11.01.2023

Bundesverfassungsgericht will Eltern mehr entlasten

BVerfG, Beschluss vom 07.04.2022 – 1 BvL 3/18, 1 BvR

Bundesverfassungsgericht will Eltern mehr entlasten

BVerfG, Beschluss vom 07.04.2022 – 1 BvL 3/18, 1 BvR

© Thomas Weißenfels – stock.adobe.com
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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in einem aktuellen Beschluss entschieden, dass Eltern mit zwei oder mehreren Kindern bei ihrer Beitragszahlung im System der sozialen Pflegeversicherung zukünftig entlastet werden und Erziehungsleistungen mehr berücksichtigt werden sollen. Nach Ansicht der Verfassungsrichter würden die derzeitigen Beitragsregelungen bei Eltern mit steigender Kinderzahl zu einer Ungleichbehandlung führen, die verfassungswidrig sei.

Eine aus Baden-Württemberg stammende Beschwerdeführerin hatte sich gegen die Regelungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung gewendet. Sie hatte gerügt, dass ihre Erziehungsleistung nicht mit niedrigeren Sozialbeiträgen unter anderem in der Pflegeversicherung honoriert werde. Sie begründete ihre Ansicht damit, dass ihre Kinder ja auch mit ihren künftigen Beiträgen das Sozialversicherungssystem stützen würden.

Das Bundesverfassungsgericht gab der Beschwerdeführerin Recht: In seiner Beschlussbegründung führten die Verfassungsrichter aus, dass im gegenwärtigen System der sozialen Pflegeversicherung Eltern mit mehr Kindern gegenüber solchen mit weniger Kindern benachteiligt würden, wenn der mit steigender Kinderzahl anwachsende Erziehungsmehraufwand im geltenden Beitragsrecht keine Berücksichtigung finde. Die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen erfordere die Beachtung des aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleiteten Gebots der Belastungsgleichheit, das sich auf alle staatlich geforderten Abgaben erstrecke.


Der Gesetzgeber müsse dabei die tatsächlichen Ungleichheiten des zu ordnenden Lebenssachverhalts berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie beachtet werden müssen. Die unabhängig von der Kinderzahl erfolgende Beitragsbelastung sei eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem und deshalb ein Nachteil der Eltern mit mehr Kindern.

Der wirtschaftliche Aufwand der Kindererziehung bestehe einerseits aus den tatsächlich aufgewendeten Kindererziehungskosten und andererseits aus den Opportunitätskosten, also den erziehungsbedingt entgangenen Erwerbs- und Versorgungschancen. Der Gesetzgeber hat bis Ende Juli 2023 Zeit, mit verfassungsgemäßen Regelungen nachzubessern.

 

Entnommen aus RdW-Kurzreport, 14/2022, S. 632.

 
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