16.12.2022

Einführung eines Nullsteuersatzes für Photovoltaikanlagen

Energiewende in Deutschland (Teil 2)

Einführung eines Nullsteuersatzes für Photovoltaikanlagen

Energiewende in Deutschland (Teil 2)

Im Regierungsentwurf[1] zum Jahressteuergesetz 2022 ist erstmals seit der Einführung der Umsatzsteuer im Jahr 1918 (damals sog. Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer) die Einführung eines Nullsteuersatzes in Deutschland beabsichtigt. Fortsetzung der ersten Teils.

2.5 Öffentliche / andere Gebäude für dem Gemeinwohl dienenden Zwecke

Neben Anlagen, die auf oder in der Nähe von Wohnungen und Privatwohnungen installiert werden, sind auch Anlagen begünstigt, die auf oder in der Nähe von „öffentlichen und anderen Gebäuden“ installiert werden. Voraussetzung ist, dass diese Gebäude „für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden“. Gebäude im Sinne der Vorschrift sind gem. Art. 13b MwStVO sämtliche mit oder in dem Boden befestigte Bauwerke mit Wänden und Dächern, die üblicherweise von Menschen genutzt werden.[2]


Dieses Gebäude muss für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten verwendet werden. Der Begriff entspricht der Formulierung des § 4 Nr. 29 UStG und ist daher entsprechend auszulegen. Eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ist hiernach jede Tätigkeit, die gem. § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 UStG steuerfrei ist. Daneben gehören hierzu auch die gem. §§ 2, 2b UStG nicht unternehmerischen Tätigkeiten der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Begünstigte Gebäude sind daher z. B. Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Schulen oder öffentliche Verwaltungsgebäude.

Unschädlich ist u. E. auch in diesem Fall die teilweise Nutzung zu anderen Zwecken (z. B. gewerblich). Es genügt demnach, wenn das Gebäude auch für dem Gemeinwohl dienende Zwecke genutzt wird. Für Kommunen bedeutet dies nach derzeitigem Verständnis, dass sie zukünftig auf allen Gebäuden, die auch für hoheitliche Zwecke genutzt werden, begünstigte PV-Anlagen errichten können (z. B. Rathaus, Feuerwehr, Bauhof, Schule, Kindergarten). Demzufolge dürfte u. E. z. B. auch das Rathaus eine Stromtankstelle betreiben und Strom an Mitarbeiter für ihre Firmen-PKW, E-Bikes oder auch an Dritte liefern.

2.6 Nähe

Zur Anwendung soll der Nullsteuersatz dann kommen, wenn die PV-Anlage „auf“ oder „in der Nähe von“ den o. g. Räumlichkeiten installiert wird. Dies entspricht dem Wortlaut von Nummer 10c des Anhangs III der MwStSystRL. Für die Auslegung ist insoweit auf die Intention des EU-Gesetzgebers abzustellen.

Auf“ dürfte unstreitig bei allen Formen von dachintegrierten Anlagen, Auf-Dach-Anlagen oder Fassadenmontagen erfüllt sein, wenn das Gebäude die obenstehenden Voraussetzungen erfüllt. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wann sich eine Anlage „in der Nähe von“ einem begünstigten Gebäude befindet.

Rund um das Thema Strom- und Energiesteuer gibt es vergleichbare Definitionen. Beispielsweise wenn Strom aus Anlagen bis zu 2 MW in einem räumlichen Zusammenhang zum Selbstverbrauch oder vom Letztverbraucher entnommen wird. Der räumliche Zusammenhang meint hier einen Radius von bis zu 4,5 km um die Anlage (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG i. V. m. § 12b Abs. 5 StromStV).

Aufgrund der Zielrichtung der Richtlinienvorschrift – „dem Endverbraucher einen besseren Zugang zu umweltfreundlichen Energiequellen zu verschaffen[3] – und dem abweichenden Wortlaut ist davon auszugehen, dass „in der Nähe von“ Gebäuden nicht entsprechend der stromsteuerrechtlichen Definition des räumlichen Zusammenhangs zu verstehen ist. Denn bei einem 4,5 km-Radius ginge der Anwendungsbereich der Regelung wesentlich über diese Zielrichtung hinaus. Beispielsweise könnten kleine Gemeinden Solarparks auf Freiflächen errichten, die sich in einem entsprechenden Radius rund um ein der Gemeinde dienendes Gebäude (z. B. Rathaus) befinden. Damit wäre eine nahezu flächendeckende Förderung möglich. Eine derart weite Begünstigung ist jedoch gerade nicht gewollt.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Anlage in unmittelbarer Nähe eines begünstigten Gebäudes stehen und mit diesem objektiv verbunden sein muss. Davon ist u. E. auszugehen, wenn sich die Anlage, wie auch im EEG-Gesetz wiederzufinden, auf demselben Grundstück wie das begünstigte Gebäude befindet. Ferner sollte eine technische/wirtschaftliche Verbindung zu dem begünstigten Gebäude bestehen (z. B. Zähler / Einspeisepunkt im Gebäude, Entnahmemöglichkeit im Gebäude).

Eine genaue Definition durch den Gesetzgeber und die Finanzverwaltung ist daher erforderlich.

2.7 Funktionsweise der 30 kW (peak)-Regelung

§ 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG-E ist als Fiktion ausgestaltet. Das bedeutet, dass für Anlagen mit einer Leistung von bis zu 30 kWp gesetzlich verbindlich unterstellt wird, dass Solarmodule für eine derartige Anlage die Voraussetzungen für die Begünstigung erfüllen. Der leistende Unternehmer muss in diesen Fällen nicht prüfen, ob der Leistungsempfänger die Voraussetzungen für eine Begünstigung erfüllt. Vielmehr unterliegen derartige Module stets dem Steuersatz von 0 %. Lässt eine Kommune somit eine PV-Anlage auf dem Hallenbad errichten und hat diese Anlage weniger als 30 kWp, muss die Abrechnung an die Kommune mit 0 % Umsatzsteuer erfolgen, auch wenn mit dem Schwimmbad steuerpflichtige Umsätze erzielt werden.

Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch nicht, dass der Nullsteuersatz auf Solarmodule mit einer Leistung von mehr als 30 kWp nicht anzuwenden ist. Bei derartigen Anlagen ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 UStG erfüllt. Der Leistende kann in diesen Fällen nur unter Ausweis von 0 % Steuer abrechnen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • der Leistungsempfänger ist Betreiber der Anlage und
  • die Anlage wird auf / in der Nähe von einem begünstigten Objekt installiert.

Als Nachweis für die Betreibereigenschaft dient die Eintragung im Marktstammdatenregister. Für die Frage der begünstigten Gebäudenutzung kann hingegen allenfalls mit einer Bestätigung durch den Leistungsempfänger gearbeitet werden. Bei Anlagen mit mehr als 30 kWp muss die Kommune folglich bestätigen, dass die Anlage auf oder in der Nähe von einem begünstigten Objekt errichtet wird.

3. Fallbeispiele und offene Fragen

Bereits aufgrund des Regierungsentwurfs und der noch nicht definierten Tatbestandsmerkmale des § 12 Abs. 3 UStG-E sind derzeit noch viele Fragen offen. Die folgenden Fallbeispiele sollen auf einige erste Fragestellungen aufmerksam machen und für die praktischen Schwierigkeiten sensibilisieren:

  • Unklar ist die genaue Definition des Anlagenbegriffs. Hat eine Kommune bereits eine PV-Anlage mit 20 kWp Bruttoleistung auf einem Gebäude installiert und lässt nun im Jahr 2023 nochmals 20 kWp auf demselben Gebäude installieren, ist unklar, ob der Nullsteuersatz zwingend zur Anwendung gelangt. Stellt man allein auf die einzelne Lieferung ab, ist der Umsatz zwingend mit 0 % zu besteuern. Kommt es hingegen auf die Gesamtleistung an, muss der Leistende diese kennen. Insbesondere wenn dieser nur die Module liefert und nicht auch montiert, hat er diese Information jedoch nicht, sodass es u. E. nur auf die einzelne Lieferung ankommen kann. Denkbar ist auch eine zeitliche Komponente – zwölf Monate – wie im EEG-Gesetz. Eine andere Auslegung würde die praktische Handhabbarkeit der Regelung erheblich erschweren.
  • Die Installation ist gem. § 12 Abs. 3 Nr. 4 UStG-E unter den Voraussetzungen der Nummer 1 ebenfalls zum Nullsteuersatz möglich. Ist diese jedoch eine Nebenleistung der Lieferung, gilt u. E. für die gesamte Lieferung § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG-E. Wie werden andere gängige Nebenleistungen, z. B. eine Dachausbesserung, Sanierung etc., behandelt? Teilen diese das Schicksal des Nullsteuersatzes oder widersprechen sich diese der Intention des Gesetzgebers und machen eine Aufteilung erforderlich? Sofern eine Aufteilung erforderlich ist und der Betreiber auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet hat, ist dann u. E. wiederum ein anteiliger Vorsteuerabzug möglich.
  • Die Installation einer PV-Anlage für einen Unternehmer ist eine Bauleistung i. S. d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG, sofern der Leistungsempfänger ebenfalls Bauleistender ist (§ 13b Abs. 5 S. 2 UStG = USt1TG liegt vor). Auch wenn die Umsätze dem Nullsteuersatz unterliegen, muss sie also der leistende Unternehmer in seiner Voranmeldung als Umsätze, „für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Abs. 5 UStG schuldet“ in Feld 60 der Umsatzsteuer-Voranmeldung erfassen.
  • Die Gemeinde ist Eigentümerin eines Hauses, das sie gewerblich an einen Supermarkt vermietet. Im Januar 2023 erwirbt sie ein Solarmodul mit 40 kWp bei einem Elektroinstallateur, den sie zugleich mit der Montage auf dem Haus beauftragt. Die Installation erfolgt im März 2023. Fortan speist sie den Strom zu 50 % ins Netz ein, zu 50 % liefert sie den Strom an den Supermarkt. Der Supermarkt kündigt im Juli das Mietverhältnis, weil er eine größere Fläche benötigt. Nach dem Auszug wird das gesamte Objekt steuerfrei an ein Ärztehaus vermietet.

Für die Anwendung des Nullsteuersatzes sind u. E. die Umstände im Zeitpunkt der Abnahme der Werklieferung im März 2023 maßgeblich. Da die Anlage nicht auf einem Gebäude, das für dem Gemeinwohl dienende Zwecke genutzt wird, installiert wird, unterliegt die Lieferung dem Regelsteuersatz. Die Gemeinde kann Vorsteuern aus der Anschaffung der PV-Anlage geltend machen. Der Umstand, dass das Gebäude ab Juli doch für dem Gemeinwohl dienende Zwecke verwendet wird, führt folglich nicht zu einer rückwirkenden Anwendung des Nullsteuersatzes.

Sofern die Lieferung des Stroms als Nebenleistung zur Vermietung in der Folge aber steuerfrei behandelt wird, liegt eine vorsteuerschädliche Verwendung gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, die zu einer anteiligen Vorsteuerkorrektur gem. § 15a Abs. 1 und 5 UStG über die nächsten 10 Jahre führt.

4. Fazit und Handlungsbedarf

Die Absicht des Gesetzgebers zur erstmaligen Einführung eines Nullsteuersatzes ist zu begrüßen. Die Parameter für dessen Anwendung dessen sind jedoch vor der Verabschiedung des JStG 2022 noch zu definieren. Auch die Vorlage der Umsatzsteuer-Voranmeldung ist um einige Kennziffern zu ergänzen.

Jedoch besteht für zukünftige private und kommunale Anlagenbetreiber bereits jetzt Handlungsbedarf. Denn wer seit dem 01.09.2022 eine PV-Anlage – mit 19 % Umsatzsteuer – bestellt hat, hat gem. § 29 Abs. 1 UStG bei Inkrafttreten des Gesetzes ab 01.01.2023 einen Anspruch auf Weitergabe des verminderten Steuersatzes durch den Rechnungsaussteller. Wo sich derzeitig PV-Anlagen im Bau befinden, ist Vorsicht geboten. Der Nullsteuersatz ist nur anwendbar, wenn die Leistung im Jahr 2023 ausgeführt wird. Insoweit kommt es auf den Zeitpunkt der Abnahme, spätestens auf die Inbetriebnahme der Anlage an. Die Inbetriebnahme erfolgt dabei konkludent, auch wenn bereits Strom produziert und gespeichert, aber noch nicht eingespeist wird.

Mit der Frage eines Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung sollen sich Privatpersonen laut Begründung des Regierungsentwurfs zukünftig nicht mehr befassen müssen, da der Bezug der PV-Anlage ohnehin ohne Umsatzsteuer erfolgen wird. Kommunen werden von dieser Option vielfach keinen Gebrauch machen können. Für diese ist es daher besonders relevant, ob der Leistende mit oder ohne Ausweis von 19 % Umsatzsteuer abrechnen muss. Wird fälschlicherweise mit Steuerausweis abgerechnet, handelt es sich bei der Steuer um eine § 14c UStG-Steuer, die auch bei steuerpflichtiger Verwendung der PV-Anlage nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Das Gesetz wurde zwischenzeitlich in der Fassung vom 30.11.2022 – Bundestagsdrucksache 20/4729 – verabschiedet. Der Wortlaut des Gesetzes unterscheidet sich nicht vom Gesetzesentwurf lt. Bundestagsdrucksache 20/3879 vom 10.10.2022. Der Gesetzgeber hat leider nicht erkannt, dass die Parameter für die Anwendung des Nullsteuersatzes noch einer erheblichen Konkretisierung bedürfen. Das Vorstehende gilt somit uneingeschränkt für den nunmehr beschlossenen § 12 Abs. 3 UStG. Ein klarstellendes BMF-Schreiben bleibt wünschenswert.

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Die Serie: Einführung eines Nullsteuersatzes für Photovoltaikanlagen

 

 

 

[1] Drucksache 20/3879: Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Jahressteuergesetz 2022 vom 10.10.2022.

[2] Vgl. Erläuterungen der EU-Kommission zu den 2017 in Kraft tretenden EU-Mehrwertsteuerbestimmungen zum Ort der Dienstleistung im Zusammenhang mit Grundstücken (Durchführungsverordnung [EU] Nr. 1042/2013) vom 26.10.2015, Tz. 64 ff.

[3] RICHTLINIE (EU) 2022/542 DES RATES vom 05.04.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU)
2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze, Erwägungsgrund 7.

 

Isabelle Axmann

Dipl.-Finanzwirtin (FH), Steuerberaterin, ist Manager der auf Umsatzsteuer- und Verbrauchsteuerrecht spezialisierten Kanzlei TLI VAT Services in München.
 

Andreas Fietz

Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater, ist Partner der auf Umsatzsteuer- und Verbrauchsteuerrecht spezialisierten Kanzlei TLI VAT Services in München.
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