14.02.2020

Coburg digital

Digitalerfolg auf kommunaler Ebene lebt von Akzeptanz und Beteiligung

Coburg digital

Digitalerfolg auf kommunaler Ebene lebt von Akzeptanz und Beteiligung

Zusammenarbeiten für die Digitalisierung in den Kommunen. | © luna - stock.adobe.com
Zusammenarbeiten für die Digitalisierung in den Kommunen. | © luna - stock.adobe.com

Der digitale Wandel schreitet voran und auch die Kommunen versuchen, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, die Digitalisierung im eigenen Haus voranzutreiben, aber auch die digitale Transformation der Städte und Regionen im Rahmen von digitalen Agenden und Smart-City-Projekten zu gestalten. In Bezug auf das Digitale Rathaus scheint man sich bereits seit geraumer Zeit an der Devise „höher, schneller, weiter…“ zu orientieren. Die auf höherer Ebene gesetzten Ziele verleiten nur zu schnell zu einem Denken in Zahlen und Zeiträumen. Die stattliche Anzahl der bis 2022 umzusetzenden Verwaltungsleistungen verschiebt den Fokus auch auf die für diesen „Kraftakt“ notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen.

Die Kommunen als „letzte Meile“ zum Bürger

Die Notwendigkeit steht dabei außer Frage. Am Gelingen der Digitalisierung der Verwaltung haben die Kommunen als „letzte Meile“ zum Bürger ein besonders großes Interesse – werden sie als nächste Anlaufstelle, als direkter Ansprechpartner des Bürgers in vielen Fällen doch als erste herangezogen, wenn die entsprechenden Lösungen hinter den Erwartungen der Bürger zurückbleiben. Und die sind in Hinblick auf das erwartete digitale Service-Level zweifelsfrei hoch.

Beide Perspektiven gehen Hand in Hand. Im Zuge der Umsetzung einer immer größeren Anzahl an Verfahren in immer kürzeren Zeitspannen darf vor sowie hinter der Rathaustür nicht aus dem Auge verloren werden, was im Zuge des Prozesses erreicht werden muss: Sowohl für die Umsetzung des OZG als auch für den sich gesamtgesellschaftlich vollziehenden digitalen Wandel gilt, dass die damit verbundenen Potenziale und Mehrwerte nur dann realisiert werden können, wenn es innerhalb des Prozesses gelingt, die notwendige Akzeptanz zu sichern: innerhalb der Verwaltung ebenso wie in der Stadt, bei Bürgern und Unternehmen.


Akzeptanz lebt von Beteiligung

Die Freistellung der Nutzung bzw. die Möglichkeit des „Opt-outs“ aus digitalen Verfahren ist nicht zuletzt auch rechtlich vielfach verankert. Umso mehr müssen digitale Dienste von sich aus überzeugen – muss sichergestellt werden, dass die „digitale Verwaltung“ mit ihren Anwendungen von den Bürgern und Unternehmen angenommen wird. Denn: Was nützen vollständig medienbruchfreie, digitale Verfahren, wenn Sie am Ende kaum jemand nutzt? Die Sicherstellung der Akzeptanz der begleitenden Veränderungsprozesse ist eine vielschichtige – kommunikative, organisatorische und strategische – Aufgabe, die sowohl föderal als auch auf kommunaler Ebene nur im Zusammenspiel zahlreicher Akteure bewältigt werden kann. Aspekte wie Partizipation und Teilhabe, die Vermittlung von Digitalkompetenz, aber auch der Aufbau von Vertrauen bei Bürgern und Mitarbeitern rücken auf diesem Wege in den Fokus.

Die frühzeitige Einbindung wichtiger Stakeholder und gerade auch die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in ihren vielfältigen, alltäglichen Rollen – als Übungsleiter oder Vorstand im Verein, als sozial oder kulturell engagierte Person, als Elternteil oder als Pflegende/r – kann dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor sein. Im Dialog „auf Augenhöhe“, so die Erfahrung aus über 20 Jahren gelebter Praxis auf kommunaler Ebene, können Anliegen – mögliche Vorbehalte wie auch einfach zu realisierende Wünsche – frühzeitig adressiert und als wichtiges Feedback in die weitere Entwicklung aufgenommen werden.

Coburg digital – bürger- und praxisnah

Digitalisierung nicht als Selbstzweck, sondern als Mehrwehrt für die Stadt, ihre Bürger und die Veraltung – nicht als primär technologisch zu lösendes Problem, sondern als gesamtgesellschaftlich zu bewältigende Aufgabe – das war im oberfränkischen Coburg (ca. 41.000 Einwohner) bereits 2007 Kern der wegweisenden „WIR@COBURG“-Charta. Im Rahmen des T-City-Wettbewerbs der Deutschen Telekom AG entwickelte die Stadt gemeinsam mit ihren Bürgern zum ersten Mal ein Leitbild einer „optimal vernetzten Stadt“. Dieses orientierte sich an Zielen wie Nachhaltigkeit, Bedarfsorientierung, Teilhabe und Chancengleichheit – und legte damit den Grundstein für eine bürger- und praxisnahe Digitalisierungsstrategie, die die Stadt in zahlreichen Projekten weiter verfolgte. Über die Jahre ist so in Coburg ein nachhaltig positives Digitalisierungsklima entstanden. Auch zahlreiche Auszeichnungen und Preise, darunter u.a. der Google eTown-Award (2014) und der Stiftungspreis „Die digitalste Stadt“ (2018), sind eine Bestätigung und Anerkennung dieses Vorgehens.

Im Bereich der digitalen Daseinsvorsorge stellte die Stadt frühzeitig entscheidende Weichen, etwa beim Glasfaserausbau, aber auch durch die Schaffung einer strategischen Stelle im Rathaus, die seit 2001 mit Karin Engelhardt besetzt ist und aus der Anfang 2020 das neu gegründete Amt für Digitalisierung und Kommunikation hervorging. Den Schlüssel zu den vor Ort erzielten (Digitalisierungs-)Erfolgen sieht Engelhardt vor allem in der relativen „Nähe zum Bürger“. Im Rahmen von Projekten versucht die Stadt, möglichst frühzeitig auf wichtige Stakeholder zuzugehen. Das soll auch verhindern, dass Lösungen an den Anforderungen der späteren Nutzer vorbeientwickelt werden. Dies geht nur, indem man voneinander lernt und letztlich gemeinsam an Lösungen arbeitet. Ein Beispiel hierfür ist das Modell der „Coburger Börsen“, das über die Jahre erfolgreich auf verschiedene Bereiche des städtischen Lebens adaptiert wurde. Dabei geht es im Kern um die simple Erweiterung bestehenden zivilgesellschaftlichen Engagements ins Digitale. Die Börsen – von der Ferienbörse über den Sportwegweiser bis zum Familienkompass – sollen vordergründig dabei helfen, Angebote und Nutzer zusammenzubringen. Im Rahmen der KiTa-Börse entwickelte die Stadt gemeinsam und orientiert an den Anforderungen der teilnehmenden Einrichtungen ein Online-Verfahren, dass sich zunächst primär an den Bedürfnissen von Eltern und KiTas orientierte. Im Projektverlauf ergeben sich nahezu immer auch positive Effekte für die Verwaltung. Nicht nur durch Synergieeffekte, die Verwaltungsaufwand einsparen und -prozesse verbessern, sondern auch durch im Projektkontext ablaufende Identifikationsprozesse. Im Austausch der verschiedenen Perspektiven steigt durch das gewonnene Verständnis die Akzeptanz des Verfahrens, Digitalkompetenzen werden erworben und weiterentwickelt, gemeinsam Erreichtes auch gegenüber Kritik von außen verteidigt. Kurz: Aus Projektteilnehmern werden im Idealfall nicht nur zufriedene Nutzer, sondern ggf. auch überzeugte Multiplikatoren und authentische „Digitalisierungsbotschafter“.

Der „Coburger Weg“ – Mit der Digitalisierung Schritt halten

Dies alles ist ohne Frage ein zeitintensiver Prozess, der sich langfristig jedoch auszahlt, weil im Rahmen der Projekte die „menschliche Seite“ der Digitalisierung befördert wird. Denn, so auch das Fazit aus der 2-jährigen Teilnahme am „Modellprojekt Digitale Einkaufsstadt Bayern“, viel zu oft sind auch heute noch „[n]icht die technologische Umsetzung, sondern das Wissen, der Wille zur Beteiligung sowie die technischen […] Fähigkeiten […] Engpässe bei der Gestaltung des digitalen Wandels in der (Innen)Stadt“. Mit der Digitalisierung Schritt zu halten, bedeutet in diesem Kontext nicht nur, innovative Lösungen auf der Höhe der Zeit zu entwickeln, sondern ebenso sicherzustellen, dass die zukünftigen Nutzer in der Lage und bereit sind, die notwendigen Schritte zur Veränderung zu gehen. Das offene Gespräch mit den Beteiligten, aber auch begleitende Schulungs- und Weiterqualifizierungsmaßnahmen können hier davor bewahren, voreilig technikzentrierte Lösungen zu entwickeln, die ihr Potenzial mangels Teilnahme schließlich nicht realisieren können.

Fazit und Ausblick

Nachhaltige Digitalisierungserfolge brauchen eine ganzheitliche Strategie, die neben den zu erzielenden technologischen Fortschritten im Rahmen eines Veränderungsmanagements auch die Akzeptanz von Prozessen in den Blick nimmt. Maßnahmen zur „digitalen Befähigung“, zu Mitgestaltung und Teilhabe sowie bidirektionale Kommunikationsstrukturen sind sowohl bei der Umsetzung des „digitalen Rathauses“ als auch im Rahmen von „digitalen Agenden“ sowie in „Smart City“-Kontexten wichtige Bausteine zur Sicherung des Erfolges. Ohne die nachhaltige Unterstützung aller Beteiligter wird sich der digitale Wandel nicht zufriedenstellend vollziehen lassen. Vor diesem Hintergrund hat die Stadt Coburg bereits Ende 2017 – in Zusammenarbeit mit dem Berliner Institut für Innovation und Technik – damit begonnen, sowohl „vor“ als auch „hinter der Rathaustür“ die notwendigen Strukturen für eine „mitgestaltende“ Digitalisierung zu schaffen. Gemeinsam und in engem Austausch mit ihren Mitarbeitern möchte die Stadt im Zuge der Umsetzung des OZG innovative Dienste für das „digitale Rathaus“ entwickeln sowie im Dialog mit der Stadtgesellschaft, den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen vor Ort weiter an einer agilen „digitalen Agenda“ für den Standort Coburg arbeiten.

 

Karin Engelhardt

Amtsleiterin des Amtes für Digitalisierung und Kommunikation, Stadt Coburg
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