05.06.2023

Elektromobilität muss in der Fläche ankommen

Ein gut ausgebautes Ladenetz ist vonnöten

Elektromobilität muss in der Fläche ankommen

Ein gut ausgebautes Ladenetz ist vonnöten

Bis 2030 sollen bereits 15 Millionen Elektro-Pkw auf deutschen Straßen verkehren | ©Trueffelpix - stock.adobe.com
Bis 2030 sollen bereits 15 Millionen Elektro-Pkw auf deutschen Straßen verkehren | ©Trueffelpix - stock.adobe.com

Elektromobilität wird dann zum Erfolg, wenn sie für jedermann erschwinglich und flächendeckend nutzbar ist.

Ab 2035 sollen in Deutschland nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden und bis 2030 bereits 15 Millionen Elektro-Pkw auf deutschen Straßen verkehren. Diese Ziele der Bundesregierung aus dem Koalitionsvertrag sind ambitioniert, für eine Autonation wie die Bundesrepublik aber richtig. Im Technologiewettbewerb Schritt halten und die Klimaschutzziele erreichen muss unsere Devise sein. Emissionsfreie Mobilität trägt zum Klimaschutz und zu einer besseren Lebensqualität in Stadt und Land bei. Der konsequente Ausbau von Bussen und Bahnen sowie des Radverkehrs sind richtig und wichtig.

Bei einer realistischen Betrachtungsweise wird der motorisierte Individualverkehr sprich das Auto vielerorts auch weiterhin die zentrale Rolle einnehmen. Dies gilt für viele Gemeinden und Städte in der Fläche, wo schlicht die Alternativen zum Auto fehlen. Gerade hier gilt es durch einen flächendeckenden Ausbau der Infrastruktur die emissionsfreie Mobilität zu stärken.


Kommunen und Stadtwerke sind in Vorleistung getreten

Kommunen sind zentrale Akteure für das Gelingen der Antriebswende. Ein gut ausgebautes Ladenetz stellt einen wichtigen Standortvorteil dar. Die Kommunen und Stadtwerke sind hierbei bereits erheblich in Vorleistung getreten. Mehr als die Hälfte aller Ladesäulen in Deutschland sind in öffentlicher Hand und ihr unmittelbarer wirtschaftlicher Betrieb ist keinesfalls immer sichergestellt.

Damit wir den erforderlichen Ausbau öffentlich-zugänglicher Schnellladeinfrastruktur erreichen, sind marktwirtschaftliche Akteure gefordert wie die Automobilindustrie, die Betreiber von Tankstellen, die Energiewirtschaft und der Handel. Erforderlich ist ein konstruktives Zusammenspiel mit der öffentlichen Hand.

Lediglich von Seiten der EU, Bund und Ländern Vorgaben zu machen reicht nicht aus. Neben Förderprogrammen kommt es nun auch auf einfachere Genehmigungsverfahren sowie die Übertragung guter Beispiele und des Fachwissens auf die kommunale Ebene an. Die Kommunen müssen befähigt werden, den Ausbau der Lade- und Tankinfrastrukturen zu unterstützen.

Masterplan Ladeinfrastruktur: Flächendeckung aber kein Gießkannenprinzip

Der neue Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung sieht ein hohes Arbeitspensum für einen koordinierten und sachgerechten Ladeinfrastrukturausbau vor Ort bei den Kommunen vor. Jedoch wird eine konkrete finanzielle und personelle Unterstützung für die Kommunen im Masterplan nicht abgebildet. Das Förderregime zum Aufbau der Ladeinfrastruktur muss deshalb unter dem Gesichtspunkt einer flächendeckenden Abdeckung fortentwickelt werden.

Zugleich sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Laden im sogenannten halböffentlichen Raum wie z. B. auf den Parkplätzen beim Handel zu verbessern. Es darf nicht einseitig auf das öffentliche Laden am Straßenrand gesetzt werden. Verkehrsflächen der Städte und Gemeinden sind begrenzt und stehen bereits unter intensiven Nutzungskonflikten. Ziel muss sein, einen Großteil der Ladevorgänge nicht im öffentlichen Raum abbilden zu müssen. Damit dies gelingt, bedarf es auch Änderungen beim Rechtsrahmen. So muss es z.B. möglich sein, Ladesäulen auf Supermarktplätzen auch nach Geschäftsschluss unproblematisch zu betreiben.

Schnelladenetz: keine Region abhängen!

Es reicht zudem nicht aus, sich auf Autobahnkorridore und Ballungsräume zu konzentrieren, wo am ehesten ein wirtschaftlicher Betrieb von Ladeinfrastruktur möglich erscheint. Deutschland braucht wie beim Breitbandausbau schnellstmöglich eine flächendeckende Versorgung, um keine Regionen im wahrsten Sinne des Wortes abzuhängen. Einen wichtigen Baustein bildet daher auch aus kommunaler Sicht das vom Bund subventionierte Schnellladenetz. Neben einem solchen Grundangebot muss Förderung gezielt dort ankommen, wo Kommunen und Anbieter Netzlücken schließen wollen.

Bei den letzten Förderaufrufen des Bundes für öffentliche Ladeinfrastruktur gingen gerade kleinere Vorhaben im ländlichen Raum häufig leer aus. Wenn es nun gelingt, den marktlichen Ansatz insgesamt zu stärken, können die notwendigen Spielräume geschaffen werden, um die ländlichen Räume auf dem Weg der Antriebswende mitzunehmen. Bei aller Euphorie über steigende Zulassungszahlen von Elektrofahrzeugen dürfen wir die Standortattraktivität der Kommunen, bspw. für Tourismusgemeinden, nicht aus dem Blick verlieren. Die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur sollte nicht zum Standortfaktor werden, sondern selbstverständlich sein.

Verkehrs- und Energieinfrastruktur: unbürokratischer Rechtsrahmen notwendig

Mit Elektromobilitätskonzepten liegen in vielen Kommunen schon umfassende Strategien vor, wie die Antriebswende vor Ort umgesetzt werden kann. Eine besondere Herausforderung stellen dabei die anzupassenden Verkehrs- und Energieinfrastrukturen dar. Hierzu bedarf es eines unbürokratischen und sicheren Rechtsrahmens, beispielsweise für die Ausweisung, Beschilderung und Kontrolle von Parkflächen an öffentlichen Ladesäulen. Auf privaten Flächen wie Supermarktparkplätzen finden wiederum baurechtliche Vorschriften Anwendung.

Als baulichen Anlagen unterliegen sie insbesondere den Genehmigungsanforderungen der Landesbauordnungen. Zum beschleunigten Ausbau sollte Ladeinfrastruktur bundesweit als verfahrensfreies Bauvorhaben eindeutig definiert und eine entsprechende Harmonisierung der Bauordnungen der Länder angestrebt werden. Nebenanlagen wie Überdachungen oder Transformatoren sollten regelhaft und länderübergreifend als solche anerkannt werden, um Planungs- und Genehmigungsprozesse zu verschlanken.

Die gleichen Erwägungen gilt es auch mit Blick auf die entsprechende Energieinfrastruktur zu berücksichtigen. Solarenergie-Lösungen, die quartiers- oder projektbezogen für Elektromobilitätsvorhaben eingesetzt werden, könnten durch vereinfachte Verfahren beschleunigt werden. Bonuszahlungen für Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen könnten bspw. auch auf Ladeinfrastruktur ausgeweitet werden. Und letztlich muss auch der Immissionsschutz hinsichtlich Flexibilisierungsmöglichkeiten fortlaufend auf den Prüfstand. Ziel muss sein, dass Kommunen verstärkt eigene und private Flächen für Ladestandorte nutzbar machen können.

Stromnetze: Flaschenhals vermeiden

Damit das Stromnetz für den Anschluss und Betrieb zusätzlicher (Schnell-)Ladesäulen ausgerichtet ist, bedarf es umfangreicher Investitionen und einer vorausschauenden Planung. Dies muss der Regulierungsrahmen im Bereich der Netze besser als bisher abbilden. Erforderlich ist es, im Rahmen der Kostenanerkennung von einem bedarfsgerechten Ausbau der Energienetze zu einem prognosebasierten Ausbau zu kommen. Das System der Anreizregulierung muss so weiterentwickelt werden, dass die absehbar notwendigen Investitionen in Intelligenz und Steuertechnik ermöglicht werden. Zugleich bietet sich die große Chance, Elektrofahrzeuge als Stromspeicher zu nutzen und somit das Versorgungssystem zu flexibilisieren und die Abregelungen von erneuerbaren Energien zu vermeiden.

Fahrzeugumrüstung: wer bezahlt es?

Unstreitig ist, dass mit der Förderung alternativer Antriebe von ÖPNV-Bussen und weiteren Kommunalfahrzeugen erhebliche Klimaschutzpotenziale gehoben werden können. Auch wird Elektromobilität somit sichtbar und die Luft in den Städten sauberer. Dies zeigen zahlreiche Positivbeispiele aus den Städten und Gemeinden, die gerade im Nutzfahrzeugbereich eine Vorreiterrolle eingenommen haben. Doch ohne Förderung sind die teils immer noch immensen Mehrkosten für Fahrzeuge und notwendige Infrastruktur von vielen Kommunen nicht zu stemmen.

Eine umfassende Förderung zur Beschaffung von Elektro-, Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellenfahrzeugen im ÖPNV und in kommunalen Fuhrparks ist auch vor dem Hintergrund der Umsetzung europäischer Vorgaben über einen längeren Zeitraum notwendig. Die mit den Beschaffungsquoten verbundenen höheren Kosten für saubere und emissionsfreie Fahrzeuge wären sonst nur durch Tariferhöhungen oder Angebotsreduzierungen zu kompensieren.

Zu guter Letzt: Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt

Elektromobilität wird dann zum Erfolg, wenn sie für jedermann erschwinglich und flächendeckend nutzbar ist. Angebote wie Ladeinfrastruktur müssen daher auch nutzerorientiert und durch einheitliche Standards verfügbar gemacht werden. Derzeit benötigen Elektrofahrzeugnutzer verschiedene Identifizierungs- und Zahlungsmittel je nach Ladesäule. Doch nur durch einfaches Finden und Reservieren geeigneter und verfügbarer Ladeinfrastruktur sowie transparentes und diskriminierungsfreies Bezahlen steigt die Akzeptanz. Europäische und nationale Rechtsgrundlagen sind daher so auszugestalten, dass ein nutzerfreundliches und flächendeckend verfügbares System etabliert wird.

Die Zeit drängt: Deutschland darf sich beim Ladeinfrastrukturausbau und auch als Industrienation weder lange Planungsverfahren noch ein „Schwarze-Peter-Spiel“ zwischen Industrie, Handel, Bund, Ländern und Kommunen leisten. Die Kommunen sind bereit, ihren Anteil zu leisten und müssen dazu jetzt flächendeckend in die Lage versetzt werden.

 

Die ausführlichen Positionen des kommunalen Spitzenverbands zum Thema sind abrufbar unter: https://www.dstgb.de/publikationen/positionspapiere/elektromobilitaet-in-der-flaeche-staerken/

 

Timm Fuchs

Beigeordneter, Deutscher Städte- und Gemeindebund
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