großteil des Verkehrs auf der Bundesstraße sei zudem überörtlich, ein Gewöhnungseffekt könne insoweit nicht eintreten. Durch den exponierten Standort entstehe eine verkehrsgefährdende Wirkung an einer Unfallhäufungsstelle. Es könne auch nicht abgewartet werden, bis die als Sichtschutz vorgesehene Bepflanzung die erforderliche Höhe erreicht habe. Über die am 26.11.2021 eingereichte Klage des Unternehmens hat das Verwaltungsgericht (VG) noch nicht entschieden. Den mit Schriftsatz vom 15.02.2022 nachgereichten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte es mit Beschluss vom 24.03.2022 abgelehnt.

Beschwerde blieb beim BayVGH ohne Erfolg

Nach summarischer Überprüfung sei der Bescheid rechtmäßig. Das Unternehmen habe durch den angebrachten Schriftzug gegen das Verbot verstoßen, durch Werbung und Propaganda den Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften in gefährdender oder erschwerender Weise zu stören. Indem die beiden Bilder und der Schriftzug mit dem Firmennamen in Verbindung gesetzt würden, werde Werbung für das Unternehmen gemacht, die sich speziell an die Verkehrsteilnehmer richte. Selbst wenn man den Schriftzug in Kombination mit den Bildern als Teil eines Kunstwerks qualifiziere, ändere dies nichts am Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit.

Auch Kunst rechtfertige es nicht, Leib und Leben von Verkehrsteilnehmern zu gefährden. Autofahrer würden durch die großflächige, schon von Weitem sichtbare Werbebotschaft vom Verkehrsgeschehen nicht nur ganz kurzfristig abgelenkt. Die bloße Absichtserklärung, eine Sichtschutzhecke zu pflanzen, könne an der derzeitigen Gefahrenlage nichts ändern. Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat das Unternehmen dagegen vorgetragen, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs werde nicht beeinträchtigt. Das Bild sei in seiner farblichen Gestaltung unauffällig.

Die Darstellung eines landwirtschaftlichen Motivs mit einem Pferd und einem Traktor auf dem Feld füge sich in die Umgebung ein und wirke tagsüber nicht weit außerhalb der geschlossenen Ortschaft. Der Schriftzug werde nachts regulär nicht beleuchtet. Die vorhandene Beleuchtung werde mit einem Bewegungsmelder geschaltet und diene lediglich als Sicherheit gegen Diebstahl und Vandalismus. Die Bundesstraße verlaufe dort zudem geradlinig. Das Bild tauche nicht plötzlich auf. Auch wenn der Schriftzug gelesen, erfasst und verstanden werden wolle, habe der Autofahrer genügend Aufmerksamkeitsreserven. Die Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Im Hinblick auf den hohen Rang der Schutzgüter Leib und Leben reicht eine abstrakte Gefahr ohne Nachweis konkreter Anlässe aus

Zu seiner Entscheidung hat der VGH im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der StVO außerhalb geschlossener Ortschaften jede Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton verboten ist, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können.

Gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 StVO darf auch durch innerörtliche Werbung und Propaganda der Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften nicht in solcher Weise gestört werden. Wer hiergegen vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 28 StVO, die mit einem Bußgeld geahndet und durch die zuständige Sicherheitsbehörde untersagt werden kann. Der auf der Halle angebrachte Schriftzug erfülle den Verbotstatbestand des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 StVO. Der Standort der Halle liege zwar noch innerorts, wofür die Ortstafel maßgebend ist. Der Schriftzug könne aber bereits außerhalb der geschlossenen Ortschaft von Verkehrsteilnehmern wahrgenommen werden und sei auch darauf ausgerichtet. Die Halle, auf deren Frontseite der Schriftzug angebracht ist, sei das erste Gebäude am Ortseingang, die davorliegenden Grundstücksflächen sind unbebaut.

Für eine nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 StVO relevante Gefährdung reicht im Hinblick auf den hohen Rang der Schutzgüter Leib und Leben eine abstrakte Gefahr ohne Nachweis konkret entstandener Verkehrsgefahren oder Verkehrsunfälle und damit die jedenfalls nicht entfernte Möglichkeit einer verkehrsgefährdenden Ablenkung und Beeinflussung der Verkehrsteilnehmer aus.

Verkehr auf der Bundesstraße hat auch überörtlichen Charakter

Eine konkrete, im Einzelfall feststellbare unmittelbare Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist damit nicht erforderlich. Bundesstraßen des Fernverkehrs sind gem. § 1 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind.

Der Verkehr auf der fraglichen Bundesstraße hat damit auch überörtlichen Charakter mit der Folge, dass nicht alle Verkehrsteilnehmer mit den Verhältnissen auf und neben der Straße vertraut sind. Dass ein Teil der Verkehrsteilnehmer aus der näheren Umgebung kommt und im fraglichen Abschnitt häufiger unterwegs ist, steht der Annahme einer Ablenkung somit nicht entgegen.

Diese Ablenkung tritt dadurch ein, dass die Verkehrsteilnehmer die Fassadengemälde mit dem darüber angebrachten Schriftzug aufgrund ihrer Größe bereits vor Erreichen der geschlossenen Ortschaft wahrnehmen, den Schriftzug jedoch nicht mit einem kurzen beiläufigen Blick lesen können.

Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr wird für längere Zeit beeinträchtigt

Es handelt sich um eine Kombination von Bild und Wort, die dazu verleitet, die Aufmerksamkeit nicht nur für einen kurzen Augenblick vom Straßenverkehr abzulenken. Auch die Länge des aus zwölf Wörtern bestehenden Schriftzugs trägt dazu bei, dass hier eine relevante Ablenkung vorliegt. Zwar sind der Schriftzug und die Gemälde aufgrund des Straßenverlaufs bereits aus größerer Entfernung sichtbar.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass viele Verkehrsteilnehmer den Schriftzug beim ersten Sichtbarwerden noch nicht lesen können und dass deren Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr somit für längere Zeit beeinträchtigt ist. Gegen die angenommene Ablenkung und die angefochtene Untersagung lässt sich auch nicht anführen, dass der Schriftzug nachts regulär unbeleuchtet und die Beleuchtung nur mit einem Bewegungsmelder versehen ist. Abgesehen davon, dass möglicherweise auch Tiere den Bewegungsmelder auslösen können, ist davon auszugehen, dass das Vorhandensein eines Schriftzugs auch aufgrund der Fahrzeugbeleuchtung wahrgenommen werden kann und sich Fahrzeugführer hierdurch ablenken lassen. Eine etwa nur bei Tageslicht vorzunehmende Abdeckung ist auch nicht praktikabel.

Mit einer zeitlich begrenzten Maßnahme kann die Gefährdung nicht ausreichend reduziert werden

Mit einer das Unternehmen weniger belastenden, etwa zeitlich begrenzten Maßnahme kann daher die Gefährdung nicht ausreichend reduziert werden. Schließlich steht der Untersagung auch nicht entgegen, dass das Unternehmen beabsichtigt, einen pflanzlichen Sichtschutz anzubringen.

Zum einen erscheint fraglich, ob und wann dieser Sichtschutz überhaupt die erforderliche Höhe erreicht, um etwa auch Führer größerer Fahrzeuge mit einer höheren Sitzposition, insbesondere Lkw, ausreichend vor einer Ablenkung zu schützen. Zum anderen muss jedenfalls die nach wie vor bestehende Gefährdung während des Heranwachsens der Bepflanzung nicht hingenommen werden. Vielmehr erfordert die Verkehrsgefährdung ein umgehendes Einschreiten der Behörde und rechtfertigt daher auch die Anordnung des Sofortvollzugs.

Es konnte auch dahinstehen, ob es sich bei dem Schriftzug allein oder in Verbindung mit den von der Untersagung nicht betroffenen Fassadengemälden um Propaganda, wie ursprünglich vom LRA angenommen, oder um Werbung, so die Auffassung des VG, und ob es sich, wovon wohl auszugehen sein dürfte, auch um Kunst i. S. v. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG handelt. Bei einer hier vorliegenden relevanten Gefährdung durch Ablenkung von Verkehrsteilnehmern ist angesichts des hohen Rangs der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit und der insoweit dem Staat obliegenden Schutzpflicht eine Beseitigungsanordnung auch dann gerechtfertigt, wenn die Werbung oder Propaganda dem Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfällt.

Gleiches gilt für etwaige Grundrechte des von der Untersagung Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG, also der Berufsfreiheit, oder Art. 14 Abs. 1 GG, also des Eigentums. Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2022 – 11 CS 22.926 –.

 

Entnommen aus der Fundstelle Baden-Württemberg 4/2023, Rn. 51.

 
n/a