30.01.2023

Umsatzsteuerpflicht- und Umsatzsteuerfreiheit im Rahmen der generalistischen Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz (PflBG)

Steuerrechtliche Beurteilung von Leistungen im Rahmen der Pflegeausbildung

Umsatzsteuerpflicht- und Umsatzsteuerfreiheit im Rahmen der generalistischen Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz (PflBG)

Steuerrechtliche Beurteilung von Leistungen im Rahmen der Pflegeausbildung

Ein Beitrag aus »Niedersächsische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Niedersächsische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV

Gegenstand des Beitrages ist die steuerrechtliche Beurteilung von Leistungen der im Rahmen der Pflegeausbildung beteiligten Akteure. Probleme bereitet die Einordnung von Bereichen der praktischen Ausbildung nach geltendem Umsatzsteuerrecht. Die Besonderheit dieser Ausbildung liegt in der engen Verzahnung der schulischen Ausbildung mit der praktischen Ausbildung. Anders als bei den meisten anderen Berufsausbildungen bestehen zwischen Schule und Ausbildungsbetrieb wechselseitige (entgeltliche) Leistungen. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Auszubildenden die praktische Ausbildung meist nicht nur in dem Betrieb ableisten, der sie einstellt. Teile der Ausbildung werden bei sogenannten Kooperationspartnern der Ausbildungsbetriebe absolviert. Auch wenn im Ergebnis weitgehend Einigkeit besteht, dass diese Leistungen von der Umsatzsteuer befreit werden sollen, ist unklar, wie diese Befreiung erfolgen soll. Hierüber soll der Beitrag Klarheit schaffen.

I. Einleitung

Seit dem 01.01.2020 sind die Pflegeschulen als Bildungsgang der Berufsfachschule (BFS) neu in das Niedersächsische Schulgesetz (NSchG) eingeführt worden. Der Bund hat durch das Pflegeberufegesetz (PflBG) die Grundlagen für eine generalistische Pflegeausbildung geschaffen und als Nachfolge der bislang bestehenden Berufsfachschulen Altenpflege und Krankenpflege (ehemals nach dem Krankenpflegegesetz des Bundes – KrPflG) bestimmt[1].

Zugleich wurden auch die Bereiche der Krankenpflege und der Kinderkrankenpflege in das NSchG übernommen. Die neuen §§ 1 Abs. 5 Satz 2, 16 Abs. 3 NSchG wurden durch Bestimmungen des PflBG ergänzt, dort insbesondere durch die §§ 7 – 10 PflBG. Ergänzt wurden zudem die Bestimmungen der Verordnung über berufsbildende Schulen (BbS-VO) durch eine neue Anlage 10 mit zusätzlichen Regelungen für die Pflegeschulen.


Auch bei den Berufsfachschulen Pflege (im Folgenden: Pflegeschulen) gibt es sowohl öffentliche Pflegeschulen wie auch solche in freier Trägerschaft. Die Pflegeschulen sind ein Bildungsgang in der dualen Berufsausbildung. Die Notwendigkeit von Kooperationspartnern ergab sich bislang nicht, die praktischen Zeiten wurden außerhalb von Kooperationsverträgen absolviert bzw. hatten die Altenpflegeschulen und Krankenpflegeschulen feste Kooperationsbetriebe, wo die Schüler und Schülerinnen ihre Praxiszeiten absolvieren können. Es gibt Pflegeschulen sowohl in öffentlicher wie in freier Trägerschaft (Privatschulen), die allein bestehen, so diejenigen, die aus ehemaligen Krankenpflegeschulen in den Kliniken hervorgegangen sind.

Aufgrund der Besonderheiten in der Pflegeausbildung ist es notwendig, dass die Praxiszeiten eng zwischen den Pflegeschulen und den „Trägern der praktischen Ausbildung“ nach § 8 PflBG (TdpA) abgestimmt werden müssen. Da diese TdpA im Ausbildungsverbund gegenüber den Pflegeschulen auch bestimmte (entgeltliche) Leistungen erbringen und diese Leistungen rechtlich als solche gewerblicher Art gelten können, können diese Leistungen der Umsatzsteuerpflicht unterliegen.

Aber auch die Schulen können außerhalb des Unterrichtsbetriebes gegenüber den TdpA und ihren Kooperationspartnern Leistungen erbringen. Da die TdpA häufig nicht alle Aspekte und Bereiche des Spektrums der Pflegeausbildung abdecken können, schließen diese mit Kooperationspartnern Verträge.

In diesem Rahmen erbringen diese Kooperationspartner Leistungen an die TdpA im Rahmen der Pflegeausbildung, und Auszubildende werden jene Teilbereiche der praktischen Ausbildung, welche nicht von deren Ausbildungsbetrieben (TdpA) abgedeckt werden können, bei diesen Kooperationspartnern absolvieren.

( … )

II. Keine Umsatzsteuerpflicht für Leistungen von Pflegeschulen an die TdpA

  1. Keine Umsatzsteuerpflicht für öffentliche Schulen

Die im Rahmen dieser Ausbildung von den Pflegeschulen gegenüber den TdpA oder den Kooperationspartnern zu erbringenden entgeltlichen Leistungen unterliegen nicht der Umsatzsteuerpflicht. Soweit es sich um öffentliche BFS Pflege handelt, sind diese insoweit keine „Unternehmer“ i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG. Sie erbringen i. S. d. Umsatzsteuerrechts keine „gewerblichen“ Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG. Denn den Schulen in öffentlicher Trägerschaft fehlt insoweit die Absicht, Einnahmen zu erzielen bei ihrer Tätigkeit.

Für die Schüler und Schülerinnen besteht in Niedersachsen grundsätzlich Schulgeldfreiheit, § 54 Abs. 2 Satz 1 NSchG. Denn die Ausbildungsleistungen dieser Schulen erfolgen im Rahmen des staatlichen Bildungsauftrages, wie er in Artikel 7 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Artikel 4 Niedersächsische Verfassung (NV) und letztlich in § 2 NSchG festgelegt ist. Das Schulverhältnis ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Damit scheidet eine unternehmerische Tätigkeit von vornherein aus. Unternehmerische Tätigkeiten sind vereinfacht formuliert nur solche, die neben der öffentlichen Hand auch jede andere natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts ausüben kann, die Ausübung solcher Tätigkeiten durch Privatrechtssubjekte mithin den Regelfall darstellen.

Dieses Regel-Ausnahmeverhältnis ist im Schulwesen genau umgekehrt.

  1. Umsatzsteuerfreiheit für Schulen in freier Trägerschaft

Schulen in freier Trägerschaft führen ihren institutionellen Schutz auf Art. 7 Abs. 4 GG zurück. Sie werden in der Regel von einem Träger geführt, der als juristische Person des Privatrechts organisiert ist. Da Schulen in freier Trägerschaft im Gegensatz zu den öffentlichen Schulen (§ 54 Abs. 1 NSchG gilt nach § 142 NSchG nicht für Ersatzschulen in freier Trägerschaft) Schulgeld für ihre Leistungen erhalten und auch sonst in marktüblicher Weise ihre Leistungen anbieten, sind sie „Unternehmer“ i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG.

Damit unterliegen deren schulische Leistungen grundsätzlich der Umsatzsteuerpflicht.

Da aber auch Schulen in freier Trägerschaft als sogenannte „Beliehene“ Aufgaben auf dem Gebiet des öffentlichen Schulrechts i. S. v. § 1 Abs. 4 VwVfG ausüben, mithin in bestimmten Aufgaben „Behördenstatus“ haben[2], vor allem als sogenannte „Ersatzschulen“ i. S. v. Art. 7 Abs. 4 GG i. S. d. §§ 142 ff NSchG, hat der Gesetzgeber in § 4 Nr. 21 Buchst. a) aa) UStG aus Gründen der gebotenen Gleichbehandlung (Artikel 3 Abs. 1 GG) die an sich umsatzsteuerpflichtigen Ersatzschulen kraft Gesetzes von der Umsatzsteuerpflicht befreit[3].

Zwischenergebnis: Die Leistungen von Schulen in öffentlicher oder freier Trägerschaft sind umsatzsteuerfrei.

V. Fazit und Ausblick

Weder die TdpA noch deren Kooperationspartner erbringen gegenseitig oder im Verhältnis zur Pflegeschule vertragliche Leistungen, die umsatzsteuerbar nach § 1 Abs. 1 UStG sind. Sie sind von vornherein nicht umsatzsteuerpflichtig.

Selbst wenn man für hypothetische sonstige Leistungen der TdpA oder deren Kooperationspartner, die umsatzsteuerbar wären, annehmen würde, dass diese als Privatrechtssubjekte geführte TdpA ein kostenpflichtiges Bescheinigungsverfahren nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG durchführen müssen, hingegen für solche TdpA, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft geführt werden, das nicht gilt, besteht eine Ungleichbehandlung, hier in Form einer Benachteiligung für TdpA in privater Hand. Da alle TdpA im selben Rechtsrahmen die gleichen Leistungen er bringen, bestehen erhebliche Zweifel, ob diese Ungleichbehandlung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist und welche rechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Konsequenzen bereits gezogen. In mehreren Urteilen außerhalb der Ausbildung in den Pflegeberufen beruft er sich wegen der unzureichenden Umsetzung des Unionsrechtes durch den Bund im UStG direkt auf Unionsrecht (Art. 132 i MwStSystRL), auch, soweit es privatrechtlich organisierte Unternehmen betraf[4]. Auf den Bereich der Ausbildung in der Pflege bezogen bedeutet das: beide TdpA – öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert – erbringen in gleicher Weise vergleichbare, wenn nicht identische Leistungen in der Ausbildung zu den Pflegeberufen.

Die Rechtsform in der Organisation der Trägerschaft allein ist kein sachlich geeignetes Kriterium, welches die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Daher verstößt die Durchführung des Bescheinigungsverfahrens nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG im Fall der privatrechtlich organisierten TdpA gegen Art. 3 Abs. 1 G und dürfte verfassungswidrig sein. Folglich könnten sich alle TdpA oder deren Kooperationspartner für ihre sonstigen, nicht aus dem Pflegefonds finanzierten Leistungen direkt unter Berufung auf Art. 132 i MwStSystRL an das Finanzamt wenden und ohne vorheriges kostenpflichtiges Bescheinigungsverfahren die Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht beantragen.

Es ist bei dem Ergebnis dieser Betrachtung naheliegend, dass sich auch alle anderen Bildungseinrichtungen, welche die Voraussetzungen des Art. 132 i MwStSystRL erfüllen, hierauf direkt berufen können, auch außerhalb der Pflegeberufeausbildung. Das Bescheinigungsverfahren nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG dürfte damit aufgrund der o. g. verfassungsrechtlichen Bedenken weitgehend leerlaufen.

Abschließend bleibt zu bemerken, dass das Bescheinigungsverfahren nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG gegenüber den TdpA bereits seit mehr als einem Jahr in Niedersachsen durchgeführt wird. Es wird daher neben dessen umgehender Beendigung zu prüfen sein, ob die bereits als „Bescheinigungen“ erlassenen Verwaltungsakte im Wege des § 48 VwVfG i. V. m. § 1 Nds.VwVfG zurückgenommen werden sollten.

 

Den gesamten Beitrag lesen Sie in den Niedersächsischen Verwaltungsblättern, 11/2022, S. 334.

[1] Schippmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) – Onlinekommentar – Stand: Oktober 2021 § 1 Anm. 6.

[2] Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), Onlinekommentar, § 1 Rn. 246, 254.

[3] Bunjes/Heidner, Umsatzsteuergesetz (UStG), 20. Aufl. § 4 Nr. 21 Rn. 2.

[4] Bunjes/Heidner, a. a. O.

 

Bernd Kaufmann

Regierungsdirektor im Regionalen Landesamt für Schule und Bildung, Braunschweig, Lehrbeauftragter der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer.
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