Zur Kumulierung von Fördermitteln auf Grundlage der Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020
EU-Beihilfenrechtliche Grenzen für die Unterstützung kommunaler Unternehmen
Zur Kumulierung von Fördermitteln auf Grundlage der Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020
EU-Beihilfenrechtliche Grenzen für die Unterstützung kommunaler Unternehmen
Viele Corona-Förderprogramme von Bund und Ländern werden auf die sogenannte „Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“ gestützt. Auch Unternehmen der öffentlichen Hand können in diesen Hilfsprogrammen antragsberechtigt sein. Insbesondere im Falle kommunaler Beteiligungen setzt der EU-beihilfenrechtliche Unternehmensbegriff einer Kumulierung dieser Förderprogramme allerdings Grenzen.
Zum Hintergrund
Die Bundesregelung Kleinbeihilfen[1] ist eines der zentralen Instrumente, mit dem die Bundesregierung versucht, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Sie ist die beihilfenrechtliche Rechtsgrundlage für verschiedene Förderprogramme von Bund und Ländern (z.B. die „Soforthilfe“, die „Überbrückungshilfe I“ oder jüngst die „November- und Dezemberhilfen“). In ihrer aktuell gültigen Fassung erlaubt die Bundesregelung Kleinbeihilfen beihilfegebenden Stellen, einem Unternehmen sogenannte Kleinbeihilfen von bis zu EUR 800.000 zu gewähren[2]. Beihilfegebende Stellen können neben Bund und Ländern auch Landkreise und Kommunen sein, die eigene Förderprogramme und -maßnahmen schaffen können.
Mit dem Andauern der Pandemie wächst auch der Finanzbedarf von Unternehmen der öffentlichen Hand – man denke hier nur an von den Schließungsanordnungen betroffene kommunale Schwimmbäder oder mit massenhaften Abo-Kündigungen kämpfende Verkehrsbetriebe. Gleichzeitig nimmt die Zahl der auf die Bundesregelung Kleinbeihilfen gestützten Förderprogramme zu. Das wirft die Frage auf, inwieweit diese verschiedenen Förderprogramme miteinander kombiniert und kumuliert werden können. Diese Frage stellt sich insbesondere bei öffentlichen Unternehmen, die Teil eines Unternehmensverbunds sind. Können diese den zulässigen Höchstbetrag jeweils separat in Anspruch nehmen oder bezieht sich der Maximalbetrag auf Beihilfen an den gesamten Konzern?
Der EU-beihilfenrechtliche Unternehmensbegriff
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Bundesregelung Kleinbeihilfen darf die Gesamtsumme der einem Unternehmen nach dieser Regelung gewährten Kleinbeihilfen den Höchstbetrag von aktuell noch EUR 800.000 nicht übersteigen. Nach dem Wortlaut der Regelung kann daher ein Unternehmen grundsätzlich mehrere unterschiedliche Förderprogramme bzw. Kleinbeihilfen in Anspruch nehmen, solange dadurch der zulässige Höchstbetrag nicht überschritten wird. Ob und inwieweit die jeweiligen Förderprogramme zugunsten von Unternehmen in öffentlichen Unternehmensverbünden kumuliert und kombiniert werden können, hängt entscheidend von der Auslegung und der Reichweite des Begriffs des „einen“ Unternehmens ab.
Ein Unternehmen im Sinne des Beihilfenrechts ist jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (EuGH, Urt. v. 12.09.2000, verb. Rs. C-180/98 bis C-184/98).
Daraus folgt zunächst, dass auch öffentliche Unternehmen als Unternehmen im beihilfenrechtlichen Sinn gelten, soweit sie Güter oder Dienstleistungen auf einem Markt anbieten. Darunter fallen etwa Krankenhäuser oder Spaß- und Thermalbäder, unter Umständen aber auch Kulturzentren oder Einrichtungen zur Arbeitsvermittlung. Ob die Tätigkeit durch Eigen- oder Regiebetriebe, durch privatrechtlich organisierte Tochterunternehmen oder unmittelbar durch die öffentliche Hand selbst ausgeübt wird, spielt insoweit keine Rolle.
Darüber hinaus sind nach dem beihilfenrechtlichen Unternehmensbegriff mehrere getrennte rechtliche Einheiten als ein einheitliches Unternehmen anzusehen, wenn zwischen ihnen Mehrheitsbeteiligungen und/oder andere funktionelle, wirtschaftliche und institutionelle Verbindungen bestehen, die eine Kontrolle eines Unternehmens über das andere Unternehmen ermöglichen (EuGH, Urt. v. 10.01.2006, Rs. C-222/04).
Mehrere Unternehmen gelten zudem nicht nur dann als ein einheitliches Unternehmen, wenn zwischen ihnen unmittelbar eine solche Kontrollbeziehung besteht, sondern auch dann, wenn sie durch ein oder mehrere andere Unternehmen mittelbar in einer dieser Beziehungen stehen.
Für die öffentliche Hand und deren Unternehmen hat dies typischerweise zur Folge, dass sämtliche Unternehmen, die etwa durch eine Stadt oder einen Landkreis direkt oder indirekt kontrolliert werden, einen einheitlichen Unternehmensverbund bilden, der insgesamt als nur ein einziges Unternehmen im Sinne des EU-Beihilfenrechts anzusehen ist.
Folgen für die kumulierte Inanspruchnahme von Kleinbeihilfen durch Unternehmensverbünde
Bei der Kumulierung von Beihilfen auf Grundlage der Bundesregelung Kleinbeihilfen ist damit nach dem beihilfenrechtlichen Unternehmensbegriff stets der gesamte (öffentliche) Unternehmensverbund in den Blick zu nehmen und nicht jede einzelne Beteiligungsgesellschaft. Auf die zulässige Höchstsumme sind daher sämtliche Beihilfen anzurechnen, die den Unternehmen etwa eines kommunalen Unternehmensverbunds auf Grundlage der Bundesregelung Kleinbeihilfen gewährt wurden. Größere Kommunen mit einer Vielzahl von Beteiligungen stehen daher im Hinblick auf Unterstützungsmöglichkeiten nach der Bundesregelung Kleinbeihilfen schlechter als kleine Kommunen mit nur wenigen Beteiligungsunternehmen.
Haben die Unternehmen eines kommunalen Unternehmensverbunds bereits jeweils separat solche Kleinbeihilfen erhalten und hat die Gesamtsumme dieser einzelnen Fördermittel den zulässigen Höchstbetrag erreicht, dürfte kein anderes Unternehmen des Verbunds weitere Beihilfen nach der Bundesregelung Kleinbeihilfen – etwa aus der November- oder der Dezemberhilfe – in Anspruch nehmen. In Städten und Landkreisen, die über größere Unternehmensverbünde verfügen, kann dadurch schnell der zulässige Höchstbetrag ausgeschöpft sein.
Es spielt insoweit auch keine Rolle, ob Beihilfen auf Grundlage der Kleinbeihilfenregelung unmittelbar an die öffentlichen Unternehmen ausbezahlt werden oder ob die Mittel deren Träger (z.B. der Stadt oder dem Landkreis als faktische Muttergesellschaft dieser Unternehmen) zugewendet werden, der diese dann an ein verbundenes Unternehmen weiterleitet. Falls die Mittel an den Träger insoweit nicht ohnehin zweckgebunden sind, wäre nicht die Zahlung der Mittel durch das Land oder den Bund an die Kommune, sondern die Weiterleitung der Mittel durch die Kommune an das Unternehmen als eigenständiger beihilfenrechtlich relevanter Tatbestand anzusehen.
Keine Ausnahme bei den November- und Dezemberhilfen
Auch die November- bzw. Dezemberhilfen des Bundes werden auf die Bundesregelung Kleinbeihilfen gestützt. Den FAQ zu diesen Förderprogrammen lässt sich zwar entnehmen, dass hier für öffentliche Unternehmensverbünde eine Ausnahme vom „Konsolidierungsgebot“ gelten soll. Für die einzelnen öffentlichen Unternehmen – seien es Regie-, Eigen- oder sonstige kommunale Betriebe – soll demnach jeweils ein eigener Förderantrag gestellt werden können, auch wenn diese Teil eines Unternehmensverbunds sind. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auf November- oder Dezemberhilfen, die durch ein öffentliches Unternehmen selbst beantragt werden, die Grenzen einer Kumulierung nach dem EU-Beihilfenrecht keine Anwendung finden. Vielmehr gilt auch hier uneingeschränkt die Obergrenze für den gesamten öffentlichen Unternehmensverbund.
Die Ausnahme vom Konsolidierungsgebot bedeutet nur, dass jedes einzelne Unternehmen antragsberechtigt und nicht auf einen Antrag durch die Kommune angewiesen ist. Hingegen ist für die Zurechnung der an andere verbundene Unternehmen bereits gewährten Kleinbeihilfen weiterhin ausschließlich der beihilfenrechtliche Unternehmensbegriff maßgeblich. Der gesamte öffentliche Unternehmensverbund ist daher auch im Rahmen der November- und Dezemberhilfen als ein einheitliches Unternehmen anzusehen, das den zulässigen Höchstbetrag nur insgesamt einmal in Anspruch nehmen kann.
Fazit und Ausblick
Der beihilfenrechtliche Unternehmensbegriff gebietet eine Konzernbetrachtung. Die nach der Bundesregelung Kleinbeihilfen zulässige Höchstfördersumme von derzeit EUR 800.000 kann daher insbesondere in größeren kommunalen Unternehmensverbünden schnell ausgeschöpft sein.
Kurzfristige Abhilfe dürfte hier die jüngst beschlossene Verlängerung und Erweiterung des „Befristeten Rahmens“ der Europäischen Kommission schaffen (s. Fn. 2). Es ist damit zu rechnen, dass es auch bei der Bundesregelung Kleinbeihilfen zu einer entsprechenden Erhöhung der zulässigen Höchstfördersumme auf EUR 1,8 Mio. EUR kommen wird. Die beiden vorherigen Änderungen der Bundesregelung Kleinbeihilfen wurden innerhalb von vier bzw. fünf Wochen nach Änderung des Befristeten Rahmens umgesetzt. Unternehmen, die die bisherige Höchstgrenze bereits erreicht haben, hätten dann wieder Spielraum zur Inanspruchnahme der auf die Bundesregelung Kleinbeihilfen gestützten Fördermaßnahmen. Möglich bleibt darüber hinaus eine Förderung aus Hilfsprogrammen, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, soweit die dort jeweils geltenden Kumulierungsvorschriften eingehalten werden.
[1] Dritte Geänderte Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19, Fassung gemäß der Genehmigung der Europäischen Kommission SA.59433 (2020/N) vom 19.11.2020.
[2] Die Europäische Kommission hat am 28.01.2021 eine Ausweitung des sogenannten „Befristeten Rahmens“ beschlossen und lässt nun Kleinbeihilfen bis zu einem Höchstbetrag von EUR 1,8 Mio. zu. Es ist zu erwarten, dass die Bundesregelung Kleinbeihilfen zeitnah an diese neuen Vorgaben angepasst wird und dann ebenfalls Kleinbeihilfen von bis zu EUR 1,8 Mio. erlaubt.