04.09.2023

Zur Zurverfügungstellung eines Kita-Betreuungsplatzes

Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen

Zur Zurverfügungstellung eines Kita-Betreuungsplatzes

Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen

Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hatte über Streitigkeiten für die Zurverfügungstellung eines Betreuungsplatzes in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege zu entscheiden.

Leitsätze

Bei Streitigkeiten in der Hauptsache, in denen es um die Zurverfügungstellung eines Betreuungsplatzes in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege geht, ist als Gegenstandswert der Auffangwert nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) zugrunde zu legen. Dieser Wert ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in denen der vorläufige Nachweis eines Betreuungsplatzes begehrt wird, zu halbieren.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (VG) vom 03.11.2022 – 2 K 1366/22 – geändert. Der Gegenstandswert wird auf 2500,00 € festgesetzt.


Gründe

[1] Über die Beschwerde entscheidet, weil der angefochtene Gegenstandswertbeschluss durch die Berichterstatterin erlassen wurde, nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) die Berichterstatterin als Einzelrichterin.

[2] Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den am 07.11.2022 zugestellten Beschluss des VG, mit dem dieses den Gegenstandswert des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens mit dem Hauptantrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem im April 2019 geborenen Antragsteller einen Betreuungsplatz in der Tageseinrichtung J. mit einem Betreuungsumfang von 41 Wochenstunden mit den Vollzeittagen Montag und Mittwoch bereitzustellen, und den Hilfsanträgen, ihm einen Betreuungsplatz in der Tageseinrichtung J. mit einem Betreuungsumfang von 41 Wochenstunden mit zwei Vollzeittagen (Hilfsantrag 1) bzw. von 41 Wochenstunden, wenigstens jedoch 32 Wochenstunden (Hilfsantrag 2), oder in der Tageseinrichtung S. mit einem Betreuungsumfang von 41Wochenstunden bereitzustellen (Hilfsantrag 3), auf 5 000,00 € festgesetzt hat. Zur Begründung hat das VG ausgeführt, der im Hauptsacheverfahren anzusetzende Auffangwert sei nicht zu halbieren, da der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache ziele.

[3] Der Antragsteller beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf 2 500,00 € herabzusetzen. Er ist der Auffassung, es sei entgegen der Ansicht des Gerichts nicht zwingend, dass bei einer Vorwegnahme der Hauptsache stets von einer Halbierung des in der Hauptsache festzusetzenden Werts abzusehen sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Gegenstandswert mit dem Wert des Hauptsacheverfahrens gleichzusetzen sei, seien nicht dargetan und auch nicht gegeben.

[4] Der Prozessbevollmächtigte der beigeladenen Gemeinde bringt dagegen vor, bei Erlass der begehrten Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren seien vollendete Tatsachen geschaffen worden, welche in tatsächlicher Hinsicht die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ersetzt hätten, weshalb kein Grund für die begehrte Herabsetzung des Gegenstandswerts bestehe.

[5] Die Beschwerde hat Erfolg.

[6] 1. Die Beschwerde gegen den Gegenstandswertbeschluss ist gem. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

[7] Die Beschwerde ist als von den Prozessbevollmächtigten im Namen des Antragstellers eingelegt anzusehen.

[8] Zwar enthält die Beschwerdeschrift vom 21.11.2022 keine ausdrückliche Erklärung dazu, wer als Beschwerdeführer auftritt. Nicht eindeutige Prozess- und Verfahrenshandlungen sind aber – analog den im materiellen Recht entwickelten Grundsätzen – auslegungsfähig, wobei auf den für das Gericht und die Gegenpartei als Empfänger – erforderlichenfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung – vernünftigerweise erkennbaren Sinn abzustellen und im Zweifel anzunehmen ist, dass angestrebt wird, was sich nach den Maßstäben der Rechtsordnung als vernünftig erweist und mit den wohlverstandenen Interessen der Beteiligten in Einklang steht (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 17.01.2023 – 5 OA 136/22 –, juris Rn. 4, m. w. N.; OLG Dresden, Beschl. v. 15.08.2022 – 4 W 422/22 –, juris Rn. 3, m. w. N.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.07.2022 – 11 W 20/22 –, juris Rn. 3). Dabei ist einzustellen, dass ein Rechtsanwalt zwar gem. § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG aus eigenem Recht Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts einlegen kann.

Allerdings muss der Beschwerdeführer nach den allgemeinen Grundsätzen des Rechtsmittelrechts durch die angegriffene Entscheidung auch beschwert sein. Ein Rechtsanwalt ist regelmäßig nur durch einen zu geringen Wert beschwert, da er dann seine Vergütung nur nach dem geringeren Wert abrechnen kann (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 17.01.2023 – 5 OA 136/22 –, juris Rn. 4; BayVGH, Beschl. v. 30.10.2013 – 9 C 12.2431 – , juris Rn. 12; Laube, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, GKG § 68 Rn. 43, 49, m. w. N., Stand: 01.01.2023; Schneider, in: Schneider/Volbert/ Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 68 GKG Rn. 35; K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, in: v. Seltmann, BeckOK RVG/K, § 33 Rn. 17 a, Stand: 01.03.2023).

[9] In Anwendung dieser Maßstäbe ist vorliegend davon auszugehen, dass die Prozessbevollmächtigten im Namen des Antragstellers die Beschwerde, die auf eine Herabsetzung des Gegenstandswert gerichtet ist, eingelegt haben. Hierfür spricht zwar noch nicht ohne Weiteres die in der Beschwerde gewählte Formulierung („legen wir hiermit . . . Beschwerde ein“ statt „legt der Antragsteller“ oder „legen wir namens des Antragstellers Beschwerde ein“).

Vorliegend ist jedoch die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Prozessbevollmächtigten zugleich die Eltern und gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Antragstellers sind. Zudem haben sie auch in der Antragsschrift im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor dem VG die Formulierung „beantragen wir“ (mit dem Zusatz „als gesetzliche Vertreter des Antragstellers“) verwendet (vgl. zur Verwendung des Pronomens „wir“: OVG NRW, Beschl. v. 06.05.2020 – 10 E 1079/19 –, juris Rn. 5). Für die Einlegung der Beschwerde im Namen des Antragstellers, der die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, spricht maßgebend die Interessenlage, da nur dieser als kostenbelasteter Beteiligter durch einen zu hoch angesetzten Gegenstandswert beschwert sein kann (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 17.01.2023 – 5 OA 136/22 –, juris Rn. 4).

[10] Die so verstandene Beschwerde, der vom VG nicht abgeholfen wurde (Beschl. v. 22.11.2022, vgl. § 33 Abs. 4 Satz 1 RVG), ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere übersteigt sie den nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG erforderlichen Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 €.

Dieser berechnet sich nicht nach der Differenz zwischen festgesetztem und begehrtem Gegenstandswert, sondern aus dem Unterschied der Gebühren, die sich für den Beschwerdeführer unter Zugrundelegung des angefochtenen und des erstrebten Gegenstandswerts ergeben (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 30.07.2020 – 3 E 42/ 20 –, juris Rn. 4; OVG NRW, Beschl. v. 11.07.2018 – 12 E 967/17 –, juris Rn. 2; zur vergleichbaren Regelung des § 68 Abs. 1 Satz 1 RVG: OVG LSA, Beschl. v. 28.03.2022 – 2 O 27/22 –, juris Rn. 3; BayVGH, Beschl. v. 10.09.2020 – 9 C 20.1534 –, juris Rn. 9, und v. 19.11.2018 – 10 C 18.2059 –, juris Rn. 4).

Entscheidend ist mithin, in welchem Umfang sich die Position des Beschwerdeführers in kostenmäßiger Hinsicht durch die erfolgte Gegenstandswertfestsetzung gegenüber der Position bei einer Gegenstandswertfestsetzung der von ihm gewünschten Höhe verschlechtert (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 01.07.2010 – 8 OA 117/10 –, juris Rn. 3; Laube, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, GKG § 68 Rn. 70, m. w. N., Stand: 01.01.2023; jew. zu § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG).

[…]

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Gemeindekasse Baden-Württemberg 7/2023, Rn. 25.

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