06.02.2020

Zukunftsfähiges Beteiligungsmanagement: Chancen für Städte, Kommunen und Länder

Wie eine anforderungsgerechte Public Corporate Governance aktuellen Megatrends begegnen kann

Zukunftsfähiges Beteiligungsmanagement: Chancen für Städte, Kommunen und Länder

Wie eine anforderungsgerechte Public Corporate Governance aktuellen Megatrends begegnen kann

Angesichts der aktuellen Megatrends ist eine anforderungsgerechte Public Corporate Governance wichtiger denn je. | © Egor - stock.adobe.com
Angesichts der aktuellen Megatrends ist eine anforderungsgerechte Public Corporate Governance wichtiger denn je. | © Egor - stock.adobe.com

Zu den entscheidenden aktuellen gesellschafts- und weltpolitischen Herausforderungen zählen heute Megatrends, wie Klimawandel, Mobilitätswende, Zuwanderung und Wohnungsknappheit. Die primäre Aufgabe des öffentlichen Sektors besteht darin, diese komplexen Herausforderungen (sogenannte „Wicked Problems“) zu meistern. Hierzu bedient er sich vielerorts öffentlicher Unternehmen in privater Rechtsform. Zu ihnen zählen beispielsweise Stadtwerke, Verkehrsgesellschaften, Entsorgungsunternehmen oder Wohnungsbaugesellschaften. Ihnen obliegt es, mit der Unterstützung von Politik und Verwaltung, den beschriebenen Megatrends Rechnung zu tragen und dabei Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.

Ein zukunftsfähiges Beteiligungsmanagement bietet hierfür eine wichtige Stellschraube und kann dazu beitragen, die mit den Megatrends einhergehende Komplexität zu handhaben. Voraussetzung dafür ist eine Leitung und Kontrolle, die akzeptiert, dass innovative Lösungswege nicht top-down erzwungen werden können, sondern in der Regel auf freiwilliger Zusammenarbeit basieren und einen Blick über den Tellerrand erfordern. Dafür muss ein zukunftsfähiges Beteiligungsmanagement (erstens) nicht nur unternehmensinterne, sondern auch -übergreifende Zusammenarbeit schaffen, die über den Austausch komplementären Wissens Wege im Umgang mit den genannten Megatrends aufzeigt. Das für innovative Lösungen erforderliche komplementäre Wissen stammt dabei in der Regel aus einem Umfeld, das Vielfalt zulässt und fördert. Entsprechend muss ein zukunftsfähiges Beteiligungsmanagement (zweitens) vermehrt Vielfalt nutzen. Dabei geht es nicht nur um Frauenquoten in Top-Management und Aufsichtsräten, sondern insbesondere auch um vielfältig kompetent zusammengesetzte Aufsichtsräte. Drittens gilt es, eine verantwortungsvolle Corporate Governance nicht nur in Leitlinien festzuhalten, sondern auch zu leben.

Ausbau unternehmensübergreifender Zusammenarbeit

Um den aktuellen Megatrends mit innovativen Lösungen Rechnung zu tragen, sind Gebietskörperschaften auf eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit möglichst vieler ihrer öffentlichen Unternehmen und deren komplementäres Wissen angewiesen. So sind beispielweise die Themen Digitalisierung und Klimawandel allgegenwärtig und sollten bei den strategischen Entscheidungen in den verschiedensten Branchen mitbedacht werden. Gleichwohl zeigt die Realität, dass bei öffentlichen Unternehmen oft ein sogenanntes Silo-Denken dominiert. Jedes Unternehmen versucht dabei, die für sich beste Lösung zu entwickeln, ohne das „große Ganze“ im Blick zu haben.


Wie Michèle Morner und Jetta Frost 2010 in ihrem Buch „Konzernmanagement – Strategien für Mehrwert“ zeigen, ist eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit jedoch wichtig, um langfristigen Mehrwert innerhalb eines Verbunds zu generieren. Der verbundinterne, unternehmensübergreifende Wissensaustausch spielt dabei eine entscheidende Rolle. Denn Wissen ist nicht-rivalisierend im Konsum, das heißt es wird nicht weniger, wenn es mehrfach genutzt wird. Im Gegenteil kann es sich dadurch noch anreichern, insbesondere wenn jeder unterschiedliches, komplementäres Wissen einbringt, aus dem wiederum neues Wissen entsteht. Gelingt ein derartiger Wissensaustausch, wird im Sinne der Mehrwertstiftung aus 1+1 nicht 2, sondern 3. Daraus kann neues Wissen zum Umgang mit den eingangs genannten Megatrends entstehen. Eine anforderungsgerechte Public Corporate Governance kann hierbei einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn sie es durch gezielte Steuerung schafft, das Silo-Denken von öffentlichen Unternehmen bzw. deren Geschäftsführern und Aufsichtsräten so aufzubrechen, dass diese bei der Verfolgung ihrer Unternehmensziele die Kollektivziele der Gebietskörperschaft nicht aus den Augen verlieren. Letztendlich kann dies nicht nur die Resilienz jedes einzelnen Unternehmens, sondern auch die des öffentlichen „Gesamtverbunds“ stärken.

Stärkung der Vielfalt im Top-Management und Aufsichtsrat

Damit aus dem beschriebenen Wissensaustausch neue Ideen zur Handhabung der Megatrends entstehen, ist ein gewisses Maß an Vielfalt wichtig. Der Forscher Bart Nooteboom spricht in diesem Zusammenhang von kognitiver Distanz der Beteiligten, die Voraussetzung für innovative Problemlösungen ist. Dafür darf sie allerdings weder zu groß, noch zu klein sein. Ist die kognitive Distanz sehr klein, verstehen sich die Betroffenen zwar in der Regel hervorragend, neues Wissen wird aber kaum erzeugt. Im Gegensatz dazu hätte eine zu große kognitive Distanz zur Folge, dass sich die Beteiligten nicht mehr hinreichend verstehen können und damit der Wissensaustausch erschwert wird.

Ein Indikator für Vielfalt ist der Frauenanteil im Top-Management und in den Aufsichtsgremien von öffentlichen Unternehmen. Hierbei handelt es sich zwar zunächst um eine sogenannte „Oberflächenvielfalt“ („Surface-level Diversity“), die sich an demografischen Merkmalen orientiert. Diese geht aber oft mit einer „Tiefenvielfalt“ („Deep-level Diversity“) einher, die Basis komplementären Wissens ist und so zur innovativen Handhabung der eingangs dargestellten Megatrends beitragen kann. Eine besonders wichtige Voraussetzung für innovationsfördernde Tiefen-Diversität liegt in fachlich-komplementären Kompetenzprofilen von Aufsichtsräten. Mindestanforderungen für Kompetenzprofile werden zwar vielerorts definiert, dennoch ist und bleibt die Zusammensetzung der Kompetenzen des Aufsichtsrats oft eine Wundertüte. So kommt es beispielsweise auf kommunaler Ebene, bei der die politischen Fraktionen für die Gremienbesetzung verantwortlich sind, in der Regel kaum zu fraktionsübergreifenden Abstimmungsprozessen, um eine stimmig komplementäre Kompetenzzusammensetzung zu gewährleisten. Die Gremienzusammensetzung ist dabei dann letztendlich ein Zufallsprodukt – wie eine Studie von Bettina Klimke-Stripf und Michèle Morner zeigt.

Erhöhung der Leitlinienwirksamkeit

Verantwortungsvolle Corporate Governance wird in der Regel in Kodizes verschriftlicht. Diese Leitlinien bieten dann neben gesetzlichen Regelungen ein wichtiges Element, um den dargestellten Herausforderungen Rechnung zu tragen. Die Unternehmen müssen in einer jährlichen Erklärung dem Kodex entsprechen („Comply-Regel“) und Abweichungen davon erklären („Explain-Regel“). Bedauerlicherweise stehen Kodizes gerade im öffentlichen Sektor häufig in der Kritik, nicht hinreichend „gelebt“ zu werden. Gründe hierfür sind vielfältig.

Eine mögliche Ursache kann im Entstehungsprozess der Kodizes begründet sein, denn diese werden meist nur von einer kleinen Gruppe an Akteuren entwickelt und dann den Unternehmen „auferlegt“. Aus der Managementforschung wissen wir jedoch bereits seit vielen Jahren, dass die Entwicklung von Leitlinien möglichst partizipativ erfolgen sollte, um eine breitflächige Umsetzung zu erleichtern. Gleiches gilt für die Entwicklung von Kodizes. Wenn Kodizes von möglichst vielen mitgetragen werden sollen, ist es für eine anforderungsgerechte Public Corporate Governance wichtig, dass sie Wege für eine breit getragene Kodex-Entwicklung findet. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass nach einer „Häkchen-Mentalität“ zwar dem Kodex vordergründig entsprochen wird, aber dieser nicht wirklich gelebt wird.

Fazit

Angesichts der aktuellen Megatrends ist eine anforderungsgerechte Public Corporate Governance wichtiger denn je. Der vorliegende Beitrag veranschaulicht drei verschiedene Themenfelder, in denen weiterhin Handlungsbedarf besteht. Um diesen Forderungen gerecht zu werden, ist ein regelmäßiger Austausch zwischen Politik, Verwaltung, Unternehmen und Forschung wesentlich. Die jährlich stattfindende Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance bietet hierfür eine geeignete Plattform. Sie ist in den vergangenen Jahren zum maßgeblichen Forum für Public Corporate Governance und öffentliches Beteiligungsmanagement in Deutschland herangewachsen. In diesem Jahr widmet sie sich unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner dem Thema „Zukunftsfähiges Beteiligungsmanagement: Chancen für Kommunen, Bund und Länder“ und findet vom 23. bis 24. März 2020 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer statt.

 

 

Dipl.-Hdl. Bettina Klimke-Stripf

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer
 

Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner

Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer Wissenschaftliches Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance (wifucg), Berlin
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