08.12.2022

Einführung eines Nullsteuersatzes für Photovoltaikanlagen

Energiewende in Deutschland (Teil 1)

Einführung eines Nullsteuersatzes für Photovoltaikanlagen

Energiewende in Deutschland (Teil 1)

Neue Koalition – neue Ideen: Im Regierungsentwurf[1] zum Jahressteuergesetz 2022 (im Folgenden: JStG 2022) ist erstmals seit der Einführung der Umsatzsteuer im Jahr 1918 (damals sog. Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer) die Einführung eines Nullsteuersatzes in Deutschland beabsichtigt.

1. Erstmalige Einführung eines Nullsteuersatzes in der Umsatzsteuer

Diese Ideen beruhen auf den Folgen des Klimawandels sowie dem „Green Deal“ der EU. Der Rat der EU hat bereits im April dieses Jahres den Grundstein für die Einführung von Steuersätzen unterhalb des Mindeststeuersatzes geschaffen. Am 05.04.2022 gab er Änderungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (im Folgenden: MwStSystRL) in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze der Mitgliedstaaten bekannt.[2] Diese Änderungen sehen u. a. vor, dass die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz, der unter dem Mindestsatz von 5 % liegt (Deutschland derzeit 7 %), oder eine Steuerbefreiung mit dem Recht auf Vorsteuerabzug (= Nullsteuersatz) anwenden dürfen.

Dieser Nullsteuersatz ist auf bestimmte Leistungen beschränkt. Hierunter fallen neben den Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die zur Deckung der Grundbedürfnisse dienen sollen (z. B. Nahrungsmittel, Arzneimittel und Hygieneartikel) nunmehr auch Solarpaneele. Nummer 10c des Anhangs III der MwStSystRL begünstigt daher die „Lieferung und Installation von Solarpaneelen auf und in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden“.


Diese von der EU geschaffene Möglichkeit möchte die neue Koalition mit dem JStG 2022 umsetzen. Der Regierungsentwurf sieht im neu einzuführenden Absatz 3 des § 12 UStG erstmalig einen Nullsteuersatz vor, der für die Lieferung und Installation entsprechender Solarmodule gilt. Dies bedeutet rein rechtssystematisch, dass kein steuerfreier, sondern ein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt, der jedoch zu 0 % besteuert wird. Für den leistenden Unternehmer bleibt somit der Vorsteuerabzug erhalten.

Neben der Einführung des Nullsteuersatzes für PV-Anlagen sollen zum 01.01.2023 zudem zwei weitere Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) geschaffen werden: Die Einführung einer Einkommensteuerbefreiung für die Einnahmen aus dem Betrieb von PV-Anlagen bis zu einer Nennleistung von 30 kW und die Erweiterung der Beratungsbefugnis für Lohnsteuerhilfevereine für Mandanten mit PV-Anlagen bis zu 30 kW. Diese Begünstigungen sind nicht Teil der weiteren Betrachtung.

2. Der neue § 12 Abs. 3 UStG-E

„(3) Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:

  1. die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt oder betragen wird;
  2. der innergemeinschaftliche Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
  3. die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
  4. die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.“

Durch die Einführung des Nullsteuersatzes sollen Bürger:innen von Bürokratieaufwand entlastet werden. Gem. § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG-E gelten die Voraussetzungen des Satzes 1 demnach ohne weitere Nachweise als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der PV-Anlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kW (peak) (im Folgenden: kWp) beträgt. Betrachtet man den Wert von 30 kWp, ist festzustellen, dass dieser im Wesentlichen für private Anlagen gedacht ist.

Als Faustregel gilt, dass eine PV-Anlage in Deutschland pro Jahr durchschnittlich 1000 kWh pro 1 kWp erzeugt. Peak-Leistung ist dabei nicht die Spitzenleistung, sondern die Leistung unter genormten Bedingungen, um die Leistung von Solaranlagen vergleichbar zu machen. Für eine vierköpfige Familie, die jährlich 4.000 bis 5.000 kWh Strom verbraucht, benötigt es also eine 5 kWp starke Anlage. Dies entspricht einer ungefähren Dachfläche von 24 qm.[3]

Gerade bei öffentlichen Gebäuden mit entsprechend großen Dachflächen oder bei Freilandanlagen wird der Wert von 30 kWp somit regelmäßig überschritten. In diesem Fall ist eine genaue Definition der einzelnen Tatbestandsmerkmale erforderlich, insbesondere mit Blick auf einen etwaigen Vorsteuerabzug bei der Kommune.

Im Folgenden soll deshalb auf die einzelnen Voraussetzungen im Detail eingegangen werden. Dabei ist zu beachten, dass aufgrund des noch laufenden Gesetzgebungsverfahrens noch Änderungen möglich sind. Zudem lässt der Gesetzesentwurf an mehreren Stellen Definitionsspielraum, sodass die nachfolgenden Ausführungen eine Einschätzung auf Basis des aktuellen Kenntnisstandes sind.

2.1 Marktstammdatenregister und Anlagenbegriff

Im Marktstammdatenregister, welches von der Bundesnetzagentur geführt wird, hat sich jede natürliche oder juristische Person zu registrieren, die am Energiemarkt teilnimmt (sog. Marktakteur).[4] Hierunter fallen Stromnetz-, Gasnetz- sowie Anlagenbetreiber.[5] Als Anlage gilt dabei gem. § 3 Nr. 1 EEG-Gesetz jede Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. Im Fall von PV-Anlagen ist jedes Modul eine eigene Anlage. Jedoch gelten gem. § 9 Abs. 3 EEG-Gesetz mehrere Solaranlagen zum Zweck der Ermittlung der installierten Leistung als eine Anlage, wenn sie sich auf demselben Grundstück oder Gebäude befinden und sie innerhalb von zwölf aufeinanderfolgenden Kalendermonaten in Betrieb genommen wurden. Somit ist davon auszugehen, dass auch die umsatzsteuerliche Definition die Module zum Zweck der Überprüfung der 30 kWp-Grenze als eine Anlage ansehen wird. Ohne eine klarstellende Definition des Anlagenbegriffs würden zukünftig alle Lieferungen von Solarmodulen vom Nullsteuersatz erfasst, da einzelne Module derzeit mit 300 bis 400 Watt ausgeliefert werden und Spitzenmodule bei 800 Watt liegen.

2.2 Solarmodule

Das deutsche Gesetz verwendet den Begriff des Solarmoduls, wohingegen die MwStSystRL von Solarpaneelen spricht. Ob der Gesetzgeber hiermit eine bewusste Abweichung zur MwStSystRL vornehmen möchte, ist unklar. Praktisch besteht jedoch ein Unterschied zwischen Modul und Paneel. Ein Solarpaneel ist demnach eine standardisiert zusammengesetzte Solarzelle, die für eine Standardanwendung gedacht ist. Ein Solarmodul ist individueller und kann für mehr Systeme eingesetzt werden. In der Regel hat ein Solarpaneel mehr Solarzellen als ein Solarmodul.[6] Dieser marginale Unterschied darf u. E. für die Anwendung des Nullsteuersatzes vor dem Hintergrund der Förderung des Ausbaus von PV-Anlagen keine Rolle spielen. Es ist viel eher anzunehmen, dass der Gesetzgeber den Begriff des Solarmoduls verwendet, da dieser auch in anderen Gesetzen, z. B. dem EEG-Gesetz, zur Anwendung gelangt.

Zu begrüßen ist, dass die Begünstigung nicht nur für Solarmodule, sondern auch für die damit zusammenhängenden wesentlichen Komponenten, z. B. den zwingend benötigten Wechselrichter, gelten soll. Darüber hinaus ist auch die Lieferung eines Stromspeichers – auch losgelöst von einem Solarmodul – begünstigt. Zwar ist ein Speicher nicht zwingend erforderlich für den Betrieb einer PV-Anlage. Durch die Ausweitung des Nullsteuersatzes auf Speicher und Komponenten wird jedoch verhindert, dass Betreiber von PV-Anlagen beim Erwerb derartiger Gegenstände mit Umsatzsteuer belastet werden, was einer Anwendung der Kleinunternehmerregelung entgegenstehen kann.[7]

Zolltarifrechtlich handelt es sich bei Solarmodulen u. E. um Waren der Zolltarifposition 85414300 („Fotoelemente, zu Modulen zusammengesetzt oder in Form von Tafeln“). Eine genaue Definition steht hier jedoch noch aus. Mit Blick auf die beabsichtigte Begünstigung der Einfuhr ist eine Klarstellung durch die Finanzverwaltung  wünschenswert.

2.3 Betreiber

Die Solarmodule sollen für die Anwendung des Nullsteuersatzes an den Betreiber einer PV-Anlage geliefert werden. Der sog. Anlagenbetreiber ist in § 3 Nr. 2 des EEG-Gesetzes definiert als derjenige, der unabhängig vom Eigentum die (PV-)Anlage für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien nutzt. Der Betreiber kann also auch ein Mieter oder Pächter der Anlage sein. Eben diese Betreiber sollen durch die neue Regelung von unnötiger Bürokratie entlastet werden. Aufgrund des Nullsteuersatzes sollen sie zukünftig ohne finanzielle Nachteile von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen können.[8] Denn der Anreiz, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten und somit den Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Anlage geltend zu machen, entfällt, wenn diese ohnehin ohne Umsatzsteuer erworben wird.

Zu beachten ist, dass nach dem aktuellen Gesetzentwurf jedoch nicht alle Kosten im Zusammenhang mit einer PV-Anlage mit 0 % besteuert werden. So unterliegen z. B. Steuerberatungs-, Reinigungs- oder Wartungskosten weiterhin dem regulären Steuersatz, sodass eine gänzlich kostenneutrale Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht möglich ist. In der Praxis sind daher die Vorteile der Kleinunternehmerregelung (z. B. keine monatliche Meldepflicht) und ihre Nachteile gegeneinander abzuwägen.

2.4 Wohnung / Privatwohnung

Die Anlage ist nur begünstigt, wenn sie auf oder in der Nähe entsprechender Gebäude errichtet wird. Zu den begünstigten Gebäuden zählen Wohnungen oder Privatwohnungen. Die Unterscheidung Wohnung und Privatwohnung hat der Gesetzgeber dabei aus Nr. 10c der Anlage III zur MwStSystRL übernommen. Ihr kommt im deutschen Sprachgebrauch keine weitergehende Bedeutung zu, da sie u. E. aus der Übersetzung der anderen Sprachfassungen resultiert. Im Ergebnis soll hiermit nur verdeutlicht werden, dass nicht zwischen selbstbewohnten („Privatwohnungen“) und vermieteten Wohnobjekten („Wohnungen“) unterschieden werden muss.

Als Wohnung gilt gem. § 8 AO jede Räumlichkeit, die objektiv auf Dauer zum Wohnen geeignet und bestimmt ist.[9] Auch wenn § 8 AO eine andere Zielrichtung hat, lässt sich die Begrifflichkeit entsprechend übertragen. Begünstigt sind somit Anlagen, die auf oder in der Nähe von Gebäuden errichtet werden, die zu Wohnzwecken dienen. Ob es sich hierbei um Ein- oder Mehrfamilienhäuser, Reihenhäuser, Doppelhaushälften etc. handelt, ist unerheblich.

Nicht erforderlich ist u. E., dass das Objekt ausschließlich als Wohnung oder Privatwohnung genutzt wird. Vielmehr kann der Nullsteuersatz auch dann zur Anwendung gelangen, wenn das Objekt gemischt zu Wohnzwecken und zu anderen Zwecken (z.B. gewerblich) genutzt wird (wie etwa EFH mit häuslichem Arbeitszimmer; MFH mit Supermarkt im Erdgeschoss; landwirtschaftliches Wohn- und Stallgebäude).

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Die Serie: Einführung eines Nullsteuersatzes für Photovoltaikanlagen

 

 

 

[1] Drucksache 20/3879: Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Jahressteuergesetz 2022 vom 10.10.2022.

[2] RICHTLINIE (EU) 2022/542 DES RATES vom 05.04.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze.

[3] Vgl. https://pvpublic.com/photovoltaikanlage/, abgerufen am 13.11.2022.

[4] Vgl. Axmann / Fietz in: https://publicus.boorberg.de/das-marktstammdatenregister/ vom 08.04.2022.

[5] Vgl. https://www.marktstammdatenregister.de/MaStRHilfe/subpages/registrierungVerpflichtendMarktakteur.html, abgerufen

am 11.10.2022.

[6]Vgl.https://pvpublic.com/solarzelle/#:~:text=Ein%20Solarpanel%20ist%20ein%20standardisiert,mehr%20Solarzellen%20als%20ein%20Solarmodul, abgerufen am 11.10.2022.

[7] Vgl. Drucksache 20/3879: Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Jahressteuergesetzes 2022 vom 10.10.2022, S. 128 f.

[8] Drucksache 20/3879: Gesetzentwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 der Bundesregierung vom 10.10.2022, zu § 12 Absatz 3, Seite 111.

[9] Koenig in Koenig, AO, § 8 AO, Rn. 9 – 4. Aufl. 2021.

 

Isabelle Axmann

Dipl.-Finanzwirtin (FH), Steuerberaterin, ist Manager der auf Umsatzsteuer- und Verbrauchsteuerrecht spezialisierten Kanzlei TLI VAT Services in München.
 

Andreas Fietz

Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater, ist Partner der auf Umsatzsteuer- und Verbrauchsteuerrecht spezialisierten Kanzlei TLI VAT Services in München.
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