24.08.2023

Besitz einer verbotenen Waffe und deren Aufbewahrung im Wohnzimmer

Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs

Besitz einer verbotenen Waffe und deren Aufbewahrung im Wohnzimmer

Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs

Mit seit 10.03.2016 rechtskräftigem Strafbefehl verurteilte das Amtsgericht (AmtsG) einen Waffenbesitzer wegen vorsätzlichen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln (Cannabispflanzen) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

In einem amtsärztlichen Attest vom 08.03.2017 wird ausgeführt, dass der Waffenbesitzer nicht abhängig von berauschenden Mitteln sei bzw. in letzter Zeit keine Drogen konsumiert habe. Insgesamt sei er aus amtsärztlicher Sicht derzeit körperlich und geistig geeignet, mit Schusswaffen umzugehen. Das Landratsamt (LRA) verlängerte am 13.03.2017 den Jagdschein bis zum 31.03.2020.

Am 15.09.2017 fand ein größerer Polizeieinsatz am Anwesen des Waffenbesitzers statt, bei dem auch ein Sondereinsatzkommando beteiligt war. Nach kurzfristiger Festnahme des Waffenbesitzers ergaben die polizeilichen Ermittlungen, dass er zu Unrecht beschuldigt worden war. Ein Bürger teilte dem LRA mit Schreiben vom 05.06.2018 mit, er habe selbst erlebt, wie der Waffenbesitzer unter starkem Drogeneinfluss stehend bei ihm auf dem Anwesen erschienen sei, nur in Unterhose bekleidet, euphorisiert, hyperaktiv, wirr, mit stark geweiteten Pupillen, und anscheinend schmerzfrei durch meterhohe Brennnesseln gelaufen sei. Da eine vernünftige Verständigung nicht möglich gewesen sei, habe er ihn von seinem Grundstück verwiesen. Zahlreiche Nachbarn des Waffenbesitzers hätten ihm gegenüber bestätigt, dass dieses Verhalten ihnen wohlbekannt sei und mehrmals im Jahr auf der Straße vorkomme.


Gegen den Waffenbesitzer wurden drei Strafverfahren eingeleitet

Im Jahr 2019 wurden drei Strafverfahren gegen den Waffenbesitzer eingeleitet, die jeweils mangels Tatnachweises gem. § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt wurden. Ihm wurden dabei Menschenhandel, gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung in der Tatzeit vom 29.04.2019 bis 01.05.2019, gefährliche Körperverletzung und Vergewaltigung am 10.05.2019 sowie gefährliche Körperverletzung und Vergewaltigung am 09.09.2019 vorgeworfen. Die Polizei stellte im Rahmen ihres ersten Einsatzes wegen des ersten Tatvorwurfs am 02.05.2019 sechs erlaubnispflichtige und vier erlaubnisfreie Waffen, seine Waffenbesitzkarte und seinen Jagdschein sicher und gab die Gegenstände an das LRA ab.

In einem dem LRA übersandten Bericht der Polizeiinspektion vom 19.08.2019 wird ausgeführt, dass am 03.08.2019 eine uniformierte Streifenbesatzung zur Anschrift des Waffenbesitzers beordert worden sei. Dieser habe zuvor der integrierten Leitstelle mitgeteilt, dass seine Mutter sofort reanimiert werden müsste. Bei Eintreffen des Notarztes und des Rettungsdienstes habe die Mutter jedoch nicht aufgefunden werden können. Der Mann habe sich in einem latent aggressiven Ausnahmezustand befunden. Nach kurzer Recherche sei bekannt geworden, dass dessen Mutter seit ca. zwei Wochen nach einer Operation auf Reha in einem Seniorenheim gewesen sei. Dies sei ihm bekannt gewesen. Nach gutem Zureden des Notarztes habe er beruhigt und davon überzeugt werden können, sich in psychologische Behandlung zu begeben.

Elektroschocker war als Taschenlampe getarnt

Daraufhin sei er durch den Rettungsdienst ins Bezirkskrankenhaus verbracht worden. I. R. d. Einsatzes sei einem Polizeibeamten eine schwarze Taschenlampe mit der Aufschrift „Police, 50 000 W“ aufgefallen. Diese habe sich als ein Elektroschockgerät erwiesen, welches als schwarze Taschenlampe getarnt sei und gemäß dem Waffengesetz (WaffG) eine verbotene Waffe darstelle.

Diese „Taschenlampe“ besitze an der Unterseite einen separaten Schalter mit der Bezeichnung „ON“ und „OFF“, womit die Elektroschock- Funktion ein- und ausgeschaltet werden könne. Mittels eines weiteren Knopfs am Griffstück könne bei Bedarf ein Elektroimpuls über die an der Front der Taschenlampe eingearbeiteten Elektroden abgegeben werden. Bezüglich des aufgefundenen als Taschenlampe getarnten Elektroschockgeräts leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Waffenbesitzer wegen des vorsätzlichen Besitzes einer verbotenen Waffe gem. § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG ein Strafverfahren ein, das das AmtsG am 22.10.2019 wegen geringer Schuld gem. § 153 Abs. 2 StPO eingestellt hat.

Dieser legte dann dem LRA bzgl. seiner persönlichen Eignung zum Umgang mit Waffen ein Gutachten des TÜV vom 23.07.2020 vor. Darin wird ausgeführt, die Bedenken gegen die charakterliche Eignung für den Umgang mit Schusswaffen würden psychologisch gesehen als ausgeräumt gelten. Der Waffenbesitzer sei nicht abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, er sei nicht psychisch krank oder debil. Es bestehe nicht die Gefahr, dass er aufgrund von in seiner Person liegender Umstände mit Waffen und Munition unvorsichtig oder unsachgemäß umgehe. Am 26.07.2020 beantragte der Waffenbesitzer durch seine Bevollmächtigte per E-Mail beim LRA die Verlängerung des Jagdscheins sowie die Herausgabe der Waffen.

LRA widerrief die Waffenbesitzkarte wegen Unzuverlässigkeit

Mit Bescheid vom 18.09.2020 widerrief das LRA die Waffenbesitzkarte und zog diese ein. Es lehnte den am 26.07.2020 gestellten Antrag auf Erteilung eines Jagdscheins ab. Innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids habe der Waffenbesitzer für sämtliche erlaubnispflichtige Waffen und Munition einen Berechtigten für die Überlassung (Veräußerung) zu nennen oder diese zur form-, frist- und entschädigungslosen Vernichtung beim LRA zu belassen.

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die erteilte Waffenbesitzkarte sei aufgrund der fehlenden Zuverlässigkeit gem. § 45 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zu widerrufen. Der Jagdschein sei aus demselben Grund gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 Bundesjagdgesetz (BJagdG) abzulehnen. Der Betroffene sei unzuverlässig gem. § 5 Abs. 2 Nr. 5WaffG. Er habe durch den Besitz des als Taschenlampe getarnten Elektroschockgeräts gegen § 2 Abs. 3 WaffG verstoßen, da es sich hier um eine Waffe handele, die in Abschn. 1 Nr. 1.3.6 der Anlage 2 zum WaffG genannt werde, und somit der Umgang mit dieser Waffe verboten sei. Zudem bestünden Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass er gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden würde und nicht vorsichtig oder sachgemäß mit Waffen oder Munition umgehen werde.

Das Verwaltungsgericht (VG) wies die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 02.11.2021 ab. Der Bescheid sei rechtmäßig, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 18.09.2020 beim Waffenbesitzer die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit i. S. v. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht vorgelegen habe. Er sei unzuverlässig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG. Insbesondere die auch in der mündlichen Verhandlung erörterten Vorkommnisse der Jahre 2016 bis 2019 begründeten Zweifel daran, dass er künftig mit Waffen zuverlässig umgehen werde.

VG sah aggressive Grundeinstellung und ein mangelndes Konfliktvermeidungspotenzial

Dem VG erscheine es als durchaus wahrscheinlich, dass er den Rausch- bzw. Wahnzustand am 03.08.2019 bewusst durch den Konsum von „Naturdrogen“ herbeigeführt habe. Die rechtskräftige Verurteilung des Mannes wegen des Anbaus von Cannabispflanzen aus dem Jahr 2016 spreche ebenfalls für den Verdacht des Konsums von Naturdrogen. Dass es in einem erneuten derartigen Rausch- bzw. Wahnzustand, wie am 03.08.2019, zu einem missbräuchlichen oder leichtfertigen Zugriff des Klägers auf seine Waffen kommen könne, lasse sich nicht ausschließen. Der Kammer erscheine es als sehr zweifelhaft, dass der Waffenbesitzer nicht gewusst habe, dass es sich bei der Taschenlampe mit der Aufschrift „Police, 50 000 W“ um ein als Taschenlampe getarntes Elektroschockgerät und damit um eine nach § 2 Abs. 3 WaffG i. V. m. Nr. 1.3.6 der Anlage 2 zum WaffG verbotene Waffe gehandelt habe. Die im Jahr 2019 eingeleiteten und dann jeweils nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten drei Strafverfahren würden Tatsachen darstellen, die zusätzlich Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit begründen würden.

Die mehrmalige Auffälligkeit in Ermittlungsverfahren könne den Schluss auf eine aggressive Grundeinstellung und ein mangelndes Konfliktvermeidungspotenzial rechtfertigen, auch wenn keine Verurteilung erfolgt sei. In diesen Fällen müsse davon ausgegangen werden, dass sich die in der Person des Betroffenen liegenden Persönlichkeitsmerkmale gleichermaßen auf den Umgang mit Waffen auswirken würden. Von daher sei zu befürchten, dass der Betroffene einen Dritte gefährdenden Umgang mit der Waffe ausüben werde, weshalb seine Zuverlässigkeit ausscheide.

Der Betroffene sah sich „haltlosen Unterstellungen“ ausgesetzt

Mit der vom VG zugelassenen Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) verfolgte der Betroffene sein Rechtsschutzziel weiter. Zur Begründung trägt er vor, das VG halte es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob sich die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit im Hinblick auf das im Waffenrecht nicht hinzunehmende Restrisiko, wie hier angenommen, auch nur aus einer Gesamtschau von jeweils die Zuverlässigkeit in Frage stellende Vorkommnisse ergeben könne, ohne dass in der Mehrzahl ein konkretes Fehlverhalten strafrechtlich nachgewiesen werden konnte.

Dies könne aber nicht der Fall sein. Ihm habe ein irgendwie geartetes Fehlverhalten nicht nachgewiesen werden können. Die Strafverfahren seien mit einer einzigen Ausnahme entweder nach § 170 Abs. 2 StPO oder nach § 153 StPO eingestellt worden. Es sei unklar, wie das VG zu der Sichtweise gekommen sei, dass es wahrscheinlich erscheine, dass er den Rausch- bzw. Wahnzustand am 03.08.2019 bewusst durch den Konsum von „Naturdrogen“ herbeigeführt habe.

Es sei auch nicht erklärbar, weshalb er einen derartigen Zustand bewusst herbeigeführt haben sollte. Er habe sich nach diesem Vorfall für mehrere Wochen in stationärer Behandlung befunden. Ein derartiger einmaliger Vorfall dürfe nicht zu einer solchen Unterstellung des Gerichts führen. Die Verurteilung wegen des Anbaus von Cannabis aus dem Jahr 2016 könne zu keiner anderen Annahme führen. Das durchgeführte Drogenscreening sei negativ verlaufen. Der Strafbefehl sei lediglich akzeptiert worden, um ein gerichtliches Verfahren mit dem im Ergebnis sehr wahrscheinlich gleichen oder jedenfalls ähnlichen Ausgang zu vermeiden. Fakt sei, dass er weder seinerzeit noch zu einem späteren Zeitpunkt noch derzeit Drogen zu sich nehme oder jemals zu sich genommen habe.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 10/2023, Rn. 124.

 
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