13.02.2020

Steinreiche Kommune?

Besser nicht!

Steinreiche Kommune?

Besser nicht!

Eine Grundsatzfrage: grau oder grün? | © Spiroview Inc. - stock.adobe.com
Eine Grundsatzfrage: grau oder grün? | © Spiroview Inc. - stock.adobe.com

Vor allem infolge der anhaltenden Hitzeperioden 2018 und 2019 wurde offensichtlich, welche Veränderungen der Klimawandel in unsere Städte bringt. Kommunen suchen nach Instrumenten zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung. Hierbei kommt dem Grün in den Städten eine besondere Rolle zu: So erklärt sich, dass vielerorts wieder kommunale Förderprogramme zur Dach- und Fassadenbegrünung aufgelegt werden. Auch auf Bundes- und Länderebene werden neue Töpfe geschaffen, die allesamt dazu beitragen, die grüne Infrastruktur der Städte zu stärken. Ein wesentliches Motiv liegt für Kommunen auch im Bereich des Wassermanagements, insbesondere der Hochwasser- bzw. Starkregenvorsorge. Wo möglich, werden Flächen auf Plätzen und an Straßen entsiegelt und Versickerungsmöglichkeiten geschaffen, um die Kanalisation zu entlasten. Die Schattierung durch Bäume vermindert das Aufheizen von befestigten Flächen, Verdunstungskühle tut ein Übriges und nicht zuletzt sind es Aspekte wie die Schaffung von Lebensraum und das Angebot zur Naturerfahrung im direkten Lebensumfeld, die Städte und Gemeinden für mehr Grün motivieren. Erstaunlicherweise kann man parallel auf privaten Grundstücken seit einigen Jahren allerdings eine genau entgegengesetzte Entwicklung beobachten. Wuchsen früher vor vielen Häusern noch Stauden, Bäume und Hecken, so gibt es heute immer mehr Vorgärten, die komplett versiegelt sind oder mit Kies- und Schotteraufschüttungen angelegt wurden. Deshalb hat der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V. schon im Frühjahr 2017 die Initiative „Rettet den Vorgarten“ ins Leben gerufen und auch in vielen Kommunen regt sich Widerstand.

Schottergärten verbieten?

Versiegelte und verschotterte Vorgärten machen nicht nur viel Arbeit, sondern haben zudem spürbar negative Auswirkungen auf ihre Umgebung. Zum einen heizen sie sich während des Tages stark auf und geben diese Hitze nachts wieder ab – direkt am Haus. Zum anderen nehmen sie Regenwasser nur bedingt auf, beziehungsweise sorgen für Störungen im natürlichen Wasserkreislauf. Die Folge ist, dass das Oberflächenwasser nicht mehr zur Verdunstung zur Verfügung steht. Damit beeinflussen sie direkt auch das städtische Kleinklima und verstärken noch die Belastungen der Menschen im Sommer, insbesondere in den sogenannten Tropennächten. Darüber hinaus bieten Schotter, Kies und Split der Tierwelt weder Nahrung noch Rückzugsorte. Gerade in Zeiten, in denen der Vogelrückgang sowie das Insektensterben in aller Munde ist, spielen diese Aspekte eine immer bedeutendere Rolle. Aus diesen Gründen diskutieren mehr und mehr Kommunen ein Verbot von versiegelten Vorgärten, andere haben bereits entsprechende Regelungen in ihre Bebauungspläne aufgenommen oder explizite Vorgarten-Satzungen erlassen.

Grüne Vorgärten sind besser für alle

„Wir freuen uns, dass zum Thema Vorgarten inzwischen eine gesellschaftliche Debatte geführt wird und dass es auch bei Kommunalverantwortlichen Beachtung findet“, betont BGL-Vizepräsident Achim Kluge. „Trotzdem sind wir davon überzeugt, dass Verbote der falsche Weg sind. Schon 2017 haben wir daher die Initiative ‚Rettet den Vorgarten‘ ins Leben gerufen, mit der wir eben nicht gegen Schottergärten wettern, sondern vielmehr die positiven Wirkungen von abwechslungsreich bepflanzten und individuellen Vorgärten hervorheben.“ Mit dem „Weißbuch Stadtgrün“ hatte die Bundesregierung schon im Frühjahr 2017 deutliche Signale über den Wert von Grün für eine lebenswerte Zukunft an die Länder und Kommunen gegeben. Städte und Gemeinden nutzen die grüne Infrastruktur unter anderem zur Stadtklimatologie und zum Hochwasserschutz, zur Gesundheitsförderung, Naturbildung, Integration oder zum sozialen Ausgleich. Insbesondere im Zuge der Anpassung an den Klimawandel leisten Grünflächen wertvolle Beiträge. Beispielsweise können nicht versiegelte Grünräume als Wasserspeicher dienen, Schutz vor Überschwemmungen bieten, die Temperatur regulieren und zur Verringerung der Luftverschmutzung beitragen. Kluge: „Es kommt auf jeden Quadratmeter an und so erklärt sich, dass auch Vorgärten eine wesentliche Rolle spielen.“ Städte legen Vorgartenwettbewerbe auf, zeigen auf ihren Websites gute Beispiele und geben konkrete Tipps zur Vorgartengestaltung, Umweltverbände geben Broschüren heraus, im Internet, insbesondere in sozialen Medien gibt es eine intensive Debatte zur Anlage von Vorgärten.


Als Gebietskörperschaften sind die Städte und Gemeinden zuständig, wenn es um Regelungen für die Flächennutzung geht. Die Summe vieler kleiner Vorgärten stellt in einer Kommune durchaus eine große Fläche dar, weshalb es schon seit den 1970er Jahren vielerorts Vorgaben und Empfehlungen für Haus- und Grundbesitzer gibt. In Zeiten des Klimawandels sind Kommunen zudem gefragt, Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln, damit vor Ort das Klima erträglicher und das (Hoch-)Wassermanagement sicherer wird.

Rechtliche Vorgaben

Auf Bundesebene ist das Baugesetzbuch (BauGB) maßgeblich. Die Bundesländer haben darüber hinaus Landesbauordnungen erlassen, die schließlich auf kommunaler Ebene umgesetzt werden und in Form von kommunalen Satzungen Vorgaben für die Bürger bzw. Grundstückseigentümer machen. Im BauGB wird zur Bauleitplanung vorgegeben, dass Flächennutzungspläne und Bebauungspläne dazu beitragen sollen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln. Dazu sind gemäß § 1 Abs. 6 BauGB insbesondere auch die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die Belange des Umweltschutzes zu berücksichtigen. Kommunen können auch übergreifende Satzungen für die Gestaltung bestimmter Flächen erlassen, hier zum Beispiel als Vorgartensatzung. Rechtlich steht eine solche auf gleichem Niveau wie ein Bebauungsplan, ist also verbindlich, hat aber in der Regel einen übergreifenden räumlichen Geltungsbereich.

Die kommunalen Satzungen werden in den Stadt- oder Gemeinderäten politisch verhandelt und mehrheitlich beschlossen. Da sie in Rechte der Bürger eingreifen und sie beschränken können, müssen sie immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Konkret zur Frage der Vorgarten-Gestaltung ist zu berücksichtigen, wie weit ein kommunales Ge- oder Verbot die Eigentumsrechte betrifft.

Gute Beispiele

Mit www.rettet-den-Vorgarten.de steht nun eine neue Website zur Verfügung, die neben allgemeinen Informationen und Argumenten für die gärtnerische Gestaltung der Vorgärten auch spezielle Unterseiten für Kommunen und für Gartenbesitzer enthält. Die Rubrik „Für Kommunen“ umfasst dabei einige rechtliche Hinweise und vor allem Beispiele, wie Städte und Gemeinden gegen die zunehmende Verschotterung vorgehen. So geben viele Gemeinden etwa auf ihren eigenen Websites und/oder in Broschüren Tipps und Hinweise zur Vorgartengestaltung. Auch Informationsveranstaltungen und nicht zuletzt das Vorbild auf den eigenen kommunalen Flächen sind vor Ort wichtige Instrumente. „Wenngleich der einzelne Vorgarten nur klein sein mag, so ist die Summe dieser vielen Areale in einer Stadt in Zeiten des Klimawandels und einem immer anspruchsvolleren Management des Oberflächenwasser dann doch eine relevante Größe.“ So erklärt Achim Kluge die Tatsache, dass in mehr und mehr Kommunen die Gestaltungssatzungen neu diskutiert werden.

In der Rubrik „Für Hausbesitzer“ sind konkrete Tipps und Anregungen für die Vorgartengestaltung zusammengestellt: Links weisen zu Kurzfilmen oder anderen interessanten Webseiten. Unter „Inspirationen“ finden sich Fotos und kurze Texte, die verschiedene Aspekte von Vorgärten beleuchten. Kluge: „Die Webseite wird ständig weiter aktualisiert. Wir freuen uns über Hinweise auf gute Quellen und Beispiele aus Städten und Gemeinden, von anderen Initiativen und natürlich auch von Gartenbesitzern, die wir soweit wie möglich nach und nach integrieren.“

 

Achim Kluge

Vizepräsident des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V.
 

Andreas Stump

Pressesprecher des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V.
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