31.07.2023

Gesetz zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif

Anpassung steuerlicher Regelungen

Gesetz zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif

Anpassung steuerlicher Regelungen

Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV

Der Deutsche Bundestag hat am 10.11.2022 das Gesetz zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen auf Basis der Empfehlungen des Finanzausschusses beschlossen. Die Empfehlungen sehen eine stärkere Anhebung des Grundfreibetrages sowie des Kindergeldes und der Kinderfreibeträge vor und bedeuten für die kommunale Ebene jährlich zusätzliche Mindereinahmen von einer Größenordnung von rd. -2 Mrd. €. Insgesamt müssen die Kommunen nunmehr von Mindereinnahmen um -5 Mrd. € p. a. ausgehen. Das Gesetz wurde im Bundesgesetzblatt am 08.12.2022 veröffentlicht.

Anlass und Regelungen im Einzelnen

Aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 02.06.1995 legt die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern (Existenzminimumbericht) vor, aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages vom  29.03.2012 (siehe BT-Drs. 17/9201, S. 7) zudem einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs (Steuerprogressionsbericht). Dementsprechend hat die Bundesregierung den 14. Existenzminimumbericht und den 5. Steuerprogressionsbericht vorgelegt. Anhand der Daten ist absehbar, dass für die Jahre 2023 und 2024 für Erwachsene und Kinder höhere Existenzminima von der Einkommensbesteuerung freizustellen sind.

Das heißt, es sind Anpassungen erforderlich, um die verfassungsrechtlich erforderliche Freistellung des steuerlichen Existenzminimums ab dem Jahr 2023 gewährleisten zu können. Zusätzlich ist ein Ausgleich der Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs angezeigt. Im Hinblick auf die aktuellen Preissteigerungen stellt die Anpassung des progressiven Einkommensteuertarifs ein wirksames und faires Instrument zur zeitnahen finanziellen Entlastung der einkommensteuerpflichtigen Bürgerinnen  und Bürger dar. Trotz steigender Inflation kommen dadurch Lohnsteigerungen und Entlastungen auch tatsächlich bei den Bürgerinnen und Bürgern an und werden nicht durch eine progressionsbedingt höhere Einkommensbesteuerung gemindert.


Damit die aus den beiden Berichten resultierenden Anpassungen sofort ab dem 01.01.2023 greifen können, wurde der Gesetzentwurf im Vorgriff auf die voraussichtlichen  Berichtsergebnisse zunächst unter Berücksichtigung der Daten der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung erstellt. Im parlamentarischen Verfahren werden erforderliche Anpassung der Werte im Lichte der im Herbst 2022 vorliegenden Berichtsergebnisse bzw. der Daten der Herbstprojektion der Bundesregierung möglich. Aufgrund der unerwartet deutlichen Preissteigerungen wurden die Bürgerinnen und Bürger mit gezielten steuerlichen Maßnahmen durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 2022 vom 23.05.2022 (BGBl. I S. 749) bereits schnell und unbürokratisch entlastet.

Die Anhebung der Existenzsicherungsleistungen im Sozialrecht mittels Einmalzahlungen  für Erwachsene und Kinder für das Jahr 2022 (vgl. Gesetz zur Regelung eines Sofortzuschlages und einer Einmalzahlung in den sozialen Mindestsicherungssystemen sowie zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und weiterer Gesetze (SofZuG) vom 23.05.2022, BGBl. I S. 760) ist bei der erforderlich gewordenen Aktualisierung der Datenbasis zur Ermittlung der Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern mit zu berücksichtigen. Hieraus ergeben sich nachträglich steuerliche Anpassungsbedarfe für das Jahr 2022. Dies betrifft die  Höhe des Kinderfreibetrags und die Höhe des Unterhaltshöchstbetrags. Dem Anpassungsbedarf  beim Grundfreibetrag wurde mit der rückwirkenden Erhöhung durch das StEntlG 2022 bereits ausreichend Rechnung getragen.

Mit der Anhebung des in den Einkommensteuertarif integrierten Grundfreibetrags wird die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der einkommensteuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger für die Jahre 2023 und 2024 sichergestellt. Darüber hinaus werden zum Ausgleich der Effekte der kalten Progression die übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs nach rechts verschoben. Dies gilt allerdings nicht für den Tarifeckwert, ab dem der sog. „Reichensteuersatz“ beginnt.

Der Höchstbetrag für den steuerlichen Abzug von Unterhaltsleistungen, dessen Höhe an die Höhe des Grundfreibetrags angelehnt ist, wird ebenfalls angehoben und ab dem  Jahr 2022 durch die Einführung eines dynamischen Verweises entsprechend angepasst. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf bei der Besteuerung von Familien ein Einkommensbetrag i. H. d. sächlichen Existenzminimums eines Kindes  zuzüglich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung nicht besteuert werden. Im Rahmen des steuerlichen Familienleistungsausgleichs wird dies durch Freibeträge für Kinder oder durch Kindergeld sichergestellt. Der steuerliche Kinderfreibetrag wird für die Jahre 2022–2024 entsprechend angepasst.

Darüber hinaus wird das Kindergeld zum 01.01.2023 in einem Schritt für die Jahre 2023 und 2024 angehoben. Der Finanzausschuss hat angesichts der hohen Inflation empfohlen, die geplanten Erhöhungen von steuerlichen Freibeträgen und Kindergeld weiter anzuheben. In seiner Sitzung am 09.11.2022 beschloss der Ausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag  der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP.

Der Gesetzentwurf sah ursprünglich eine Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages von derzeit 10 347 € auf 10 632 € im nachfolgenden Jahr vor. Der Betrag soll jetzt auf 10 908 € steigen. 2024 sollte der Grundfreibetrag nach dem Gesetzentwurf weiter auf 10 932 € steigen. Mit dem Änderungsantrag wird dieser Wert auf 11 604 € angehoben. Ebenfalls erhöht werden soll das Kindergeld für das erste, zweite und dritte Kind auf einheitlich 250 € pro Monat. Vorgesehen waren im Koalitionsentwurf 237 €. Auch der steuerliche Kinderfreibetrag wird erhöht und die Tarifeckwerte im Einkommensteuertarif nach  rechts verschoben.

Nicht verschoben wird jedoch der Eckwert der sog. Reichensteuer. Angehoben werden schließlich 2023 und 2024 die Freigrenzen für den steuerlichen  Solidaritätszuschlag. Damit soll eine zusätzliche Belastung der Einkommensteuerpflichtigen vermieden werden.

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Gemeindekasse Baden-Württemberg 2/2023, Rn. 5.

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