18.09.2023

Zusammenarbeit der Polizei mit anderen Behörden im Straßenverkehrsrecht

Besondere Formen der interbehördlichen Zusammenarbeit

Zusammenarbeit der Polizei mit anderen Behörden im Straßenverkehrsrecht

Besondere Formen der interbehördlichen Zusammenarbeit

Ein Beitrag aus »Deutsches Polizeiblatt« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Deutsches Polizeiblatt« | © emmi - Fotolia / RBV

Die Polizei muss auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts mit zahlreichen anderen Behörden zusammenarbeiten, um gemeinsam mit ihnen eine bestmögliche staatliche Verkehrssicherheitsarbeit gewährleisten zu können.1Ein besonderes Kapitel bildet dabei die Bearbeitung von Strafanzeigen, die an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben werden müssen. Dieses Kapitel wird in diesem Beitrag ausgespart. Es würde den engen Rahmen dieses Überblicks inhaltlich sprengen. Dass diese Zusammenarbeit stets auf Augenhöhe und damit unter gegenseitiger Offenlegung sämtlicher Entscheidungsgrundlagen erfolgen sollte, wird sich üblicherweise von selbst verstehen, entspricht aber nicht überall der gängigen Praxis. Hier wird ein Überblick über die wichtigsten Kooperationen zwischen Vollzugspolizei und Kommunalbehörden gegeben.

Zusammenarbeit mit Fahrerlaubnisbehörden gem. § 2 Abs. 12 StVG

Die Polizei hat aufgrund dieser gesetzlichen Verpflichtung ohne eigenes Ermessen Informationen über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, den Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln. Sie hat allerdings das Ermessen vorab zu überprüfen, ob für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus ihrer Sicht eine solche Übermittlung erforderlich ist. Diese Pflichtmitteilung dient dazu, den Fahrerlaubnisbehörden die Einleitung von Überprüfungsmaßnahmen hinsichtlich der möglichen Nichteignung oder Nichtbefähigung von Fahrerlaubnisbewerbern oder -inhabern zu ermöglichen.2Müller, Probleme des Fahreignungsrechts und die Pflichtmitteilungen der Polizei gem. § 2 Abs. 12 StVG, DAR 2013, 69.

Die Verpflichtung der direkten Weitergabe von Personendaten zum Zwecke der Eignungsüberprüfung benennt zunächst einmal die Fahrerlaubnisbehörden als zuständige Behörden und Adressaten von Informationen über eignungsrelevante Tatsachen sowie auf der anderen Seite die Polizei als Überbringer der Informationen. Die Polizei darf vor dem Hintergrund ihrer durch die Aspekte der Verkehrssicherheit vorgeprägten Sichtweise im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens darüber entscheiden, ob die Übermittlung erforderlich ist. Diese Entscheidung bedarf also vorangehender Überlegungen im Einzelfall und würde im Falle pauschaler Handhabung gegen den verfassungsrechtlich verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Ein guter fachlicher Kontakt zur Fahrerlaubnisbehörde ist für die praktische Handhabung dieser Mitteilungspflicht unerlässlich, um darüber entscheiden zu können, in welchen Fallsituationen welche Daten zur Beurteilung der Kraftfahrereignung erforderlich sind. Dazu bedarf es regelmäßiger Absprachen auf der Leitungsebene und gemeinsamer Schulungen und Besprechungen auf der Arbeitsebene.


Einen ersten Anhaltspunkt über sachliche Gegenstände der Mitteilungen gibt die im Gesetzgebungsverfahren für die Vorschrift des § 2 Abs. 12 StVG abgegebene Begründung zur damaligen Neufassung des StVG, indem sie beispielhaft die nachfolgend genannten drei Bereiche

  1. Alkoholmissbrauch,
  2. Einnahme von Drogen und
  3. Besitz von Drogen

besonders hervorhebt.

Daneben muss die Polizei nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch auch alle Tatsachen berichten, die „den Verdacht einer andauernden Ungeeignetheit nahelegen“. Diese Formulierung des Gesetzgebers bezieht den großen Kreis fahreignungsrelevanter Erkrankungen körperlicher und geistiger Art ebenso in die Übermittlungspflicht ein wie den großen Bereich charakterlicher Auffälligkeiten, die insbesondere aus Aggressionstaten, und zwar auch außerhalb des Straßenverkehrs begangenen, resultieren. Erkenntnisse können demnach auch aus gänzlich anderen Ermittlungsverfahren gewonnen werden wie z. B. aus der Ermittlung und Sachbearbeitung von Körperverletzungs- und anderen Delikten, die gegen die Integrität von Personen gerichtet sind. Diese Bewertung folgt der Erkenntnis einer unteilbaren Persönlichkeit eines Menschen, der sich als Führer eines Kraftfahrzeuges in seinem ursprünglichen Charakter nicht plötzlich ändert, sondern sein möglicherweise aggressives Wesen nicht nur im häuslichen Umfeld, sondern auch im Straßenverkehr auslebt. Befand sich einer der Täter z. B. unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder spielte der Umgang mit Betäubungsmitteln bei einer beteiligten Person eine Rolle, ist auf der Grundlage des § 14 FeV eine Pflichtmitteilung an die Fahrerlaubnisbehörde bereits aus diesem Grund zwingend erforderlich, weil grundsätzlich auch der Besitz von Drogen regelmäßig erste Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet. Belastbare Tatsachenmitteilungen der Polizei zu Drogenbesitz fließen im Regelfall direkt in die behördliche Entscheidung über die Anordnung der Beibringung eines Arztgutachtens gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV ein.

Die Anordnungsgrundlage des § 11 Abs. 2 FeV stützt sich „bei Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung“ ebenfalls direkt auf die von der Polizei mitgeteilten Tatsachen, die bei der Fahrerlaubnisbehörde zu „Bedenken“ hinsichtlich der Fahreignung eines Fahrerlaubnisbewerbers oder eines Inhabers einer Fahrerlaubnis führen. Diese auf Tatsachen gegründeten und einen Gefahrenverdacht herbeiführenden Bedenken sollen mittels des angeforderten Gutachtens ausgeräumt werden.

Zusammenarbeit mit Straßenverkehrsbehörden zur Verkehrsregelung

Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 StVO darf die Polizei bei Gefahr im Verzug an Stelle der Straßenverkehrsbehörde vorläufige Maßnahmen treffen. Die Polizei besitzt gem. § 44 Abs. 2 eigene Kompetenzen zur Wahrnehmung von Teilaufgaben der StVO, die ihr vom Verordnungsgeber unabhängig von den Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde aufgetragen worden sind. Diese Teilaufgaben nimmt sie in eigener Verantwortung wahr. Weisungen nimmt sie daher lediglich von der ihr rechtmäßig übergeordneten Hierarchieebene an. Die Befugnisse der Polizei aus § 44 Abs. 2 lassen sich abschließend unter dem Begriff „unvorhersehbar“ einordnen.3Huppertz/Riedel, Zuständigkeiten im Zusammenhang mit Verkehrsregelungsmaßnahmen bei Veranstaltungen und anderen Anlässen, VD 1996, 100. Von „Gefahr im Verzug“ wird dort gesprochen, wo zur Verhinderung eines Schadens sofort eingegriffen werden muss und ein Abwarten (etwa bis zum Handeln der sonst prinzipiell zuständigen Behörde) die Effektivität der Gefahrenbekämpfung infrage stellen oder jedenfalls einschränken würde.4Schenke, Schenke/Schenke, in: Steiner/Brinktrine, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2018, Kap. II Rn. 55.

Gefahr im Verzug liegt hierbei vor, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse und der Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme; der Begriff „Gefahr in Verzug“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden, da eine effiziente Gefahrenabwehr nicht durch Zuständigkeitsprobleme erschwert oder verhindert werden darf.5VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.04.2005 – 1 S 2362/04, BeckRS 2005, 27788.

Eine Gefahr ist bekanntlich im Verzug, wenn diese zwar noch nicht gegenwärtig, aber doch schon so aktuell ist, dass bestimmte Verfahrens- und Formvorschriften nicht mehr eingehalten werden müssen, damit ein drohender Schadenseintritt noch rechtzeitig verhindert werden kann. Daher kommt es bei dem Vorliegen einer Gefahr im Verzug zu einer Kompetenzverlagerung auf eine an sich unzuständige Behörde, weil ein Eingreifen der zuständigen Behörde nicht mehr abgewartet werden kann. Würde die zuständige Behörde handeln, wären die notwendigen Maßnahmen zur Schadensabwendung inzwischen erschwert oder erfolglos.6Krüger, Der Gefahrbegriff im Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 2013, 985.

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist eine Ex-Ante-Perspektive, womit es auf die erkennbaren Umstände im Zeitpunkt des polizeilichen Handelns ankommt. Bei verständiger Würdigung müssen objektive Anhaltspunkte für eine Gefahr vorgelegen haben. Der erforderlichen Gefahrenprognose ist das Tatsachenwissen zugrundezulegen, das der Polizeibehörde zum Zeitpunkt ihres Einschreitens bekannt war. Anhand dessen muss aus Sicht eines objektiven, besonnenen und sachkundigen Amtswalters das Vorliegen einer Gefahr bejaht werden können aus. Ob sich nachträglich ergibt, dass in Wirklichkeit keine Gefahr vorlag, ist unerheblich.7Zusammenfassend VG Bremen, Urt. v. 12.07.2022 – 2 K 1849/20, BeckRS 2022, 18527.

Die Polizei ist lediglich ermächtigt, vorläufige Maßnahmen zu treffen, die einer konkreten Gefahrenlage vorübergehend abhelfen. Endgültige Maßnahmen durch die Straßenverkehrsbehörde müssen danach folgen, wenn die konkrete Gefahrenlage bestehen bleibt. Diese vorläufigen Maßnahmen können einen Sicherungscharakter und/oder einen Lenkungscharakter besitzen. In jedem Fall muss die zuständige Behörde von der vorläufigen Maßnahme entweder parallel oder nachträglich unverzüglich verständigt werden.8Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 44 StVO Rn. 6: „alsbald“.

[…]

Den vollständigen Beitrag lesen Sie im Deutschen Polizeiblatt 3/2023, S. 12.

 

Prof. Dr. Dieter Müller

Professor für Verkehrsrecht an der Hochschule der Sächsischen Polizei, Rothenburg/Oberlausitz
 

Dr. Adolf Rebler

Regierungsamtsrat, Regierung der Oberpfalz, Regensburg
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    Ein besonderes Kapitel bildet dabei die Bearbeitung von Strafanzeigen, die an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben werden müssen. Dieses Kapitel wird in diesem Beitrag ausgespart. Es würde den engen Rahmen dieses Überblicks inhaltlich sprengen.
  • 2
    Müller, Probleme des Fahreignungsrechts und die Pflichtmitteilungen der Polizei gem. § 2 Abs. 12 StVG, DAR 2013, 69.
  • 3
    Huppertz/Riedel, Zuständigkeiten im Zusammenhang mit Verkehrsregelungsmaßnahmen bei Veranstaltungen und anderen Anlässen, VD 1996, 100.
  • 4
    Schenke, Schenke/Schenke, in: Steiner/Brinktrine, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2018, Kap. II Rn. 55.
  • 5
    VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.04.2005 – 1 S 2362/04, BeckRS 2005, 27788.
  • 6
    Krüger, Der Gefahrbegriff im Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 2013, 985.
  • 7
    Zusammenfassend VG Bremen, Urt. v. 12.07.2022 – 2 K 1849/20, BeckRS 2022, 18527.
  • 8
    Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 44 StVO Rn. 6: „alsbald“.
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