07.03.2022

Der Einsatz der Methode E-Learning in der polizeilichen Ausbildung

Weiterentwicklung der polizeifachlichen Methodik

Der Einsatz der Methode E-Learning in der polizeilichen Ausbildung

Weiterentwicklung der polizeifachlichen Methodik

Ein Beitrag aus »Deutsches Polizeiblatt« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Deutsches Polizeiblatt« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

 

Die Corona-Pandemie hat auch die Notwendigkeit der Digitalisierung insbesondere im Bereich der Aus- und Fortbildung gezeigt. So zwingt auch die Digitalisierung der  Lernprozesse die Polizei zu weiterführenden Maßnahmen in den polizeifachlichen Ausbildungseinrichtungen, zur Neujustierung von digitaler Lehre und Präsenzunterricht sowie zur Auseinandersetzung mit neuen digitalen Formaten. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei E-Learning.

Begrifflichkeit E-Learning1

Eine verbindliche Definition existiert nicht. Mit dem Begriff E-Learning (abgeleitet von engl. electronic learning) wird untechnisch eine vielfältige Kombination elektronischer bzw. digitaler Medien zum Lernen bezeichnet. Dabei kommen virtuelle Lernräume oder die Kombination aus Präsenz- und Onlinelernen (Blended-Learning) zum Einsatz. Umgangssprachlich wird darunter aber vorrangig das computergestützte Lernen über das Internet verstanden. Dabei ist aber E-Learning nicht gleich ELearning. Die einfachste Form des E-Learning stellt der bloße Versand von E-Mails dar. Mittlerweile gibt es aber weitaus ausgefeiltere technische Lösungen, um einen E- Learning-Lehrbetrieb sicherzustellen. Zum einen helfen Lernmanagementsysteme wie beispielsweise Moodle, die einzelnen Lehrgruppenverbände zu organisieren und die notwendigen Lernmaterialen bereitzustellen, zum anderen gibt es verschiedene technische Möglichkeiten, den Lehrstoff zu vermitteln. Die Vermittlung des Lehrstoffes kann beispielsweise über ein Web Based Training, Podcasts, Videokonferenzen oder Skripte erfolgen. Web Based Training stellt eine Form des E-Learning dar. Im Regelfall sind Web Based Trainings kleine virtuelle multimediale Lerneinheiten, die online zur Verfügung gestellt werden. Die Bearbeitung eines Themas erfolgt im Regelfall durch mehrere Web Based Trainings. Inhaltlich werden die Web Based Trainings spielerisch nach dem Gamifikationprinzip aufbereitet.

Der Einsatz der Methode E-Learning

Grundlegend kann man bei der Verwendung der Methode E-Learning unterden asynchrone Lehr- und Lernmethoden handelt. Bei asynchronen Lehr- und Lernmethoden sind Lerner und Lehrender i. d. R. nicht zeitgleich online. Es werden Materialien wie beispielsweise Videos, Skripte, Podcasts, elektronische Lernprogramme online gestellt, welche sich der Lernende selbstständig aneignen muss. Bei synchronen Lehr- und Lernmethoden sind Lehrender und Lerner zeitgleich online.2 Der hohe praktische Anteil in der polizeilichen Ausbildung und auch die Notwendigkeit der Herausbildung eines Reflexionsvermögens auf das eigene Handeln schafft die Notwendigkeit der Kombination von Präsenz- und Fernlehreeinheiten. Dabei kann die Methode E-Learning oftmals nur theoretische Grundlagen bilden, die in einer Präsenzphase dann praktisch angewendet werden müssen, um ein Vermittlungsziel sicherzustellen.


Beispiel

In einer E-Learningphase lernen die Auszubildenden durch Videos, elektronische Lernprogramme, Skripte etc. die theoretischen Grundlagen der erkennungsdienstlichen Behandlung. Sie lernen die rechtlichen Voraussetzungen und kriminalistischen Ziele einer erkennungsdienstlichen Behandlung. In einer anschließenden praktischen Phase wenden die Auszubildenden in Rollenspielen die erkennungsdienstliche Behandlung dann tatsächlich an. Es bedarf also einer ausgewogenen Blended Learning-Strategie, die eine fachliche Wissensvermittlung mit dem Erlernen polizeipraktischer Fähigkeiten verbindet. Blended Learning stellt ein hybrides Lehrkonzept dar, das virtuelle und nichtvirtuelle Lehrveranstaltungen verbindet. Dabei verbindet Blended Learning in der Regel folgende Elemente: − Selbstgesteuerte Lerneinheiten, − Onlinevorlesungen, − Präsenzveranstaltungen.3 Mit der Implementierung von E-Learning in eine Ausbildungsorganisation geht auch eine Änderung des Lehr-Lernverständnisses einher. Die technischen Möglichkeiten bieten mehr als die Schaffung eines reinen Ablageortes, von welchem die Lernenden konsumieren können. Vielmehr werden durch E-Learning neue Interaktionsmöglichkeiten geschaffen, die eine aktivere Teilnahme der Lernenden am Unterrichtsgeschehen erfordern. Andererseits verlangt E-Learning von den Lernenden auch eine höhere Verantwortung, Lernprozesse selbst zu organisieren. 4

Die Lehrenden und Lernenden im E-Learning

Wie bei jeder Unterrichtseinheit sollte auch im Rahmen von E-Learning eine sorgfältige Adressatenanalyse durchgeführt werden. Je nach Adressat unterscheiden sich dann auch die eingesetzten Mittel und Methoden. Der Abstraktionsgrad der dargebotenen Materialien dürfte sich zwischen den einzelnen Laufbahnen erheblich unterscheiden. Im Rahmen der Ausbildung sollten insbesondere auch weiche Faktoren bei den Auszubildenden berücksichtigt werden. Dazu gehört insbesondere die Fähigkeit, sich und seinen Tagesablauf im Rahmen einer Fernlehre oder Distanzlehre selbst zu strukturieren und sich den Lehrstoff entsprechend des eigenen Leistungsvermögens einteilen zu können. Gerade am Anfang der Ausbildung dürfte das viele Auszubildende an die Grenze des Leistungsvermögens bringen, da nicht nur ein hohes Maß an Eigenverantwortung von diesen verlangt wird, sondern diese auch oftmals mit einer völlig neuen Materie an Lernstoff konfrontiert werden. Der Einsatz der Methode E-Learning stellt auch die Lehrenden vor große Herausforderungen. Nicht nur sind diese davon abhängig, dass die technischen Voraussetzungen bereitstehen und funktionieren, sondern die Art und Weise der Durchführung einer Unterrichtung unterscheidet sich aufgrund eines direkten Feedbacks von einer Unterrichtung in der Präsenz. Mimik, Gestik und oftmals auch direkte Nachfragen zum behandelten Stoff fehlen. Dadurch ergibt sich in der Vorbereitung und Planung der virtuellen Lehreinheiten ein deutlich erhöhter Zeitaufwand, da bei der Durchführung der Unterrichtung weniger flexibel auf Verständnisprobleme reagiert werden kann. Die Ressource der Videokonferenzen wird überall nur begrenzt verfügbar sein; so müssen die Lehrkräfte genau planen, für welchen Zweck diese genutzt werden soll. Soll diese aufgrund der fehlenden Interaktionsmöglichkeiten zur Diskussion und Durchdringung des Lehrstoffes genutzt werden oder wird ein Vortrag gehalten. Erstere Möglichkeit bietet sich aufgrund der oben genannten Problematik an, um ein Verständnis des Lernstoffes bei den Lernenden sicherzustellen. Beachtlich ist bei den Lehrenden der Faktor des erhöhten administrativen Aufwandes im Rahmen von E-Learning. Einsendungen müssen korrigiert werden, um den Lernenden ein Feedback geben zu können. Die z. T. aufwendig gestalteten Inhalte müssen nachbereitet und aktuell gehalten werden.

Organisatorische und technische Voraussetzungen zum Einsatz von E-Learning

E-Learning organisiert sich nicht von alleine. Die Lehrkräfte benötigen zur Umsetzung einer virtuellen Lehre organisatorische Unterstützung. Einen wichtigen Faktor stellt hier die Beratung der Lehrenden bei der Umsetzung von E-Learning-Vorhaben dar. Die Methode E-Learning stellt für viele Lehrende, trotz einer gewissen Erfahrung aufgrund der Covid19-Pandemie, eine relativ unbekannte Materie dar. Damit E-Learning mehr als das Bereitstellen von Texten oder das Versenden von E-Mails ist, bedarf es eines methodischen Konzepts, um ein Lernen auf Distanz und Veranstaltungen in der Präsenz sinnvoll zu verbinden. Im Lichte dieser Betrachtung und der mittlerweile unterschiedlich vorhandenen technischen Voraussetzungen zum Einsatz von E-Learning gibt es mittlerweile eine schier unüberschaubare Anzahl an technischen Lösungen, um E-Learning in der Praxis zu realisieren.  angestrebt werden, die plattformunabhängig eingesetzt werden können. Gerade bei einer „Bring your own device-Strategie“ stellt dies einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar, um eine allgemeine Akzeptanz der Methode E-Learning sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch Lernenden zu erreichen. Dabei geht es hier vielfach auch darum, dass die Anwender jedes verfügbare Gerät, ob Smartphone, Tablet oder Laptop, in möglichst vollem Umfang nutzen können. Die erfolgreiche Einführung des Einsatzes der Methode E-Learning ist stark von technischen Voraussetzungen abhängig. Hierbei kommt es insbesondere darauf an, dass die tatsächliche Anwendung durch Lehrende und Auszubildende möglichst einfach und ohne große Probleme stattfindet. Performanceprobleme oder technische Friktionen bei den Zugangsvoraussetzungen führen schnell zu Frustration bei den Anwendern.

Prüfungsformen im E-Learning

An verschiedenen Stellen einer Ausbildung oder eines Studiums müssen Prüfungen zur Feststellung des Leistungsstandes abgenommen werden. Im Rahmen eines polizeilichen Studiums oder einer Ausbildung muss dabei grundsätzlich zwischen theoretischen und praktischen Prüfungsformen unterschieden werden.

Theoretische Prüfungen

Theoretische Prüfungen zur Abfrage von Wissen oder zur Anwendung von Wissen auf Problemstellungen dürfte den Regelfall in E-Learning-Szenarien in der polizeilichen Ausbildung darstellen. a) Online-Vorträge Zur Abfrage der Problemlösungsfähigkeit stellen Online-Vorträge eine Möglichkeit dar. Dabei muss eine Problem-/ Fragestellung im Rahmen eines Vortrages gelöst werden. In Anbetracht der Corona-Pandemie und einer fortschreitenden Digitalisierung bietet diese Prüfungsform zugleich die Vorbereitung auf zukünftige Kommunikationsformen. Dadurch, dass Videochatsoftware in Zukunft einen erheblichen Anteil auch in der behördlichen Kommunikation einnehmen wird, werden hierdurch auch Kompetenzen der Anwärterinnen und Anwärter in diesem Bereich gestärkt. b) Elektronischer Test Weiterhin können durch elektronische Tests, die entweder vollautomatisiert oder teilautomatisiert ausgewertet werden können, Wissen und dessen Anwendung bei Anwärterinnen und Anwärtern abgefragt werden. Die Frageformen sind dabei vom Automatisierungsgrad der Auswertung abhängig; durch Multiple-Choice-Fragen können Tests vollständig automatisiert ausgewertet werden. Bei Anwendungsfragen müssen die Antworten anschließend manuell durch den Prüfer ausgewertet werden. Natürlich öffnet diese Form des Tests die Möglichkeit zum Betrug. Dem kann unter anderem durch eine zeitliche Begrenzung zur Bewältigung der Tests vorgebeugt werden. Zum anderen können die Fragen in einem derartigen Test bei jedem Prüfling in einer anderen Reihenfolge angezeigt werden. Weiterhin sollten die einzelnen Fragen und der Test insgesamt zeitlich begrenzt sein.

Praktische Prüfungen

Die weitaus schwieriger zu gestaltende Prüfungsform ist die Abnahme von praktischen Fertigkeiten. Hier spielen die technischen Möglichkeiten eine große Rolle. Gerade bei praktischen Prüfungsformen kommt der sogenannten Gamification eine besondere Bedeutung zu. Unter Gamification versteht man „die Übertragung von spieltypischen Vorgängen und Elementen in neue Umgebungen beziehungsweise Zusammenhänge“.5 a) Online-Rollenspiel Durch Online-Rollenspiele können verschiedene Szenarien abgeprüft werden. Die Prüfungen können durch Videochatsoftware ermöglicht werden. Dabei können Gesprächssituationen nachempfunden werden oder einfache polizeiliche Situationen gelöst werden. b) Problembasierte Szenarien Die Lösung problembasierter Szenarien6 erfordert die meisten technischen Ressourcen. Dabei steht hier zu Beginn ein komplexes reales oder realistisches Problem, das gelöst werden muss. Anschließend muss das vorgestellte Problem hinreichend dargestellt werden. Dies kann beispielsweise durch ein Video geschehen. Ziel ist es hierbei, dass der Prüfling in die Situation „eintauchen“ kann. Gerade bei problembasierten Szenarien können ein oder mehrere Prüflinge eingebunden werden. Die Möglichkeit, praktische Fertigkeiten abzufragen, ist stark abhängig von der verfügbaren Technik. Durch Virtual-Reality- Systeme beispielsweise dürften sich die Möglichkeiten zur Prüfungsabnahme deutlich erweitern, da hier praktische Fähigkeiten unmittelbar abgefragt werden können. Beispielsweise kann neben der Vermittlung des Ersten Angriffs am Tatort auch die praktische Umsetzung in einer virtuellen Umgebung abgefragt werden. Entscheidend ist, dass alle Prüfungsformen ausreichend vorab eingeübt werden, um Probleme in der Handhabung während der Prüfung zu vermeiden.

Perspektiven der Methode E-Learning in der polizeilichen Ausbildung

Das Instrument E-Learning kann unter den besonderen Bedingungen einer polizeilichen Ausbildung ein gewinnbringendes Instrument zur Wissensvermittlung sein. Dabei kann das Instrument gerade hier nie für sich alleine stehen und wird immer in Verbindung mit Präsenzphasen stehen, um einerseits die erlernte Theorie auch praktisch anzuwenden. Andererseits dienen die Präsenzphasen auch zur Zielkontrolle, ob das im Eigenstudium Erlernte auch verinnerlicht wurde. Die Vermittlung von Organisationswerten wird in der Ausbildung zum großen Teil nur im direkten Kontakt mit den Ausbildern und Lehrkräften zu erreichen sein. Gleichwohl bietet E-Learning den Lehrenden und Lernenden die Möglichkeit, jederzeit und ortsunabhängig auf Lehrinhalte zuzugreifen. E-Learning bietet ebenso die Möglichkeit, Quantität, Qualität und Tempo der Lehrstoffvermittlung zielgerichtet zu steuern, um so die Bedürfnisse des einzelnen Lernenden zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass die Lernenden im Gegensatz zum Präsenzunterricht ihr eigenes Lerntempo verfolgen können und nach ihrem eigenem Lerntyp lernen können. Dies fördert bei den Lernenden insbesondere ein problemorientiertes und selbstorganisiertes Lernen. Dabei wird aber von den Lernenden in diesem Lernsetting ein höheres Maß an Kompetenzen verlangt. Zum einen müssen die Lernenden den Lernprozess selbst steuern (Zeit, Dauer, Intensität), zum anderen verlangt E-Learning ein höheres Maß an Selbstmotivation.7

 

Erschienen im DPolBl 3/2021

 

1 Der Autor ist zertifizierter E-Tutor. Ein besonderer Dank geht an Frau FOLin Anne-Kathrin Wagner für die ausführlichen Gespräche über die methodischen und didaktischen Herausforderungen beim Einsatz von E-Learning.

2 In den meisten Fällen wird es hier um die Verwendung von Videochatsoftware oder Webcasts handeln.

3 Vgl. https://www.e-teaching.org/lehrszenarien/blended_learning. Zuletzt abgerufen am 08. Januar 2021.

4 Vgl. https://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2003/dietrich03_01.pdf, letzter Aufruf am 18. Januar 2021.

5 https://t3n.de/news/was-ist-eigentlich-gamification-1128037/; zuletzt abgerufen am 22. Februar 2021.

6 Zum grundlegenden Aufbau von problembasierten Szenarien: http://www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/Bildung/Methodisch-Didaktisches/Möglichkeiten%20der%20Vermittlung/Voice_problembasiertes_lernen.pdf; zuletzt abgerufen am 21. Februar 2021.

7 Vgl. Erpenbeck, John/ Sauter, Simon/ Sauter, Werner: E-Learning und Blended Learning.  Selbstgesteuerte Lernprozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung. Wiesbaden, 2015. S.18f.

 

 

Dominik Lambiase

Zertifizierter E-Tutor
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