03.04.2023

Zum Widerruf einer Genehmigung zum Verkehr mit Taxen

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.2021 – 6 S 2606/21

Zum Widerruf einer Genehmigung zum Verkehr mit Taxen

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.2021 – 6 S 2606/21

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Mit Verfügung vom 03.05.2021 hatte die Ordnungsbehörde gegenüber einem Taxiunternehmer die ihm erteilte Genehmigung zum Verkehr mit Taxen unter Anordnung des Sofortvollzugs widerrufen. Das Verwaltungsgericht (VG) hatte den Antrag des Taxiunternehmers abgelehnt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung der Ordnungsbehörde wiederherzustellen und u. a. ausgeführt, die Ordnungsbehörde habe das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung in hinreichender Weise schriftlich begründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Widerrufsverfügung überwiege das Aussetzungsinteresse des Unternehmers, weil der Widerruf nach der im Eilrechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich rechtmäßig sei.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sei die Genehmigung zwingend zu widerrufen, wenn nicht mehr alle Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–3 PBefG vorliegen. Hier würden Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Taxiunternehmers aufzeigen. Es bestünden hinreichende Anhaltspunkte i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV) dafür, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet und die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens zumindest gefährdet werde.

Das VG sei nach Würdigung der bisherigen Ermittlungsergebnisse jedenfalls davon überzeugt, dass der Unternehmer einen CAN-Filter jedenfalls auch zum Zweck der Manipulation der Wegstreckenaufzeichnung in mindestens eines der von ihm als Taxi verwendeten Fahrzeuge eingebaut habe oder habe einbauen lassen und ihn zu diesem Zweck verwendet habe.


Einem „Tachoblocker“ kommt im öffentlichen Straßenverkehr kein legaler Verwendungszweck zu

Einem CAN-Filter zur Manipulation der Wegstreckenaufzeichnung, d. h. einem „Tachoblocker“, komme im öffentlichen Straßenverkehr kein legaler Verwendungszweck zu. Er werde vielmehr gerade im Taxigewerbe dazu eingesetzt, den im Wegstreckenzähler abzulesenden Kilometerstand des Fahrzeugs scheinbar zu reduzieren und so Werkstattintervalle zu verlängern, Einnahmen zu verschleiern und dadurch Abgaben zu verkürzen, den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs zu steigern und/oder in Schadensfällen gegenüber dem Unfallgegner bzw. dessen Versicherung überhöhte Schadensbeträge abzurechnen.

Der Einsatz eines „Tachoblockers“ bezwecke damit gerade Verstöße gegen Vorschriften i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. c) PBZugV, die im Interesse der Betriebssicherheit erlassen worden seien, wie etwa § 57 Abs. 3 Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) oder Vorschriften über abgabenrechtliche Pflichten i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. d) PBZugV, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben sowie strafrechtliche Vorschriften wie § 263 Strafgesetzbuch (StGB). Die dagegen gerichtete Beschwerde des Taxiunternehmers blieb beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) ohne Erfolg.

Das VG habe zu Recht entschieden, dass die ihm erteilte Taxigenehmigung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PBefG zu widerrufen ist, weil Tatsachen vorliegen, die seine Unzuverlässigkeit dartun. Der Begriff der Unzuverlässigkeit wird in § 1 Abs. 1 PBZugV näher konkretisiert.

Eine ganze Reihe von Pflichten sind zur Wahrung der Zuverlässigkeit einzuhalten

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PBZugV gelten Unternehmer als zuverlässig i. S. d. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden. Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers sind nach Satz 2 dieser Vorschrift insbesondere:

  1. rechtskräftige Verurteilungen wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften oder
  2. schwere Verstöße gegen
    • Vorschriften des PBefG oder der auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnungen,
    • arbeits- oder sozialrechtliche Pflichten, insbesondere gegen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrpersonals,
    • Vorschriften, die im Interesse der Verkehrs- und Betriebssicherheit erlassen wurden, insbesondere gegen die Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) oder der StVZO,
    • die abgabenrechtlichen Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben,
    • § 1 des Pflichtversicherungsgesetzes (PflVG) vom 05.04.1965 in der jeweils geltenden Fassung,
    • umweltschützende Vorschriften, dabei insbesondere des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) oder solche der StVZO in ihren jeweils geltenden Fassungen.

Keine rechtskräftige Verurteilung erforderlich – ein bloßer Verdacht genügt nicht

Wird die Annahme der Unzuverlässigkeit auf einen der in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV geregelten Tatbestände gestützt, ist entgegen der Auffassung des Taxiunternehmers keine rechtskräftige Verurteilung erforderlich. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut und der Regelungssystematik der Norm, die nur in Nr. 1 eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt.

Auf der anderen Seite reicht im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV der bloße Verdacht eines schweren Verstoßes nicht aus. Erst wenn schwere Verstöße festgestellt wurden, ergeben sich daraus Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder der zur Führung der Geschäfte bestellten Personen. Ggf. haben die Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte Verstöße i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV eigenständig zu ermitteln und auf ihre Schwere hin zu beurteilen.

Dabei ist es ihnen nicht verwehrt, die in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und/oder einem strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen einer Unzuverlässigkeit ergeben können. Diese Befugnis geht jedoch mit der Pflicht einher, die vorliegenden Erkenntnisse eigenständig auf ihre Belastbarkeit zu überprüfen und eine selbstständige Beweiswürdigung vorzunehmen.

Die vom VG vorgenommene Beweiswürdigung ist unter Anlegung dieses Maßstabs nicht zu beanstanden. Auch der VGH ist auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse in dem gegen den Taxiunternehmer geführten Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs von Wegstreckenzählern und der ergänzend von der Ordnungsbehörde und dem VG eingeholten Auskünfte davon überzeugt, dass in ein als Taxi verwendetes Fahrzeug ein CAN-Filter jedenfalls auch zum Zweck der Manipulation der Wegstreckenaufzeichnung eingebaut und verwendet wurde.

Taxiunternehmer selbst hat den „Tachoblocker“ in das Taxi bauen lassen und zum Zweck der Manipulation der Wegstreckenaufzeichnung verwendet

Auch mit dem Vorbringen, ihm werde zu Unrecht unterstellt, die verantwortliche Person für das Fahrzeug gewesen zu sein, vermochte der Unternehmer nicht durchzudringen. Er war im maßgeblichen Zeitraum als Gesellschafter an der „GbR“ beteiligt. Zwar fungierte ausweislich des vorgelegten Gesellschaftsvertrags ein Dritter als alleiniger Geschäftsführer, doch war im Zentralen Verkehrs-Informationssystem des Kraftfahrt- Bundesamts (ZEVIS) der Taxiunternehmer als für das Fahrzeug verantwortliche Person eingetragen.

Der Hinweis, der zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens führte, bezog sich zudem nicht nur auf das Fahrzeug der „GbR“, sondern auch auf ein auf den Taxiunternehmer als Einzelunternehmer zugelassenes weiteres Fahrzeug, welches allerdings bei der richterlich angeordneten Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Unternehmers am 10.09.2020 nicht aufgefunden und deshalb auch nicht auf eine entsprechende Manipulation untersucht werden konnte. Bei dieser Durchsuchung, bei der der Taxiunternehmer selbst zugegen war, wurden aber u. a. die Schlüssel des verschwundenen Fahrzeugs im Wohnzimmerschrank und auch sonst noch eine Vielzahl von Schriftstücken und Geschäftsunterlagen der „GbR“ gefunden und beschlagnahmt.

Schließlich hatte er durch seinen Prozessbevollmächtigten in der Antragsschrift vom 06.05.2021 selbst vorgetragen, dass das Fahrzeug seit dem 15.03.2015 auf ihn zugelassen sei und seitdem zum Taxenverkehr durch ihn eingesetzt werde. Dies alles spricht bei einer Gesamtschau dafür, dass der Taxiunternehmer selbst und nicht sein Mitgesellschafter oder ein Dritter den CAN-Filter in das überprüfte Fahrzeug eingebaut hat oder hat einbauen lassen und ihn zum Zweck der Manipulation der Wegstreckenaufzeichnung verwendete. Dass er nach seinem Vorbringen im Beschwerdeverfahren am 14.07.2021 aus der „GbR“ ausgeschieden ist und seinen Geschäftsanteil an seine Ehefrau abgetreten hat, ist rechtlich unerheblich.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.2021 – 6 S 2606/21.

 

Entnommen aus der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 24/2022, Rn. 276.

 
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